Hamburg. Gestiegener Preis des Edelmetalls sorgt für Andrang bei Händlern. Verbraucherschützer warnen vor unseriösen Aufkäufern.

Der eine sucht aus Schubkästen altes Zahngold zusammen, andere Hamburger sortieren ihren Schmuck aus. Was nicht mehr getragen wird, kommt in eine Tüte und wird verkauft. Der Zeitpunkt für einen Verkauf ist günstig. Noch nie war der Goldpreis in Euro so hoch wie in dieser Woche – mit rund 1530 Euro je Feinunze Gold (31,1 Gramm). Allein seit Anfang des Jahres ist der Goldpreis in Euro gerechnet um rund zehn Prozent gestiegen. Verglichen mit dem Februar 2019 sind es sogar rund 30 Prozent. 50 Gramm Gold mit einer Legierung von 333 bringen bis zu 750 Euro. Die gleiche Menge Goldschmuck mit einem Goldgehalt von 585 versprechen einen Erlös von bis zu 1323 Euro. Da lohnt es, Kasse zu machen – und Hamburgs Goldaufkäufer spüren dies.

„Wir werden überrannt“, sagt Miriam Torbeck, Geschäftsführerin der Norddeutschen Edelmetall Scheideanstalt in Norderstedt (NES). „Wir kaufen jetzt zweieinhalbmal so viel Altgold an wie vor einem Jahr. Darunter ist auch sehr viel Zahngold.“ Das Unternehmen betreibt inzwischen auch eine Filiale am Neuen Wall, in der Altgold zu Geld gemacht werden kann.

Jetzt kommen doppelt so viele Kunden wie vor einem Jahr

„In deutschen Schmuckkästen schlummern Milliardenwerte, die nicht mehr getragen werden“, sagt Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte (BVJ). „Wenn der Goldpreis steigt, rücken in Vergessenheit geratene Werte in den Fokus.“ Das bekommt auch der Edelmetallhändler Pro Aurum zu spüren, der in Hamburg eine Filiale am Großen Burstah hat. „Es kommen jetzt doppelt so viele Kunden mit ihrem Altgold wie vor einem Jahr“, sagt Filialleiter Filippo Destro. „Es sind oft Schmuckstücke, die nicht mehr getragen werden wie Panzerketten“, sagt Destro. Oft hört er auch Geschichten zu den Schmuckstücken, wenn daran viele Erinnerungen der Verkäufer hängen. „Manchmal nehmen sie auch einen Ring oder eine Brosche wieder mit nach Hause. Man muss da sehr sensibel sein“, sagt Destro.

Gut einen Kilometer entfernt am Ballindamm bei Degussa geht es nicht weniger geschäftig zu. „Ein steigender Goldpreis lockt die Verkäufer an“, sagt Marc-Eckehardt Gramm von Degussa. „Es kommen etwa 40 Prozent mehr Kunden als vor einem Jahr, und das Volumen des Schmuckankaufs hat sich verdoppelt.“ Es sei ratsam einen Termin zu vereinbaren, sagt Gramm.

Gold als Alternative zu Aktien und Immobilien

Für den Anstieg des Edelmetallpreises gibt es viele Gründe. Das Coronavirus und die damit verbundene Angst vor einer weltweiten Rezession sind nur Auslöser des Kursanstiegs. Die Finanzprobleme in der Eurozone sind noch ungelöst. Die Anlage in festverzinslichen Wertpapieren bringt keine Zinsen mehr, sondern kostet die Anleger Geld. Seit dem Jahr 2008 erhöhen die Zentralbanken systematisch ihre Goldreserven. Gemessen an anderen Anlageklassen wie Aktien oder Immobilien führt Gold noch ein Schattendasein.

Für die Verkäufer sind die Gründe zweitrangig. Sie kramen alles Gold aus ihren Schubladen, was sie finden können. „Mitunter raten wir den Kunden auch vom Einschmelzen ab, wenn der Wert des Schmucks höher als der Materialwert ist“, sagt Torbeck. Das kann bei einem besonders wertvollen Stein der Fall sein oder bei antiken Schmuckstücken. „Manche Kunden wissen gar nicht, welche Schätze sie haben“, sagt Torbeck. Auch im Zahngold steckt mehr als die meisten Kunden wissen. „Wir vergüten alle vier Edelmetalle im Zahngold“, sagt Torbeck. Neben Gold sind das Silber, Platin und Palladium und Letzteres ist noch um 60 Prozent wertvoller als Gold, aber nur in kleinen Bestandteilen im Zahngold enthalten.

