Hamburg. Die Wahlsieger Astrid Nissen-Schmidt und Norbert Aust erzählen exklusiv im Abendblatt, wie es in Hamburg weitergehen soll.
Einen Tag nach ihrem Kantersieg bei den Wahlen zum Handelskammerplenum (41 von 58 Sitzen) stellen sich die Spitzenkandidaten des Wahlbündnisses „Starke Wirtschaft Hamburg“ den Fragen des Abendblatts. Astrid Nissen-Schmidt und Norbert Aust wirken bei ihrem ersten großen Interview nach dem Wahlsieg entspannt und fokussiert auf die vielfältigen Herausforderungen, die sie nun nun zu bewältigen haben. Sie sprechen über ihre Idee einer Doppelspitze im Präsesamt, die künftige Rolle der Hauptgeschäftsführung, den Umgang mit den Verlierern der Plenumswahlen sowie den zunehmenden Rassismus in Deutschland.
Wie und wo haben Sie von Ihrem Wahlsieg erfahren?
Astrid Nissen-Schmidt: Ich saß in einem Restaurant. Ich war dort zum Essen verabredet.
Norbert Aust: Ich war zu Hause und habe auf den Monteur unserer Spülmaschine gewartet.
Und was kam eher, der Monteur oder das Ergebnis?
Aust: Der Monteur. Die Ergebnisbekanntgabe hat sich dann ja etwas hingezogen. Ich hatte zwar Gerüchte gehört, wusste aber nicht, wie verlässlich das ist.
Haben Sie mit dem doch sehr deutlichen Sieg gerechnet?
Aust: Tatsächlich haben wir damit gerechnet, dass wir mehr als 30 Sitze bekommen.
Nissen-Schmidt: Zumindest in den letzten Wochen. Ich glaube, wir waren beide positiv von der doch recht guten Wahlbeteiligung überrascht. Das hatte anfangs eher schlecht ausgesehen. Und man erkennt an den Wahlergebnissen, dass sich die Unternehmer mit den Kandidaten befasst haben. Sie haben nicht nach dem Alphabet einfach die obersten angekreuzt.
Aust: Ja. Wir haben festgestellt, dass sich die positive Resonanz für uns von Woche zu Woche gesteigert hat, auch in Kreisen, die uns nicht so kannten. Die Unternehmer haben festgestellt, dass wir keine politische Partei sind, sondern unabhängige Unternehmer.
Was fangen Sie denn nun mit Ihrer deutlichen absoluten Mehrheit im Plenum an?
Aust: Wir werden als Erstes alle gewählten Plenarier zu einem Kennenlerntreffen einladen. Wir werden allen die Hand reichen, auch den sogenannten Rebellen. Wenn sich zum Beispiel Kandidaten im Wahlkampf durch Äußerungen verletzt gefühlt haben, dann wollen wir das ausräumen.
Nissen-Schmidt: Genau. Wir sind alle unabhängige Unternehmer, alle auf einem Level. Wir wollen vermeiden, dass man schon von Beginn an mit kleinen Grüppchen in das Plenum geht.
Alle haben sich lieb?
Aust: Nicht falsch verstehen. Wir scheuen die Kontroverse nicht. Wir wollen keine Gleichmacherei, sondern erwarten eine in der Sache kontroverse Auseinandersetzung im Plenum, mit dem Ziel, der Wirtschaft in Hamburg wieder eine starke Stimme zu geben.
Was steht denn jetzt auf Ihrer To-do-Liste ganz oben?
Nissen-Schmidt: Als Erstes ist die konstituierende Sitzung vorzubereiten. Drei Wochen vorher müssen die Vorschläge fürs Präsidium eingereicht werden.
Sie werden sich beide bewerben?
Aust: Wir haben gesagt, wir treten als Doppelspitze an. Und wenn das Plenum das so wünscht, gehen wir diese Herausforderung gerne an.
Und wie wollen Sie das Präses-Amt teilen?
Nissen-Schmidt: Wir wollen vor allem die Aufgaben teilen. Jeder macht das, was er am besten kann.
Was können Sie denn am besten?
Aust: Also, das liegt doch auf der Hand. Frau Nissen-Schmidt ist eine ausgewiesene Finanzexpertin. Sie wird sich um die Zahlen kümmern.
Nissen-Schmidt: Wir werden einen Kassensturz machen, damit wir sehen, welche Spielräume wir überhaupt haben. Wir müssen uns um bestehende Risiken kümmern. Und wir müssen uns ansehen, ob und welcher Renovierungsstau im Gebäude besteht.
Und was machen Sie als Präses, Herr Aust?
Aust: Ich schaue Astrid bei der Arbeit zu. (lacht). Nein, im Ernst. Wir müssen uns auch ganz früh den Mitarbeitern zuwenden. Wir müssen wieder Vertrauen aufbauen. Daran ist dringend zu arbeiten. Uns interessiert nicht die Vergangenheit, sondern die Frage, wie wir schnell eine zukunftsfähige Kammer aufbauen. Niemand soll sich ausgegrenzt fühlen.
Und dann kommen ja noch ganz viele öffentliche Termine auf Sie zu.
