Hamburg. Die Marine bestellt vier neue Kampfschiffe bei der Hamburger Traditionswerft. Warum es trotzdem Kritik gibt.
Plötzlich ist der Betrieb wieder zu klein. Als die Bremer Lürssen-Gruppe die Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss Ende 2017 übernahm, galt diese als völlig veraltet und angesichts der schlechten Auftragslage als viel zu groß. Folglich wurde der Schiffbaubetrieb eingedampft, ein Drittel der damals 900 Beschäftigten musste gehen.
Jetzt aber wird plötzlich jede Hand gebraucht und das Werftgelände gilt als zu klein, um die vor ihm liegende Aufgabe allein zu bewältigen. Der Grund dafür ist ein Riesenauftrag aus dem Bundesverteidigungsministerium, es ist der größte Marine-Auftrag in der Geschichte der Bundeswehr. Alle vier neuen Mehrzweck-Kampfschiffe vom Typ „MKS 180“ sollen bei Blohm+Voss in Hamburg gebaut werden – unter niederländischer Führung.
Niederländer hatten sich zusammen mit Blohm+Voss beworben
Aus der Ausschreibung sei die niederländische Werft Damen Shipyards Group als Gewinner hervorgegangen, teilte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Peter Tauber (CDU), den Obleuten im Verteidigungsausschuss des Bundestags mit. Damen hatte sich zusammen mit Blohm+Voss beworben, da die Niederländer keine Kapazitäten zum Bau der Kampfschiffe haben. Die Arbeitsteilung sieht vor, dass das Design von Damen kommt. In Hamburg werden die vier Schiffe gebaut.
Da die Kapazitäten der Werft aber nicht ausreichen, ist davon auszugehen, dass der Blohm+Voss-Mutterkonzern Lürssen,den Bau einzelner Sektionen an andere firmeneigene Standorte wie die Peene-Werft in Wolgast vergibt. In Hamburg werden diese dann zusammengebaut, die Schiffe ausgerüstet.
Blohm+Voss für mindestens zehn Jahre komplett ausgelastet
Für die Werft Blohm+Voss, deren Zukunft vor vier Jahren noch in den Sternen stand, bedeutet das eine Auslastung für mindestens zehn Jahre, erwarten Schiffbauexperten. Die insgesamt vier Schiffe der Baureihe sollen nach und nach in Dienst gestellt werden. Insgesamt hat das Verteidigungsministerium 5,27 Milliarden Euro veranschlagt.
Wissenswertes zum Hamburger Hafen:
- Der Hamburger Hafen ist der größte Seehafen Deutschlands und der drittgrößte Europas
- Der Hamburger Hafen wird von der Hamburg Port Authority (HPA) verwaltet
- Im Hamburger Hafen werden 13 Hafenbecken und Kaianlagen für den Warenumschlag oder spezifische Zwecke genutzt
- Der Hamburger Hafen hat rund 320 Liegeplätze für Seeschiffe an 43 Kilometer Kaimauer
Doch nicht überall wird gejubelt wie bei Blohm+Voss. Um den Auftrag für das Milliarden-Projekt hatte sich auch die Werft German Naval Yards in Kiel mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) als Subunternehmer beworben. Diese gehen jetzt leer aus.
Gewerkschaft sieht andere norddeutsche Werften in Gefahr
Darüber sind nicht nur die Unternehmen betrübt, sondern auch die Gewerkschaft IG Metall Küste. Sie befürchtet, dass der Marineschiffbau in Deutschland darunter leidet, und die Werftenstandorte, mit Ausnahme von Blohm+Voss, in Gefahr geraten könnten.
