Hamburg. Das verlangen Gewerkschaften von allen für die Stadt tätigen Betriebe. Was außerdem für Azubis kommen soll.
Auf Hamburgs Baustellen ist nur selten ein Betonbauer oder Maurer aus Hamburg zu finden. „Unsere Kollegen müssen ins Umland abwandern, denn sie können sich die Mieten in den Häusern, die sie hier bauen, nicht mehr leisten“, sagte Matthias Maurer, der Hamburger Bezirksvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Auf der anderen Seite müssten Betriebe, die sich um städtische Aufträge für die Errichtung von Kitas, Schulen oder Sporthallen bewerben, nur den Mindestlohn zahlen.
Doch das muss sich nach den Vorstellungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hamburg ändern. Um der stetig abnehmenden Tarifbindung entgegenzuwirken, soll die Stadt öffentliche Aufträge künftig nur noch an Unternehmen vergeben, die ihren Beschäftigten Tarifgehälter zahlen. Diese Forderung steht in einem Positionspapier zur Bürgerschaftswahl, das Hamburgs DGB-Vorsitzende Katja Karger vorstellte.
Forderung nach zwölf Euro Mindestlohn
Angesichts tiefgreifender Veränderungen der Arbeitswelt, etwa durch die Digitalisierung, die Demografie und den Klimawandel, brauche die Stadt einen „Masterplan Gute Arbeit“, so Karger: „Die Rahmenbedingungen von Arbeit dürfen nicht dem Markt allein überlassen werden, sondern müssen von Stadt und Senat positiv beeinflusst werden.“
Unter den Eckpunkten des vom DGB Hamburg und acht seiner Mitgliedsgewerkschaften geforderten Masterplans findet sich auch die Ausweitung des städtischen Mindestlohns von zwölf Euro pro Stunde. Zwar hat der Senat diese Untergrenze für die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung und in den zu mindestens 51 Prozent der Stadt gehörenden Unternehmen angekündigt und bereits teilweise tariflich vereinbart. „Das war eine mutige Entscheidung“, sagte Anja Keuchel von Ver.di Hamburg. „Wir erwarten aber vom Senat, dass er sich auch in Zukunft auf Bundesebene für einen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro einsetzt.“
Kritik an Status Quo der Stundenlöhne
Derweil gebe es jedoch in Hamburg noch immer Bereiche im öffentlichen Umfeld, in denen der städtische Mindestlohn nicht gezahlt wird. Als Beispiel dafür nannte Keuchel die „Abendkräfte“ unter anderem an der Garderobe von städtischen Bühnen. Pro Stunde gerechnet ergebe sich bei solchen Jobs nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn, hieß es. „Wir erwarten, dass der städtische Mindestlohn auch hier umgesetzt wird“, so Keuchel. Für die bei einer privaten Firma angestellten 40 Beschäftigten der „Stadtküche“ im Bezirksamt Hamburg-Mitte gilt ebenfalls nicht der Mindestlohn von zwölf Euro, obwohl die Kunden des Selbstbedienungsrestaurants nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hauptsächlich aus dem öffentlichen Dienst kommen und es sich hier um eine öffentliche Dienstleistung handele.
Aus Sicht von Silke Kettner, NGG-Geschäftsführerin für die Region Hamburg-Elmshorn, ist es ohnehin teilweise „unmöglich“, was den 65.000 Beschäftigten in den Hamburger Betrieben dieser Branche – ohne die sogenannte Systemgastronomie wie zum Beispiel McDonald’s, Burger King, Starbucks, Vapiano, Subway oder auch Nordsee – zugemutet werde.
Selbst ausgelernte Fachkräfte bekämen laut Tarif nur 1915 Euro brutto im Monat beziehungsweise 11,07 Euro pro Stunde – „und das bei einer fast nicht planbaren Arbeitszeit“. Vor allem aber sei eine Vielzahl von Betrieben nicht tarifvertraglich gebunden. Im Hinblick auf Hotels und Gaststätten sei Hamburg unter den Großstädten in Westdeutschland „diejenige, in der am schlechtesten bezahlt wird“.
Schluss mit Niedriglöhne und "Befristungsunwesen"
Kettner und ihre Kollegen auf Bundesebene haben sich für dieses Jahr ein besonderes Ziel gesetzt: „Wir wollen die Systemgastronomie aus der Schmuddelecke holen.“ Man fordere einen tariflichen Mindestlohn von zwölf Euro, während die Arbeitgeber zuletzt lediglich 9,48 Euro pro Stunde angeboten hätten. Während der vorigen Tarifrunde im Jahr 2017 hatte es Warnstreiks bei McDonald’s in Hamburg gegeben. „Es kann sein, dass uns das auch dieses Jahr wieder blüht“, so Kettner.
Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hamburg, will ein Ende des „Befristungsunwesens“ an den Hochschulen. Dort sei ein Fünftel der wissenschaftlichen Mitarbeiter befristet beschäftigt. In der Weiterbildung seien 70 Prozent der Mitarbeiter sogenannte „Honorarkräfte“ mit „untragbaren Beschäftigungsbedingungen“. Hier könne auch die Stadt etwas tun, sagte Bensinger-Stolze.
Der DGB gibt keine konkrete Wahlempfehlung
Ebenfalls im direkten Einflussbereich der Stadt liegt die Personalsituation bei der Polizei. „Die Kollegen schieben Tausende von Überstunden vor sich her, es fehlen die Regenerationsphasen, was zu spürbaren Krankenständen führt“, sagte Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die im Jahr 2016 beschlossene „Einstellungsoffensive“ gleiche aber nur die Abgänge in den Ruhestand aus, „von einem Personalzuwachs kann man noch nicht reden“, so Niens.
In dem 14-seitigen Positionspapier des DGB findet sich außerdem die Forderung nach einem „Azubi-Ticket“: Hamburger Auszubildende pendelten innerhalb der Stadt zwischen ihrem Wohnort, ihrem Ausbildungsbetrieb oder ihrer Berufsschule hin und her. „Das frisst Zeit, aber vor allem Geld“, heißt es da. Um die Attraktivität der Ausbildung in Hamburg zu stärken, brauche man für die jungen Menschen ein echtes Azubi-Ticket: „Im Tarifgebiet des HVV 24 Stunden am Tag gültig, sieben Tage die Woche, für einen Euro am Tag, unbürokratisch und digital zugänglich“.
Zwar fordert Karger die Gewerkschaftsmitglieder auf: „Am 23. Februar Hamburgs Zukunft wählen.“ Die Zeiten, in denen der DGB noch eine konkrete Wahlempfehlung abgab, sind aber schon länger vorbei. Hamburgs DGB-Chefin merkte lediglich an, in den zurückliegenden fünf Jahren sei in der Stadt aus Gewerkschaftssicht „sehr viel Gutes“ auf den Weg gebracht worden. Doch mit welcher Regierungskonstellation der gewünschte Masterplan umgesetzt werden soll, sei ihr „ein bisschen egal“, sagte Karger, solange der künftige Senat den Gewerkschaften gegenüber aufgeschlossen sei und die Interessen der Beschäftigten in Hamburg wahrnehme.