Aust: Die werden wir uns teilen. Ich meine, ich würde mich freuen, wenn man mich in Zukunft nicht braucht. (lacht)
Nissen-Schmidt: (gespielt vorwurfsvoll) Das war nicht unsere Abmachung. (beide lachen) Wir haben gesagt, dass wir uns die bisherige Vollzeitarbeit des Präses teilen wollen. Jeder macht drei Tage die Woche.
Aust: Um zum Thema zurückzukehren: Wir werden sehr schnell auch die Ausschüsse besetzen müssen. Wir wollen die Zahl und Arbeitsstruktur der Ausschüsse überdenken. Uns beiden ist bei unserer Ausschussarbeit aufgefallen, dass diese Gremien oft sehr statisch sind. Vielleicht ist es sinnvoller, projektbezogener zu arbeiten.
Nissen-Schmidt: Genauso stellt sich die Frage, wie wir die Ausschussvorsitzenden besser in die Plenumsarbeit einbinden können.
Wie soll die Geschäftsführung in Zukunft aussehen, und was soll sie verdienen?
Aust: Ich habe ja mal gesagt, dass in staatlichen oder wie in diesem Fall halbstaatlichen Einrichtungen möglichst keiner mehr verdienen sollte als als der Bürgermeister. Zudem wollen wir ein Team als Geschäftsführung etablieren, weil die unterschiedlichen Aufgaben der Kammer eine solche Teamlösung verlangen. Und eigentlich sollten sie alle gleich vergütet werden.
Nissen-Schmidt: Die neue Satzung schreibt ja einen Hauptgeschäftsführer und zwei Stellvertreter vor. Nach dem aktuellen IHK-Gesetz kann nur einer als Hauptgeschäftsführer benannt werden.
Wann wollen Sie die Hauptgeschäftsführung gefunden haben?
Aust: Das ist das nächste Problem. Wir haben sehr wenig Zeit.
Sie haben vier Jahre ...
Nissen-Schmidt: Eben nicht. Denn wir haben ja derzeit keinen Hauptgeschäftsführer. Die Kammer hat aktuell nur einen Stellvertreter, der dieses Amt kommissarisch ausübt, und dessen Vertrag läuft aus.
Aust: Wir benötigen eine gute Mischung. Einerseits wollen wir frischen Wind in die Kammer bringen, andererseits benötigen wir auch erfahrene Leute, die uns bei dem Aufbauprozess helfen. Und wir haben wenig Zeit.
Nissen-Schmidt: Wir wünschen uns auf jeden Fall eine Frau im Team.
Sie könnten ja auf den langjährigen Kammergeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz zurückgreifen.
Aust: Ich bin sicher, er steht nicht mehr zur Verfügung.
Drei Geschäftsführer, die gleich viel verdienen – wie wollen Sie das bezahlen?
Aust: Es ändert sich ja nicht nur in der obersten Etage etwas. Wir müssen den gesamten Aufbau der Kammer überdenken. Wenn man drei Geschäftsführer hat, die sich um bestimmte Aufgaben kümmern, kann an anderer Stelle eingespart werden. Wir haben ja in einigen Bereichen schon jetzt Vakanzen.
Was passiert mit dem China Summit?
Nissen-Schmidt: An dieser Veranstaltung werden wir nicht rütteln.
Werden Sie an der Höhe der Mitgliedsbeiträge etwas ändern?
Nissen-Schmidt: Wir gehen von stabilen Mitgliedsbeiträgen aus und versprechen einen sorgfältigen Umgang damit.
In Hamburg sind an diesem Sonntag Bürgerschaftswahlen. Wie lauten Ihre Tipps für das Ergebnis?
Aust: Als Kammerverantwortliche dürfen wir uns hier politisch nicht äußern. Wenn Sie mich privat fragen, dann glaube ich, dass die jetzige Koalition fortgesetzt wird. Wobei große Koalitionen – und nichts anderes haben wir angesichts der Kräfteverhältnisse in Hamburg – den Nachteil haben, dass die Opposition dann immer besonders schwach ist. Dabei hat gerade sie die wichtige Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren und Alternativen aufzuzeigen.
Nissen-Schmidt: Genau. Deshalb sehe ich auch noch die Option, dass es zu einer Koalition aus SPD und CDU kommt, weil die SPD bei sehr starken Grünen mehr Macht abgeben müsste.
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Angesichts der jüngste Morde in Hanau müssen wir über Rassismus sprechen. Ist das ein Thema, mit dem sich die Kammer künftig mehr befassen muss?
Nissen-Schmidt: Die Kammer hat das Thema nie ausgeblendet. Der Ausschuss Gesellschaftliche Verantwortung hat sich da immer engagiert. Diesen Ausschuss werden wir auch fortführen.
Aust: Ja, alles andere wäre auch ein falsches Signal. Im Übrigen sehe ich die Aufgabe in unser aller Verantwortung. Nicht nur die Kammer muss etwas gegen Rassismus tun, sondern wir alle. Meiner Ansicht nach hat sich auch die Politik um dieses Thema nicht ausreichend gekümmert. Das Signal mit der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen durch die AfD war verheerend.