Verkäufer müssen Ausweis mitbringen

Wer sein Altgold zu Geld machen will, hat beim Tauschgeschäft einiges zu beachten. So muss der Verkäufer seinen Personalausweis zum Tauschgeschäft mitbringen, denn der Händler muss die Identität des Verkäufers erfassen. Das schreibt der Gesetzgeber vor. Verbraucherschützer warnen vor dubiosen Aufkäufern. Seriöse Händler erkennt man daran, dass der Goldgehalt etwa mit Abriebtest und dem Wiegen mit einer geeichten Präzisionswaage ermittelt wird. Wenn der Verkäufer mit dem Schmuck hinter dem Vorhang verschwindet, ist das nicht seriös. Auch die Frage, wie viel Geld der Verkäufer für den Schmuck erwarte, ist unseriös. Am besten lässt sich der Goldgehalt und der Anteil anderer Metalle durch ein Scheideverfahren bestimmen.

Es gibt aber auch andere Prüfverfahren, um zu ermitteln, wie wertvoll die Ware wirklich ist. Am bekanntesten ist Königswasser, eine Mischung aus Salpeter- und Salzsäure. Mit ihr kann der Feingoldgehalt des Schmucks schnell bestimmt werden. Destro reibt den Goldring auf einer kleinen Graphitplatte, beträufelt die winzigen Goldspäne mit Königswasser. Das Gold löst sich nicht auf. In diesem Fall handelt es sich um 585er Gold. Für jede Goldlegierung gibt es ein entsprechendes Königswasser. Zu welcher Tinktur Destro greifen muss, sieht er mit geübten Blick schon an der Farbe des Goldes. 333er Gold ist rötlicher als 585er Gold.

Große Gewinne mit dem Edelmetall nach zwei Jahren

Nicht nur Schmuck wird jetzt auf den Tresen zur Prüfung gelegt. „Wer vor zwei Jahren Münzen oder Barren gekauft hat, sitzt auf einem ordentlichen Gewinn, der jetzt steuerfrei realisiert werden kann“, sagt Gramm. Damals kostete die Feinunze Gold rund 1072 Euro. Deshalb habe auch die Zahl der Verkäufe von Münzen und Barren durch Kunden zugenommen. Etwa vier von zehn Kunden sind bei Degussa gegenwärtig auf der Verkäuferseite.

Bei Pro Aurum sind es rund 30 Prozent. Dabei geht es nicht um kleine Mengen wie beim Schmuckverkauf. „Wir sehen aktuell vermehrt Verkaufsaufträge in einer Größenordnung von 25.000 Euro bis 100.000 Euro“, sagt Destro. Die Verkäufer setzen darauf, dass sie später wieder günstiger einsteigen können. Oder sie benötigen das Geld für einen Immobilienkauf. Der Goldpreis ist großen Schwankungen ausgesetzt. Wenn sich die Zahl der Schmuckverkäufer wieder reduziert, schlägt die Stunde der Goldanleger.

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Die Hamburger Sparkasse (Haspa) als Marktführer beim An- und Verkauf von Gold in der Hansestadt verzeichnet einen Anstieg bei beiden Kundengruppen. „Viele Goldbesitzer nutzen die aktuellen Höchststände, um jetzt mit Gewinn zu verkaufen“, sagt Stefan Rose, Leiter Edelmetallhandel bei der Haspa. „Andere kaufen Gold als Wertanlage und zum Werterhalt.“ Seit Kurzem bietet die Haspa auch einen Goldsparplan ab 50 Euro monatlich an. So lassen sich die Kursschwankungen ausgleichen.

Insgesamt liegt bei allen Hamburger Anbietern auch bei hohen Goldpreisen die Zahl der Käufer über denen der Verkäufer. „Aus Angst vor Negativzinsen wird jetzt auch manches Sparbuch geräumt und in Gold investiert“, sagt Destro. Dabei ist das Sparbuch eine Anlageform, die für Negativzinsen tabu ist.