Hamburg. Schon 1,4 Millionen Passagiere in Hamburg, Flotte soll auf 500 Kleinbusse wachsen. Aber nun tritt der Mutterkonzern auf Kostenbremse.

Für den VW-Konzern ist Hamburg ein wichtiges und beliebtes Testfeld für die Mobilität der Zukunft: Im Hafen werden autonom fahrende Lkw der Tochter MAN erprobt, durch die Innenstadt kurven vollautomatisch fahrende Pkw, am Flughafen gab es Tests mit selbsttätig einparkenden Autos.

Im Frühjahr soll der Carsharing-Dienst WeShare in der Hansestadt starten, geplant ist eine Flotte von 1000 E-Autos aus den Werken des Konzerns. Ihre 2016 geschlossene strategische Mobilitätspartnerschaft haben die Wirtschaftsbehörde und die Wolfsburger gerade um drei Jahre verlängert und dabei weitere gemeinsame Aktivitäten vereinbart.

Die bislang einzige Innovation, die aus der Testphase schon in den regulären Betrieb gegangen ist, entwickelt sich aber offenbar nicht ganz so, wie sich die Volkswagen-Konzernspitze das vorstellte. Vorstandschef Herbert Diess hat jedenfalls den Erfolgsdruck auf den im April in Hamburg gestarteten Sammeltaxi-Dienst Moia erhöht – und zugleich der zügigen Ausweitung des Angebots auf andere Städte eine Absage erteilt.

Diess glaubt nicht, dass Moia mittelfristig Geld verdienen wird

„Bei Moia werden wir den Aufwand deutlich reduzieren“, kündigte Diess vor wenigen Tagen in einer Grundsatzrede vor hochrangigen VW-Managern an. Er widmete der Sparte nur einen Absatz in seiner Rede. Die vier Sätze haben es jedoch in sich: Das Moia-Engagement werde „zeitlich gestreckt“, bis die „Voraussetzungen für die Profitabilität“ besser seien, die eingesetzten Elektro-Kleinbusse aus eigener Produktion seien „teuer“, so Diess.

Kurz: Er glaubt offenbar nicht daran, dass Moia mittelfristig Geld verdienen wird. Nach so viel grundlegender Kritik erschien es Diess sogar wichtig, zu betonen, dass man sich nicht komplett zurückziehen werde. „Wir wollen unseren Fuß in dem Geschäft behalten.“

„Moia wird mindestens bis Ende 2022 in Hamburg sein"

Moia-Chef Robert Henrich jedoch irritieren diese Aussagen nicht. „Das hätte auch von mir sein können, ich sehe das genauso“, sagte der Manager, der das operative Geschäft von Moia führte, bevor er im September auf den Chefposten rückte, im Abendblatt-Gespräch. Henrich sieht in den Diess-Sätzen vielmehr eine Garantie für Moia in Hamburg. „Wir werden mindestens bis Ende 2022 in der Stadt sein. Und unser Ziel ist, es auch darüber hinaus hier zu sein“, bekräftigte er. Die Konzession der Stadt läuft derzeit noch knapp drei Jahre.

Der finanzielle Aufwand werde schon heute beständig reduziert, sagte Henrich. „Wir drehen jeden Euro zweimal um.“ Und schon seit Monaten sei klar: Man werde den Fahrdienst frühestens dann andernorts anbieten, wenn Moia in der Hansestadt nachgewiesen hat, dass man schwarze Zahlen einfahren könne. „Das wollen wir in den nächsten drei Jahren schaffen, und wir sind auf einem guten Weg dahin.“ Das Ziel sei ein Umsatz von sechs bis sieben Euro pro transportiertem Fahrgast. „Derzeit sind wir bei fünf bis sechs Euro.“

Moia-Flotte wächst bis Ende des Jahres auf 500 Fahrzeuge

Die Kunden würden eine Verringerung des finanziellen Aufwands nicht spüren, versicherte Henrich. Zugleich kündigte er an: „Moia wird in Hamburg wie geplant ausgebaut. Bis Ende des Jahres wächst die Flotte auf 500 Fahrzeuge und die Zahl der Fahrer von derzeit 900 um mehrere Hundert weitere Personen.“

Derzeit setzt das Unternehmen etwa 300 der schwarz-goldenen Kleinbusse mit Elektroantrieb aus VW-Produktion ein, die Konzernchef Diess zu teuer findet. Gleichwohl sollen die noch fehlenden 200 Busse ebenfalls von diesem Typ sein, sagte Henrich. Wie viel einer davon kostet, verrät er nicht. In Hannover jedoch, wo 80 Moia-Busse mit Verbrennungsmotoren unterwegs sind und die Umrüstung der Flotte auf Elektroantrieb in diesem Jahr beginnt, könnten auch andere Modelle eingesetzt werden.

