Hamburg. Abendblatt-Umfrage: Politiker genießt hohes Ansehen in Wirtschaft. Das sind die Erwartungen der Firmen an den neuen Senat.

Die Bürgerschaftswahl ist vorbei, die SPD darf sich als großer Sieger fühlen, kann sie doch weiterhin mit Peter Tschentscher den Bürgermeister stellen. Aber wie geht es nun weiter? Gibt es tatsächlich eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition? Wird der Posten des Wirtschaftssenators auch in Zukunft von der SPD besetzt? Und wo werden die inhaltlichen Schwerpunkte der neuen Regierung liegen? Das Abendblatt hakte in der Hamburger Wirtschaft nach. Was wollen die Verbände, Kammern und Unternehmer?

Der UV Nord, der etwa 65.000 Unternehmen in Hamburg und Schleswig-Holstein vertritt, erwartet vom neuen Senat neben einer noch produktiveren Zusammenarbeit der Regierungen im Norden „die Verbesserung der Infrastruktur mit dem rechtzeitigen Ersatz der Köhlbrandbrücke und dem Bau der Hafenquerspange (A26 Ost).“ Diese Projekte seien Voraussetzungen für mehr Wirtschaftswachstum im Norden, sagte Uli Wachholtz dem Abendblatt. Zudem gibt es seitens des UVNord-Präsidenten deutliche Unterstützung für den amtierenden Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). „Wir würden uns sehr freuen, wenn der derzeitige Wirtschaftssenator seinen tollen Job weitermacht. Keine Experimente!“

Wettbewerbsfähigkeit des Hafens soll erhalten bleiben

Auch die Firmen im Hafen würden Westhagemann als Senator gerne behalten. So sagte der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz: „Aus Sicht der Hafenwirtschaft hat Senator Westhagemann einen sehr guten Job gemacht, in der Kürze der Zeit hat er viele wichtige Maßnahmen angeschoben. Seine Politik stärkt Wirtschaft, Hafen sowie Beschäftigung und ist gerade im Energie- und Umweltsektor hoch innovativ. Aufgrund der großen Zustimmung der SPD im bürgerlichen Lager sollte das Wirtschafts- und Verkehrsressort weiter von ihr bestimmt werden.“

Inhaltlich fordern die Hafenfirmen eine Politik, die ihre Wettbewerbsfähigkeit erhält: „Es darf keine hafenpolitischen Alleingänge Hamburgs zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere im Umwelt- und Kostenbereich geben.“ EU-Recht und nationales Recht müssten ohne Hamburger Verschärfungen angewendet werden. In der EU wird beispielsweise Klimaneutralität bis 2050 angestrebt. Die Grünen wollen aber, dass der Hamburger Hafen bereits 2035 „weitgehend emissionsfrei“ ist.

Klima- und Umweltpolitik technologieoffen angehen

Auch die Metall- und Elektroindustrie in Hamburg spricht sich unmissverständlich für personelle Kontinuität in der Wirtschaftspolitik des Senats aus. „Senator Westhagemann hat sich in vielen wichtigen Bereichen sehr engagiert. Er bringt beste Voraussetzungen mit, dies weiter zu tun und so Kontinuität im Amt zu sichern“, sagte Thomas Piehler, Hamburger Vizepräsident des Unternehmensverbands Nordmetall. Um bessere Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu schaffen, sei eine aktive Umsetzung des Bündnisses für Industrie notwendig. „Die Klima- und Umweltpolitik muss technologieoffen angegangen werden, Ausbau und Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur sollte ideologiefrei erfolgen“, so Piehler.

Lob für den Senator kommt auch von der Handwerkskammer. „In der vergangenen Legislaturperiode hatten die Wirtschaftsbehörde und Senator Westhagemann die Stärke des Handwerks als Wirtschaftsmacht von nebenan stets im Blick. Bestes Beispiel ist die Festschreibung wirtschaftspolitischer Maßnahmen im Masterplan Handwerk. Diesen Weg muss Hamburg weitergehen“, sagte Kammerpräsident Hjalmar Stemmann. Vom neuen Senat fordert er unter anderem „eine realistische Mobilitätspolitik, damit Betriebe beim Kunden arbeiten können und ihre Zeit nicht im Stau oder bei der Parkplatzsuche verbringen“. Zudem müsse man „gemeinsam noch mehr tun, um junge Menschen für handwerkliche Berufe zu begeistern“.

Händler wünschen sich funktionstüchtige Verkehrsinfrastruktur

„Unabhängig von der Parteizugehörigkeit muss ein neuer Wirtschaftssenator die fachliche Kompetenz haben, um Hamburgs Wirtschaft in die Zukunft führen und die drängendsten Herausforderungen lösen zu können – sachlich, durchsetzungsstark, pragmatisch und ideologiefrei“, sagte der Präsident des Hamburger Groß- und Außenhandelsverbandes AGA, Hans Fabian Kruse. Das gelte nicht zuletzt für das drängendste Thema: „Die Hamburger Groß- und Außenhändler sowie Dienstleister wünschen sich seit Jahren eine funktionstüchtige Verkehrsinfrastruktur in und um Hamburg.

Leider können wir hier kaum Fortschritte erkennen. Der tägliche Stau und die unbefriedigende Baustellensituation behindern die Wirtschaftsverkehre massiv“, so Kruse. Wichtige Verkehrsprojekte wie die A 26-Ost oder der Ersatz für die Köhlbrandbrücke müssten zügig durchgeführt werden. „Eine Hängepartie können wir uns hier nicht leisten.“

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Industrie steht den Grünen skeptisch gegenüber

Nach Meinung des Vorsitzenden des Industrieverbands Hamburg (IVH), Matthias Boxberger, sollte sich die SPD bei den Koalitionsverhandlungen nicht vorschnell auf einen Partner festlegen. „Von einem künftigen Koalitionspartner im Senat erwarte ich, den eingeschlagenen industriepolitischen Kurs des Ersten Bürgermeisters entschlossen mitzutragen. Im Interesse unseres Wirtschaftsstandorts sollte die stärkste politische Kraft im Parlament dabei keine Koalition um jeden Preis eingehen“, so Boxberger.

Aus diesen Aussagen lässt sich die Skepsis der Industrie gegenüber den Grünen ablesen. Nicht wenige Industriefirmen dürften auf eine Koalition zwischen SPD und CDU setzen, auch wenn sie aktuell unrealistisch ist. Konkret verlangt der IVH vom neuen Senat vereinfachte und beschleunigte Genehmigungsverfahren für Investitionen in innovative Technik und den Klimaschutz sowie eine „aktivere Ansiedlungspolitik für produzierende Unternehmen mit attraktiven Flächenangeboten“.

Aus Sicht der Handelskammer muss das Thema Verkehrs- und Infrastrukturpolitik die höchste Priorität der neuen Bürgerschaft und des Senats haben. „Hamburg ist Stau-Hauptstadt. Das muss sich schnellstmöglich ändern. Schlüssel hierfür ist die digitale Verkehrssteuerung, über die die Ampeln verkehrsgerechter gesteuert, das Parken und Halten in der zweiten Reihe eingedämmt und die Baustellenkoordinierung weiter verbessert werden kann“, sagte der amtierende Präses André Mücke. Auch die Infrastruktur des Hamburger Hafens müsse ganz oben auf der Agenda stehen.