Hamburg. Verband in Hamburg fürchtet eine Preisoffensive der neuen Fahrdienste wie Moia und beklagt hohe Subventionen für die Konkurrenten.
Nicht alle der neuen Taxi-Wettbewerber sind schon von Weitem erkennbar: Außer den goldfarbenen Moia-Kleinbussen oder den auffällig giftgrün-weiß lackierten Fahrzeugen von CleverShuttle gibt es etliche Autos, an denen nur ein Aufkleber verrät, dass sie für den amerikanischen Uber-Konzern oder für Free Now, ein Gemeinschaftsunternehmen von Daimler und BMW, anstelle der konventionellen Taxis von den Hamburgern für Fahrten durch die Stadt angefordert werden können.
Bislang dürften die Herausforderer zusammen zwar kaum mehr als 500 Wagen aufbieten können, während in der Hansestadt rund 3200 der im klassischen Hellelfenbein lackierten Taxen unterwegs sind. Doch deren Betreiber sind in Alarmstimmung. „Diverse Kollegen“ gingen davon aus, „dass 2020 in Hamburg 1000 von 3000 Taxen aus wirtschaftlichen Gründen die Segel streichen“, heißt es im „Taxiblog“ eines Unternehmers dieser Branche. Er selbst habe im dritten Quartal bisher einen Umsatzrückgang von 15 Prozent hinnehmen müssen. Allein Uber habe den Kollegen in München und Berlin, wo der US-Konzern schon länger seine Mietwagen mit Fahrer anbietet, 20 bis 40 Prozent der Einnahmen weggenommen.
Taxiunternehmer sehen sich in die Ecke gedrängt
Clemens Grün, der Vorsitzende des Hamburger Taxenverbandes, fürchtet sogar, am Ende könne fast jeder zweite Taxifahrer in der Hansestadt zum Aufgeben gezwungen sein. Im Interesse der Fahrgäste könne das nicht sein, sagt er: „Wenn die Milliardenkonzerne unser Gewerbe erst in die Ecke gedrängt haben, dann werden sie bei den Tarifen ordentlich zulangen.“ Dann könne es sein, dass die Passagiere bei schlechtem Wetter oder zu Spitzenzeiten – etwa zu Silvester – plötzlich das Fünf- oder Zehnfache des heutigen Taxipreises zahlen müssten. „Davor sollten die Kunden bewahrt werden“, so Grün.
Während er im Hinblick auf Krankenbeförderungen und Fahrten zu Geschäftsterminen bisher wenige Auswirkungen durch die neuen Konkurrenten verzeichnet, sei das bei Fahrten am Abend und am Wochenende – „immer dann, wenn sich die Menschen auf den Weg zu den Clubs in St. Pauli machen“ – schon anders. Schließlich locken Uber, Moia und andere Fahrdienste mit niedrigen Preisen. So peile Uber im Schnitt einen Vorteil von zehn bis 30 Prozent gegenüber dem Taxi-Tarif an, hatte Christoph Weigler, der Deutschland-Chef des Unternehmens, dem Abendblatt gesagt.
Moia hingegen zielt darauf, möglichst mehrere Gäste mit einer ähnlichen Route im selben Fahrzeug zu befördern, der Preis soll zwischen dem Tarif des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und dem für eine Taxifahrt liegen. „Für eine einzelne Person kosten die meisten Fahrten zwischen fünf und zehn Euro“, heißt es von Moia. CleverShuttle setzt ebenfalls auf möglichst „geteilte“ Touren und will damit um bis zu 50 Prozent günstiger sein als das Taxi.
Feste Mindestpreise als Lösung?
Ein Uber-Fahrzeug aber habe keine wesentlich anderen Betriebskosten als ein Taxi, sagt Clemens Grün. Nach seiner Auffassung sind die Konditionen der Taxi-Konkurrenten „allesamt keine ehrlichen Fahrpreise, sondern von Konzernen subventioniert.“ Worauf er anspielt: Nicht nur Free Now hat mächtige Großunternehmen im Rücken, sondern auch Moia (Volkswagen) und CleverShuttle (die Deutsche Bahn). Naturgemäß weisen sie den Vorwurf des Dumpings weit von sich.
