Hamburg. Bezahlung von 1,1 Cent pro Liter Benzin oder Diesel zusätzlich, die in Klimaschutzprojekte fließen. Kritik von Greenpeace.

Was Flugpassagiere schon bei manchen Airlines gleich bei der Buchung tun können, will Shell den deutschen Autofahrern jetzt an der Tankstellenkasse ermöglichen: Von Anfang April an können sie eine freiwillige Kompensation für den CO2-Ausstoß ihres Fahrzeugs zahlen. Vorgesehen sind zusätzlich 1,1 Cent auf den Normalpreis je Liter Benzin oder Diesel, wie Shell am Dienstag mitteilte. Das Geld fließt in zwei Klimaschutzprojekte in Indonesien und in Peru, die sich für den Erhalt und die Wiederaufforstung von Wäldern engagieren und so dafür sorgen, dass CO2 aus der Atmosphäre gebunden wird.

„99 Prozent des Fahrzeugbestands in Deutschland sind mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet und auch für 97 Prozent der aktuellen Neuzulassungen gilt das noch“, sagte Jan Toschka, der Chef des Shell-Tankstellengeschäfts in Deutschland, der Schweiz und Österreich. „Diese Zahlen sind zu groß, als dass wir da wegschauen könnten.“ Denn das Unternehmen wolle jedem seiner Kunden ermöglichen, zur CO2-Reduktion beizutragen, erklärte Fabian Ziegler,

Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Shell Holding mit Sitz in Hamburg. Shell habe sich zum Ziel gesetzt, den CO2-„Fußabdruck“ bis 2035 um 20 Prozent zu verringern, was die Förderung, die Verarbeitung und die Nutzung der angebotenen Energieprodukte einschließe, so Ziegler. Mit dieser Vorgabe sei man „der Vorreiter unter den großen Energiekonzernen“.

75 Prozent der Shell-Tankstellen werden CO2-Auslgeich demnächst anbieten

Etwa 75 Prozent der Tankstellen des Unternehmens – in Hamburg sind es 50 – werden den CO2-Ausgleich schon im zweiten Quartal 2020 anbieten, hieß es. Jeder Kunde werde dann an der Kasse gefragt, ob er den Beitrag zahlen möchte. Die entsprechende Summe werde auf dem Bon separat ausgewiesen. Bis Jahresende sollen nahezu alle Shell-Tankstellen mitmachen.

Für Geschäftskunden biete das Unternehmen in Deutschland bereits eine freiwillige CO2-Kompensation an, sagte Ziegler. An den Tankstellen in den Niederlanden gibt es die Ausgleichsmöglichkeit für Privatkunden seit April 2019, in Großbritannien trägt Shell die Kompensation für Nutzer von Kundenkarten seit Oktober selbst.

In beiden Ländern hatten Aktionärsgruppen den Konzern unter Druck gesetzt, deutlich mehr für den Klimaschutz zu tun. Bei Greenpeace in Hamburg kommt die Ausgleichs-Initiative allerdings nicht gut an: „Es ist absurd, wenn Shell ein solches Kompensationsmodell einführt, obwohl der Konzern mit dem Fördern von Öl und Gas einer der Haupttreiber der Klimakrise ist“, sagte Benjamin Stephan, Klima- und Verkehrsexperte bei der Umweltschutzorganisation. Ein CO2-Ausgleich sei generell nur als „allerletzte Möglichkeit“ sinnvoll, so Stephan: „Also wenn der Konzern alles technisch Mögliche getan hat, um CO2-Emissionen zu vermeiden. Davon ist Shell Lichtjahre entfernt.“

Schnellladesäulen für E-Autos an Shell-Tankstellen

Um die Strategie des Unternehmens für die Energiewende vorzustellen, hatte Shell in sein Technologiezentrum in Wilhelmsburg eingeladen. 270 Mitarbeiter arbeiten dort an „nachhaltigen Energielösungen für die Zukunft“. Dazu gehören Schnellladesäulen für E-Autos an Shell-Tankstellen. Dort könne man Ökostrom für 100 Kilometer Reichweite in weniger als zehn Minuten für rund zehn Euro laden, hieß es.

In Hamburg ist bisher eine Shell-Station an der Andreas-Meyer-Straße in Moorfleet mit einer Säule des Kooperationspartners EnBW ausgestattet, bis Jahresende sollen zehn weitere Tankstellen im Stadtgebiet mit Schnellladepunkten versehen sein. Im Technologiezentrum Wilhelmsburg arbeitet Shell nach eigenen Angaben auch am Laden ohne Kabel und an Konzepten für vollautomatisches Laden von E-Autos.

Wasserstoff für Lkw – Shell kooperiert mit MAN

Vor allem für Lkw setzt der Konzern zudem auf Wasserstoff. Dazu kooperiere man mit dem Fahrzeughersteller MAN. Shell ist zusammen mit den Partnern AirLiquide, Linde, OMV, Total und Daimler einer der Anteilseigner der Gemeinschaftsfirma H2 Mobility, die bisher 82 Wasserstofftankstellen in Deutschland betreibt. In Hamburg sind es derzeit fünf, davon drei an Shell-Stationen. Noch in diesem Jahr sollen es bundesweit insgesamt mehr als 100 werden.