Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. In diesem Serienteil: Unterwegs mit dem BlaBlaBus.
Die ersten Fahrgäste warten schon fröstelnd am ZOB, als der hellrote BlaBlaBus an Steig 6 einparkt. Fahrer Robert Vieriu öffnet Tür und Gepäckfach und steigt aus.
Bis zur Abfahrt Richtung Frankfurt ist noch eine gute Viertelstunde Zeit. Während Vieriu die Tickets kontrolliert und beim Verladen der Taschen hilft, überprüft ein Kollege vom Bodenpersonal in Hamburg, ob das Fahrzeug aufgeräumt und die Toilette sauber ist. Um 9.30 Uhr soll der Fernbus Richtung Frankfurt-Flughafen starten. Zehn Stunden wird er unterwegs sein. Vieriu guckt auf sein Handy, über das der Check-in elektronisch abgewickelt wird.
Noch fehlt mehr als ein halbes Dutzend Passagiere. Normalerweise ist nur ein Fahrer an Bord. Aber weil es eine der ersten Fahrten für den Rumänen im Auftrag von BlaBlaBus ist, hat er an diesem Morgen Cansun Otto zur Unterstützung zur Seite. „Wir warten noch ein paar Minuten auf verspätete Fahrgäste“, sagt der und blickt auf die Uhr. Viel Luft ist nicht, der Fahrplan ist eng getaktet. Dann heißt es: „Bitte anschnallen.“ Mit 27 von 33 gebuchten Fahrgästen rollt der Bus kurz darauf Richtung Autobahn. Erster Stopp um 11.05 Uhr ist Bremen.
So oder ähnlich läuft es jeden Tag zigfach. Im Prinzip wenig aufsehenerregend. Wenn es nicht einen entscheidenden Aspekt gäbe: Kaum einer der Fahrgäste, inklusive der Reporterin, hat mehr als 99 Cent für sein Ticket gezahlt – das ist weniger als die Hälfte eines HVV-Tickets zum ZOB. Bereits beim Start im Sommer des vergangenen Jahres hatte der neue Anbieter im deutschen Fernbusmarkt mit Aktionspreisen geworben und damit Branchenprimus Flixbus den Kampf angesagt.
BlaBlaBus: Von Hamburg aus werden 21 Ziele angesteuert
Bis Ende März läuft die Runde zwei der Preisoffensive. „Wir wollen expandieren und Kunden die Möglichkeit geben, uns zu testen“, erklärt Deutschlandchef Christian Rahn die Billigstrategie. Geld verdienen kann man damit natürlich nicht. Aber, so Rahn, Profitabilität sei derzeit nicht das vorrangige Ziel.
Hinter BlaBlaBus steht der französische Mobilitätsanbieter Comuto mit seiner Mitfahrmarke BlaBlaCar, der im vergangenen Jahr das Fernbusangebot Ouibus von der französischen Staatsbahn SNCF übernommen hatte. SNCF war im Gegenzug als Investor eingestiegen. Gemeinsam planen die – durchaus solventen – Partner BlaBlaBus im großen Stil auf dem gesamten europäischen Markt zu etablieren.
Das könnte Sie auch interessieren:
Auch interessant
In Deutschland verbindet BlaBlaBus inzwischen 40 Städte, von Hamburg aus werden 21 Ziele angesteuert „Wir konzentrieren uns auf die Hauptachsen zwischen den Metropolen, auf denen die Nachfrage am höchsten ist“, sagt Manager Rahn, der zuvor den Reiseanbieter Lastminute.de geführt hat. Ziel sei nicht ein flächendeckendes Busnetz, wie es Flixbus unterhält. BlaBlaCar setzt auf die Kombination von Bussen und Mitfahrgelegenheiten, die sich gegenseitig ergänzen sollen. Vorteil des Newcomers: Allein in Deutschland haben bereits 6,5 Millionen Menschen die App auf ihrem Smartphone – und bekommen jetzt automatisch auch Alternativen mit dem Bus vorgeschlagen.
Langsam rollt der hellrote Reisebus an diesem Morgen auf der A 1 Richtung Bremen. Die Stimmung ist ruhig und entspannt. Bei der Abfahrt hatte Cansun Otto die Regeln für die Fahrt angesagt: Verboten sind alkoholische Getränke, geruchsintensives Essen und Rauchen. Er weist auch auf den Notfallknopf an den Sitzplätzen hin. Wie Flixbus betreibt BlaBlaBus seine Linien nicht selbst, sondern kooperiert mit mittelständischen Busunternehmen.
Die Fahrt von Hamburg nach Frankfurt an diesem Vormittag wird von Touring, Tours & Travel aus Frankfurt gefahren, das den neuen Reisebus und die Fahrer stellt. Die Stimmung an Bord ist weiterhin gelassen. Die Passagiere tippen auf ihren Smartphones oder schlafen. Für Brigitte Kulen ist die Fahrt mit dem Fernbus eine Premiere. „Das Preisangebot war einfach unschlagbar“, sagt die 55 Jahre alte Mainzerin, die auf der Rückreise von einem Besuch bei ihrer Tochter in Hamburg ist.