Ein Fahrdienst, dessen Tarife nicht wie die der Taxibranche staatlich reguliert seien, könne deren Preisniveau schon allein dadurch um 20 bis 30 Prozent unterbieten, dass er in der Lage sei, den Fahrpreis der Nachfrage anzupassen, erklärte Alexander Mönch, Deutschland-Chef von Free Now, im Gespräch mit dem Abendblatt: „Durch flexiblere Preise ließe sich die Auslastung von Taxis, die im Schnitt nur bei 20 bis 25 Prozent liegt, deutlich erhöhen – und ein stehendes Fahrzeug verdient kein Geld.“
Fahrdienste nur in zentrumsnahen Vierteln unterwegs
Ungeachtet dieser Argumente fordert Grün: „Es müsste im Personenbeförderungsgesetz festgeschrieben werden, dass es Fahrpreise, die nicht kostendeckend sind, nicht geben darf.“ Nach seiner Vorstellung sollte ein staatlich regulierter Preis die Untergrenze bilden – „dann hätten wir fairen Wettbewerb“. Wer höheren Komfort biete, weil er etwa eine S-Klasse-Limousine einsetze, „darf gern höhere Preise nehmen.“ Aus Sicht von Grün betreiben die neuen Wettbewerber „Rosinenpickerei“, die unbequeme „Grundversorgung“ überließen sie den Taxifahrern: „Wenn eine Mutter nachts ihr krankes Kind in die Klinik bringen will, sind wir es, die bereitstehen.“ Zudem seien Moia, Free Now oder CleverShuttle nur in zentrumsnäheren Vierteln unterwegs – genau dort, wo es aber auch ein dichtes ÖPNV-Netz gebe: „In Wandsbek oder in Tonndorf habe ich noch keinen Moia gesehen.“
CleverShuttle kontert
Darauf haben die VW-Tochter und CleverShuttle eine Antwort. Die behördlich genehmigten Flottengrößen reichten für ein flächendeckendes Angebot mit akzeptablen Wartezeiten nicht aus, heißt es von ihnen. „Wir haben in Hamburg 50 Fahrzeuge im Einsatz und können unser Geschäftsgebiet derzeit nicht ausweiten, es laufen dazu aber Gespräche mit der Behörde“, sagt ein CleverShuttle-Sprecher.
Bei Moia will man auch den Vorwurf nicht gelten lassen, der Fahrdienst gewinne seine Kunden hauptsächlich auf Kosten des ÖPNV und der Taxis: „Noch nutzen die Hamburger laut unserer Marktforschung für 45 Prozent ihrer Wege in Hamburg ihren privaten Pkw oder Dienstwagen – und das meist allein.“ Nur drei Prozent aller Wege würden mit dem Taxi zurückgelegt.
Taxiverband fürchtet Berliner Verhältnisse
Free Now hingegen, bekannt geworden unter dem Namen der 2009 eingeführten Taxivermittlungs-App MyTaxi, weist gerne auf die Nähe zu diesem Gewerbe hin: „Taxi bleibt in unserer DNA.“ Das zeige sich im Alltag: Sollte man zu Stoßzeiten die Nachfrage mit der bestehenden Mietwagen-Flotte nicht bedienen können, biete man den Fahrgästen ein Taxi an. In Hamburg, wo Free Now als einziger der neuen Mobilitätsdienste seinen Hauptsitz hat, sind derzeit gut 100 Fahrer im Auftrag des Unternehmens unterwegs, zusammen mit Berlin, München, Köln und Frankfurt sind es rund 1500. Letztlich sieht Mönch sein Mietwagen-mit-Fahrer-Angebot als eine nicht zuletzt auch den Interessen der Taxi-Branche dienende Abwehr gegen den mächtigen Uber-Konzern, ohne ihn beim Namen zu nennen: „Wir verstehen uns als faire, europäische Alternative zu internationalen Wettbewerbern.“
Doch das alles nimmt den Taxifahrern nicht die Angst vor einer auf Verdrängung ausgelegten Preisoffensive der neuen Konkurrenten, gegen die sie sich wegen des staatlich regulierten, starren Tarifs nicht wehren könnten. Was da möglich wäre, hat ausgerechnet Free Now mit seinem Einführungsangebot von pauschal fünf Euro zum Markteintritt in Berlin gezeigt. „Auch in Hamburg wäre es zulässig, die Gäste für fünf Euro quer durch die Stadt zu fahren“, sagt Grün – und Töchter großer Konzerne hätten die Finanzkraft, das auch etwas länger durchzuhalten: „VW hat für das Hamburger Moia-Projekt einen dreistelligen Millionenbetrag bereitgestellt. Der ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.“