Hamburg. Sönke Fock, der Chef der Hamburger Arbeitsagentur, rät Firmen zur Kurzarbeit und erwartet in der Stadt keine Kündigungswelle.

Erst Kurzarbeit oder doch gleich in die Arbeitslosigkeit? Mit dieser Frage sind aktuell viele Hamburger beschäftigt, nachdem durch das Coronavirus das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben immer mehr zum Erliegen kommt. Das zeigte sich am Montag als unter der Fülle der Anfragen die Telefonanlage der Arbeitsagentur Hamburg zusammenbrach. Gleichzeitig wurde der Publikumsverkehr in den sieben Arbeitsagenturen und an den 18 Jobcenter-Standorten in der Stadt zum Schutz der Kunden und Mitarbeiter bis auf Weiteres eingestellt. Das gilt auch für die Familienkasse Nord, in der das Kindergeld bearbeitet wird.

„Wir schaffen die Voraussetzungen, dass Fragen und Anliegen auch ohne persönlichen Kontakt geklärt werden können“, sagt Sönke Fock, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Hamburg, im Gespräch mit dem Abendblatt. „So wollen wir einen Beitrag zum Eindämmen der Pandemie leisten und gleichzeitig die Zahlung von Geldleistungen in dieser schwierigen Lage sicherstellen.“ Nur in Notfällen werden Kunden in die Agenturen gelassen, etwa wenn sie kein Geld bekommen haben sollten und ihr Lebensunterhalt gefährdet ist. „Die Dienststellen sind besetzt, aber wir haben eben keinen Publikumsverkehr“, sagt Fock.

Arbeitsagentur will ihre telefonischen Kapazitäten ausbauen

Im Gegenzug wird die Arbeitsagentur aber ihre telefonischen Kapazitäten ausbauen. „Wir werden so schnell wie möglich zusätzliche Telefonnummern schalten. Das sollte bis zum Dienstag geschafft sein“, sagt Fock. „Alle bisher vereinbarten persönlichen Gesprächstermine entfallen ohne Rechtsfolgen, es ergeben sich daraus also keine finanziellen Nachteile“, sagt Fock. Diese Termine müssen auch nicht abgesagt werden.

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Wer aber von Arbeitslosigkeit bedroht ist, muss dennoch schnell handeln. Innerhalb von drei Tagen, muss man sich zunächst als arbeitssuchend melden. Das muss erfolgen, sobald man von einer Kündigungsabsicht erfährt. Es gilt das Wohnortprinzip: Nur wer in Hamburg arbeitet und wohnt, für den ist die Arbeitsagentur Hamburg zuständig. Wer nach Hamburg zur Arbeit pendelt, muss sich bei der Arbeitsagentur an seinem Wohnort melden. Diese Meldung ist online möglich unter www.arbeitsagentur.de/eservices.

Hamburger Unternehmen setzen auf Kurzarbeit

Dazu muss man sich zunächst registrieren, was problemlos innerhalb von fünf Minuten möglich ist, wie ein Abendblatt-Test zeigt. Mit dieser Arbeitssuchend-Meldung erhält man auch Kontaktdaten der Arbeitsagentur. Die können dann für die eigentliche Arbeitslosenmeldung genutzt werden. Denn das ist die Basis für den Bezug von Arbeitslosengeld. Anspruch darauf hat, wer in den vergangenen 30 Monaten mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Höhe des Arbeitslosengeldes richtet sich nach dem Familienstand. Mit Kindern erhält man 67 Prozent und als Single 60 Prozent des Nettolohns. Um ein volles Jahr Arbeitslosengeld zu bekommen, muss man mindestens 24 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein.

Noch setzen die Hamburger Unternehmen aber vorwiegend auf Kurzarbeit. „Wir registrieren einen hohen Informations- und Beratungsbedarf der Hamburger Unternehmen, aber das ist nicht identisch mit steigenden Kurzarbeitsanträgen“, sagt Fock. Die Kurzarbeit muss von den Unternehmen erst angezeigt werden und die Arbeitsagentur prüft, ob die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld vorliegen. Erst dann kann von den Firmen ein Antrag gestellt werden. „Unsere Statistiken weisen aber das erhöhte Aufkommen noch nicht aus, deshalb können wir keine Zahlen nennen“, sagt Fock. „Wir erkennen aber, dass die Kurzarbeit für die Hamburger Unternehmen das vorrangige Mittel der Wahl ist.“ Die in der vergangenen Woche beschlossenen erleichterten Regelungen zur Kurzarbeit treten rückwirkend zum 1. März in Kraft.

Produktionsausfälle aufgrund abgebrochener Lieferketten

„Die Unternehmen haben mit wegbrechenden Umsätzen oder Produktionsausfällen aufgrund abgebrochener Lieferketten zu tun“, sagt Fock. „Da diese Ausfälle nur durch das Covid-19-Virus verursacht sind, ergibt es Sinn, die Kurzarbeit zu nutzen.“ Die neue Regelung ermöglicht Kurzarbeit bis zu 24 Monaten, bisher waren es nur zwölf Monate. „Grundsätzlich wäre es auch möglich, die Kurzarbeit zur Qualifizierung zu nutzen, aber die übliche berufliche Weiterbildung findet in Gruppen statt und hier macht das Coronavirus natürlich einen Strich durch die Rechnung“, sagt Fock. Nur wenige Betriebe haben die Möglichkeit für Online-Schulungen.

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
  • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
  • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen

Der Chef der Arbeitsagentur Hamburg rechnet nicht mit einem schnellen Anstieg der Arbeitslosigkeit. „In der März-Statistik wird sich von der aktuellen Krise noch nichts zeigen.“ Für die Folgemonate erwartet er eine leicht steigende Arbeitslosigkeit in Hamburg. „Die Unternehmen werden Fach- und Führungskräften, die ohnehin schwer auf dem Arbeitsmarkt zu finden sind, nicht einfach kündigen“, sagt Fock. Das wäre kurzsichtig. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Arbeitgeber auf Weit- und Zuversicht fahren“, sagt Fock. „Stärker betroffen von Arbeitslosigkeit werden aber An- und Ungelernte sein, die bisher für Auftragsspitzen eingesetzt wurden.“

Der besonders betroffenen Hotel- und Gastronomiebranche legt Fock ans Herz, die Kurzarbeit zu nutzen und nicht vorschnell Mitarbeiter zu kündigen. Fock weiß aber auch, dass diese Unternehmen Umsatzausfälle nicht einfach nachholen können wie Produktions­betriebe. Auch bestehe die Gefahr, dass jetzt aufgeschobene Buchungen nicht später einfach nachgeholt werden.