Flixbus ist unangefochtener Marktführer
Im seit 2014 offenen Fernbusmarkt in Deutschland herrschte zuletzt kaum noch Wettbewerb. Unangefochtener Marktführer ist das Berliner Unternehmen Flixbus, das mit geschickter Preispolitik und Übernahmen von Wettbewerbern das Liniennetz quasi als Monopolist beherrscht. „Daran hat sich durch den Einstieg von BlaBlaBus nichts geändert“, sagt Christoph Gipp, Mobilitätsexperte beim Marktforschungsinstitut Iges.
Insgesamt seien die Fahrgastzahlen mit jährlich etwa 23 Millionen Passagieren konstant. Allerdings war nach einer Iges-Studie von Anfang 2019 das Niveau der Normalpreise auf 10,7 Cent pro Fahrgast und Kilometer angestiegen. „BlaBlaBus hat auf den Hauptstrecken den Preiskampf eröffnet, mit der Folge, dass die Wettbewerber auch die Preise senken.“
Zeitgleich zu dem Anbieter aus Frankreich war das Kölner Start-up Pinkbus gestartet, das mit Fahrten ohne Zwischenstopp wirbt – allerdings Hamburg noch nicht anfährt. „Der Preiskampf aus der Anfangszeit des liberalisierten Fernbusmarktes wiederholt sich jetzt im Kleinen“, so Gipp. Wobei er das Wachstum vor allem im europaweiten Geschäft sieht. „BlaBlaBus hat die Power mitzuhalten.“
Als der Bus einige Minuten vor dem Ankunftstermin die Haltestelle am Bremer Busbahnhof erreicht, warten dort schon die nächsten Fahrgäste Richtung Frankfurt. Vier Passagiere steigen aus. „Ich bin froh, dass wir pünktlich sind“, sagt Student Mauricio Polin. Denn der 25-Jährige hat es eilig. Seine Politikvorlesung an der Uni beginnt demnächst. Auf dem Busbahnhof stehen mehrere grüne Flixbusse. Und der BlaBlaBus zurück nach Hamburg – auch diese Fahrt wird 99 Cent kosten.
Sicher und komfortabel, BlaBlaBusse verkehren aber nur zwischen großen Städten
Fahrplan/Buchung: BlaBlaBus fährt von Hamburg 21 Städte auf zehn Routen an. Abfahrt ist am ZOB (Adenauerallee 78). Die Tickets lassen sich am einfachsten über die Smartphone-App oder die Internetseite blablabus.com buchen. Nach der Buchung wird ein elektronisches Ticket per Mail versandt. Die Sitzplatznummer wird etwa eine Stunde vor der Abfahrt mitgeteilt. Alternativ gibt es am Ticketschalter im ZOB Fahrkarten.
Achtung: 4 Euro Gebühren. Umbuchungen und Stornierungen (man bekommt einen Gutschein) sind bis 30 Minuten vor Abfahrt möglich. BlaBlaBus erwartet, dass die Fahrgäste 15 Minuten vor Abfahrt am Bus sind. Es wird ein Bus-Tracking in Echtzeit angeboten.
Ausstattung/Service: In der Regel werden neue Reisebusse eingesetzt. Die Sitze sind bequem, verstellbar und mit Sicherheitsgurt ausgestattet. Standardmäßig gibt es Steckdosen, teilweise auch USB-Buchsen, Bord-WC sowie eine Klimaanlage. Der Zugang zum WLAN ist inklusive – funktionierte aber im Testfall außerhalb der Städte nur sporadisch. Im Preis enthalten sind zwei Gepäckstücke im Gepäckraum (jeweils maximal 23 Kilogramm) und zwei Handgepäckstücke.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Abendblatt-Test: Schoko-Crunchies mit Lakritz
- Abendblatt-Test: Darboven macht jetzt Kaffee für Hipster zur "Verjüngung"
- Abendblatt-Test: Die Rückkehr der Knochenbutter
Umwelt: Der Anbieter wirbt damit, dass der Treibhausgas-Verbrauch laut Umweltbundesamt pro Fahrgast und Kilometer im Fernbus deutlich geringer ist als mit anderen Verkehrsmitteln.
Preis: BlaBlaBus bietet Aktionspreise ab 99 Cent pro Fahrt auf 60 Verbindungen an. Zum Vergleich: Im Flixbus hätte die Testfahrt nach Bremen 3,99 Euro gekostet, mit dem ICE 17,90 Euro. Die Preisoffensive von BlaBlaBus endet aber am 31. März. Laut Preiskalender gibt es die Fahrt nach Bremen dann ab 3 Euro. Nach München geht es ab 27 Euro, nach Stuttgart ab 17 Euro und nach Amsterdam ab 30 Euro. Für Kinder bis zwölf Jahre gibt es Ermäßigungen.
Fazit: Der BlaBlaBus ist eine gute Alternative, bei den aktuellen Preisen zudem unschlagbar günstig. Aber: Die Auswahl der Zielorte ist im Vergleich zur Konkurrenz gering. Um andere Ziele zu erreichen, müssen Fahrgäste umsteigen – und noch mal zahlen. Das Gesamturteil: vier von fünf Sternen.
Der Abendblatt-Test – jeden Dienstag im Wirtschaftsteil und unter abendblatt.de/test