„Die Bundesregierung ist in der Verantwortung. Bei einer Entscheidung solcher Tragweite darf sie die Branche und die Beschäftigten nicht ihrem Schicksal überlassen“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. „Bund, Länder, Unternehmen und IG Metall müssen gemeinsam nach Wegen suchen, wie die Standorte und Beschäftigung von Werften und Zulieferern in Norddeutschland erhalten bleiben. Der Zuschlag für die niederländische Damen-Gruppe und die Hamburger Werft Blohm+Voss darf die Zukunft anderer Werften und Zulieferer in Norddeutschland nicht gefährden.“
IG Metall: Alle Standorte sollten profitieren
Selbst der Hamburger Beauftragte der IG Metall, Emanuel Glass sieht die Entscheidung nicht nur positiv: „Für Blohm+Voss ist das eine tolle Nachricht. Aber TKMS hat in Hamburg noch rund 550 Mitarbeiter, die meisten davon Konstrukteure. Diese hatten auch auf den Auftrag gehofft. Ebenso hatte German Naval Yards bereits eine Vereinbarung mit der Schiffbausparte von Siemens, die die Automatisation und den Brandschutz der neuen Schiffe übernehmen sollten. Das sind auch rund 200 Mitarbeiter in Hamburg, die jetzt leer ausgehen. Es muss ein Weg gefunden werden, dass alle Standorte von dem Auftrag profitieren können.“
Die Gewerkschaft hat für Donnerstag die Betriebsräte von Werften und Zulieferern zu einem Treffen nach Hamburg eingeladen, um die aktuelle Situation und das weitere Vorgehen zu besprechen.
Bau der Marineschiffe findet komplett in Deutschland statt
Angesichts der Vorbehalte versucht der niederländische Generalunternehmer, die Sorgen in Norddeutschland zu entkräften. Der Hochtechnologie-Standort Deutschland werde entscheidend von der Vergabe des Auftrages profitieren, teilte die Damen Shipyards Group mit.
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„Gemeinsam mit seinen Partnern wird Damen den Auftrag so abwickeln, dass rund 80 Prozent der gesamten Nettoinvestitionen als Wertschöpfung in Deutschland verbleiben. Der Bau der Schiffe erfolgt bei Blohm+Voss in Hamburg unter Einbeziehung weiterer Werftstandorte der norddeutschen Lürssen-Gruppe und damit vollständig in Deutschland“, erklärte das Unternehmen in einer schriftlichen Mitteilung.
"Nahezu alle Bundesländer profitieren"
Auch mit Blick auf die beim Rüstungsunternehmen Thales in den Niederlanden in Auftrag gegebenen elektronischen Einsatzsysteme gelte die Dominanz deutscher Wertschöpfung und Know-how-Entwicklung: Rund 70 Prozent der Leistungen werden von der deutschen Thales-Landesgesellschaft unter anderem an den Standorten Kiel und Wilhelmshaven sowie von deutschen Unterauftragnehmern erbracht. Hinzu kämen die deutschen Zulieferbetriebe. „Nahezu alle Bundesländer werden von der Auftragsvergabe an Damen, Blohm+Voss und Thales profitieren.“
Das neue Mehrzweck-Kampfschiff „MKS180“ soll für unterschiedliche militärische Missionen ausgerüstet werden können – etwa als U-Boot-Jäger oder als schwimmender Stützpunkt für Anti-Piraterie-Missionen. Das Schiff wird etwa 155 Meter lang und soll für zwei Jahre in einem Einsatzgebiet bleiben können. Die rund 110-köpfige Besatzung wird dann alle vier Monate ausgewechselt.
Deutsche Unternehmen gegen europaweite Ausschreibung
Die Ausschreibung eines solchen Projekts über Deutschland hinaus war ein Novum. „Mit der Entscheidung für eine europaweite Ausschreibung wird die Bedeutung des Wettbewerbs in der Beschaffung der Bundeswehr unterstrichen“, schrieb das Verteidigungsministerium dazu im Juni in einem Bericht.
Die deutschen Schiffbauunternehmen und deren Beschäftigte sehen das kritisch. Sie fordern, dass der Überwasserschiffbau – wie U-Boote – vom Bund als nationale Schlüsseltechnologie definiert wird. Dann können solche Aufträge ausschließlich an deutsche Firmen vergeben werden. Die jetzige Entscheidung muss vom Bundestag abgesegnet werden.