Hamburg. ECE-Gruppe testet in Poppenbüttel eine Textilhülle, die Stickoxide binden kann. Wie die Stofffassade die Luft sauber filtern soll.

Die ECE-Gruppe in Hamburg geht neue Wege im Klimaschutz: Am Campus des Immobilienunternehmens in Poppenbüttel ist im Beisein von Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Mittwoch eine Textilfassade eingeweiht worden, die Stickoxide binden kann.

„Hamburgs erster textiler Luftfilter“ steht in großen Buchstaben auf einem 80 Quadratmeter großen Fassadenteil an einem der Bürohäuser. Dahinter steckt ein neuartiges Verfahren, das ein Forscherteam an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen entwickelt hat und das jetzt weltweit erstmals in einem Pilotprojekt getestet wird.

Luftreinigende Textilfassade für Umweltschutz

Vereinfacht kann man sich das ähnlich wie ein T-Shirt für Gebäude vorstellen. Das Gittergewebe ist mit einer Art Anti-Smog-Beschichtung versehen, die die schädliche Feinstaubbelastung durch Autoabgase senken soll. „Wir haben die luftreinigende Textilfassade gezielt für den Umwelt- und Gesundheitsschutz entwickelt“, erklärt Jan Serode vom Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, der das Projekt maßgeblich vorantreibt.

Die Wunderwaffe heißt Nanotitandioxid. Es wird aus dem natürlichen Metall Titandioxid hergestellt, das nachweislich unter Lichteinfluss und Luftfeuchtigkeit schädliche Stickoxide in weniger problematisches Nitrat umwandet, das beim nächsten Regen einfach ausgewaschen wird und als Dünger in den Boden gelangt. Laut Serode sind diese Rückstände unbedenklich für die Umwelt, da die Belastung unterhalb der EU-Grenzwerte liegt.

Textilfassade wird unter Praxisbedingungen getestet

Für ein Unternehmen, das Gebäudekomplexe mit immensen Fassadenflächen betreibt, ein interessanter Ansatz. Schon zu Beginn des vergangenen Jahres hatte ECE Kontakt mit den Wissenschaftlern in Aachen aufgenommen. „Nachhaltiges Handeln ist ein zentrales Unternehmensziel der ECE. Dazu zählt auch, offen für neue Technologien zu sein“, sagt ECE-Geschäftsführer An­dreas Mattner.

Unter Federführung von Nachhaltigkeitskoordinatorin Maria Hill war der erste Praxistest für die Anti-Smog-Fassade auf den Weg gebracht worden. Vor einigen Tagen wurde die Textilhülle mit einer Höhe von 16,5 Metern und einer Breite von 4,80 Metern vor die bestehende Außenwand des Bürohauses direkt an der stark befahrenen Saseler Chaussee (Ring 3) gesetzt. Dahinter wird weiter ganz normal gearbeitet. Was von außen zunächst wie eine schwarze Fläche erscheint, ist von innen kaum wahrnehmbar. Sonnenlicht und Luft kommen trotzdem durch.

Pilotprojekt liefert neue Erkenntnisse für andere Standorte

Außerdem wurde aufwendige Messtechnik mit vier Sensoren installiert, über die ein Live-Monitoring möglich ist. Die Untersuchungsergebnisse sollen Aufschluss geben, welchen Beitrag die Fassade zur Steigerung der Luftqualität leistet. Gemessen werden sowohl die Auswirkungen im Außenraum als auch im Inneren des Gebäudes. Die Gesamtkosten beziffert das Unternehmen auf 90.000 Euro. Die Testphase soll über alle Jahreszeiten hinweg ein Jahr dauern.

„Wir freuen uns, mit dem Pilotprojekt neue Erkenntnisse für andere Standorte zu liefern. Das wäre ein wichtiger Beitrag für den Klimaschutz, der vor der eigenen Haustür beginnt“, so Mattner. Schon seit 2008 nutzt die Gruppe, die von dem Sohn des Firmengründers Werner Otto, Alexander Otto, geführt wird Öko-Strom. In den Shoppingcentern wird LED-Technologie als Beleuchtung eingesetzt und an einigen Standorten mit Photovoltaikanlagen Solarenergie erzeugt. Verläuft der Test mit den luftreinigenden Fassaden positiv, sei es vorstellbar, weitere ECE-Fassaden damit auszustatten, so Mattner.

Fassade verringert auch CO2-Emissionen des Bürohauses

Denn die neuartige Textilfassade hat nach Angaben der Forscher noch weitere Vorteile. Sie bindet nicht nur Stickoxide, sondern trägt auch zur Verringerung der CO2-Emissionen des Gebäudes dahinter bei. Studien hätten nachgewiesen, dass mit der Hülle bis zu 78 Prozent der Kühllasten von Gebäuden im Sommer reduzieren werden können, so Wissenschaftler Jan Serode.

In Zusammenarbeit mit Industrie und Medizin hatte der Architekt das Projekt als Teil seiner Dissertation 2016 gestartet. Weltweit gibt es bereits mehrere Gebäude, an denen Titandioxid als Luftreiniger an Fassaden eingesetzt wird. Mit mäßigem Erfolg, wie Detlef Herrmann vom Kooperationspartner Inok erklärt.

Dressel: „Gespannt auf die Ergebnisse"

Dem Hersteller war es gelungen, Nanopartikel des Stoffes bereitzustellen, um die Wirkung zu erhöhen. „Die Poren der Textilhülle und der Raum zwischen Textil und Haus sorgen für einen regen Luftaustausch, sodass der Kontakt mit dem Nanotitandioxid gewährleistet ist und gute Testergebnisse zu erwarten sind “, so Herrmann.

Angesichts schärferer Gesetze zur Luftreinhaltung und Dieselfahrverboten experimentieren Kommunen und Immobilienwirtschaft mit neuen Ideen, wie etwa der Begrünung von Gebäuden. „Der Immobilienbereich bietet noch viel Potenzial bei der Erreichung der Klimaschutzziele“, sagt Finanzsenator Dressel mit Blick auf die Durchfahrtsbeschränkungen etwa an der Max-Brauer-Allee. „Wir sind gespannt auf die Ergebnisse. Wenn das effektiv ist, kann die innovative Fassade ein weiterer Baustein zur Verbesserung der Luftqualität sein.“