400.000 Kunden sind bei Moia registriert

„Wir sind glücklich“, sagte der Moia-Chef über die Entwicklung der Fahrgastzahlen in Hamburg. Seit der Einführung Mitte April 2019 seien mehr als 1,4 Millionen Menschen transportiert worden, rund 400.000 Kunden hätten sich bei dem Fahrdienst registriert. Zum Vergleich: Das Hamburger Taxigewerbe befördert pro Jahr rund 22,5 Millionen Personen, die Hochbahn 370 Millionen.

Allein im Dezember stieg die Zahl der Moia-Fahrgäste gegenüber November um 50.000 auf 277.000. „Das zeigt, dass die Hamburger und auch Touristen und Geschäftsreisende dieses Angebot annehmen“, sagte Henrich. Für 2020 rechnet er mit „mehreren Millionen“ Gästen. Konkreter will er sich nicht festlegen.

Wartezeit auf ein Moia liegt bei fünf bis sechs Minuten

Der Start war holprig. „Wir haben den Fehler gemacht, mit nur 100 Fahrzeugen zu beginnen. Deshalb konnten wir anfangs viele Buchungsanfragen nicht ausführen. Das hat zu Enttäuschungen bei potenziellen Fahrgästen geführt.“ Inzwischen habe sich dies deutlich verbessert. Die Wartezeit liege im Schnitt bei fünf bis sechs Minuten, so Henrich. In etwa 50 Prozent der Fälle folgten auf Anfragen verbindliche Buchungen: „Vielfach erkundigen sich Nutzer auch nur im Vorfeld über den Preis für eine Strecke.“

Bei etwa 60 Prozent aller Fahrten stiegen mehrere Passagiere an unterschiedlichen Haltepunkten ein: „In den Spitzenzeiten an den Wochenenden sind alle 300 Fahrzeuge im Einsatz. Trotzdem können wir dann zahlreiche Anfragen nicht bedienen.“

Reduziert Moia den Autoverkehr auf Hamburgs Straßen?

Der Expansionskurs erfordert weitere Investitionen in die Infrastruktur: „Wir haben in Hamburg aktuell zwei Betriebshöfe. Die Kapazitäten reichen aber bei Weitem nicht aus, deshalb werden in diesem Jahr noch zwei weitere Standorte eröffnen“, sagte Henrich. Nach Abendblatt-Informationen wird einer dieser Betriebshöfe im Stadtteil Wandsbek sein. Dem Moia-Chef ist wichtig: „Unsere Entwickler sind Tag für Tag damit beschäftigt, das Buchungssystem und den Einsatz der Fahrzeuge zu optimieren. Denn nur so gelingt es uns, dass die Fahrgäste Moia als Alternative zum Pkw nutzen.“

Der nächste Schritt: Das Unternehmen will belegen, dass der Fahrdienst effizienter ist als Fahrten mit privaten Pkw, dass durch Moia der Autoverkehr auf Hamburgs Straßen reduziert wird. Es ist die Voraussetzung dafür, dass der Fahrdienst nach Ablauf der Konzession fortgesetzt werden darf.

Wer bucht, aber nicht kommt, soll künftig etwas zahlen

Allerdings gibt es noch viel zu tun. Manche Fahrgäste berichten von Irrfahrten oder einer nicht nachvollziehbaren Routenführung: „Wir müssen das Navigationssystem in den Fahrzeugen deutlich verbessern. In Zusammenarbeit mit dem Anbieter des Kartenmaterials muss die Qualität weiter gesteigert werden.“ Henrich nennt Beispiele: „Bislang hat das Navi oft erst nach Tagen erkannt, wenn Baustellen eingerichtet wurden. Inzwischen haben wir unter anderem ein System entwickelt, dass die Fahrer Baustellen melden. Diese werden dann in das Navigationssystem eingespielt und können so umfahren werden.“ Zudem müsse gewährleistet sein, dass die Fahrzeuge künftig nicht mehr unnötig in enge Seitenstraßen geleitet werden.

Außerdem kündigte Henrich eine Neuerung bei Moia an. Bislang gilt die Regelung, dass den Kunden keine Kosten entstehen, wenn sie einen Moia-Bus bestellen, dann aber nicht am Abholpunkt erscheinen. „Wir haben in der Startphase bewusst auf eine Gebühr verzichtet, wenn die Kunden trotz verbindlicher Buchung die Fahrt doch nicht antreten. Das werden wir in absehbarer Zeit ändern. Denn es kostet Zeit und Geld, wenn wir solche ,No Shows‘ haben.“