Hamburg. Flugzeugbauer wieder größter Arbeitgeber der Stadt. Lufthansa Technik meldet Neuzugänge. Klimaschutzdebatte trifft Branche.

Es war ein Paukenschlag, den Airbus beim letzten großen Auftritt von Tom Enders verkündete. Die Produktion des A380 wird im Jahr 2021 eingestellt. „Es war schmerzhaft, diese Entscheidung zu treffen“, sagte der scheidende Vorstandsvorsitzende am 14. Fe­bruar 2019 bei der Bilanzpressekonferenz in Toulouse. Bei den Beschäftigten sorgt das für Unruhe. Konzernweit sind 3000 bis 3500 Stellen vom Aus für das größte Passagierflugzeug der Welt betroffen. Auch in Hamburg dürfte es eine höhere dreistellige Zahl Menschen sein, die in dem Programm beschäftigt sind. Sie bauen Teile des Rumpfes, die Kabinen in die fertig zusammengebauten Maschinen ein, lackieren diese und liefern sie an Kunden in Europa und Nahost aus. Kommt es nun in dem Werk auf Finkenwerder zu einem massiven Jobabbau?

Wirtschaftssenator Michael Westhagemann beschwichtigt. „Der A380 ist für den Standort Hamburg eine Erfolgsgeschichte“, sagt der parteilose Politiker. „Die im Rahmen der Erweiterung für den A380 getätigten Investitionen sind nachhaltig und kommen auch anderen Produktionslinien zugute.“ Auch eine Airbus-Sprecherin verweist auf „eine Vielzahl von internen Mobilitätsmöglichkeiten“, die sich aus dem Hochlauf des A320-Programms ergeben. Die Fertigung des Verkaufsschlagers soll weiter steigen, von derzeit 60 auf 63 Maschinen pro Monat 2021. Und mit neuen Konzepten macht der Flugzeugbauer den Kurz- und Mittelstreckenjet für die Langstrecke fit.

Direktflüge von Hamburg aus nach Chicago

Durch Zusatztanks fliegt die 44,51 Meter lange Maschine mit den spritsparenden neo-Triebwerken in der LR-Version statt knapp 6000 Kilometer bis zu 7400 Kilometer nonstop. Im Juni bei der Luftfahrtmesse in Le Bourget verkündete der Flugzeugbauer den Projektstart des A321XLR, der bis zu 8700 Kilometer am Stück fliegt. Direktflüge von Hamburg aus nach Chicago oder von Tokio nach Sydney werden möglich. Bei Flug linien sind die Flieger sehr beliebt. Sie könnten Strecken lukrativ machen, auf denen bisher Großraumflieger notwendig sind – allerdings nicht mit Passagieren ausreichend gefüllt werden können.

Wer länger in der Luft ist, möchte es bequem haben. Entsprechend brauchen die A321-Langstreckenjets mehr Komfort in der Kabine. Der Aufwand für den Einbau ist viel höher und dauert länger. Zunächst verlagerte Airbus Personal aus Werken im Ausland nach Hamburg, um die Mehrarbeit zu bewältigen. Doch das reichte nicht. Der Konzern stellte massiv auf Finkenwerder ein. 14.700 Beschäftigte meldete der größte Industriebetrieb der Hansestadt dem Abendblatt in der Umfrage. Damit überholt der MDAX-Konzern den Klinikbetreiber Asklepios und führt das Ranking der größten Arbeitgeber der Stadt wieder an. Mehr als 1000 Stellen wurden neu geschaffen.

Jobaufbau bei Lufthansa Technik

Einen deutlichen Jobaufbau gab es auch bei Hamburgs zweitgrößtem Unternehmen in der Branche. Lufthansa Technik beschäftigt nun etwa 8800 statt zuvor 8000 Mitarbeiter. Im gesamten Lufthansa-Konzern ist die Zahl der Beschäftigten mit 10.300 aber leicht rückläufig. Es laufe einfach sehr gut, sagt ein Sprecher des Reparatur-, Wartungs- und Überholungsspezialisten im November. Umsatz- und Gewinnprognosen werden angehoben. Die Nachfrage in allen Bereichen sei hoch.

Auch einen Spezialauftrag sicherte sich das Unternehmen. Die Hamburger sollen für die Flugbereitschaft tätig werden. Nach zahlreichen Pannen an Regierungsflugzeugen – eine Bombardier-Maschine wäre durch einen Fehler des Lufthansa-Technik-Gemeinschaftsunternehmens LBAS sogar fast abgestürzt, weil ein Bauteil fehlerhaft gewechselt wurde – bestellte der Bund bei Airbus drei neue Großraumjets A350.

Hamburg Airport wächst

Es sind die ersten A350 überhaupt, die für eine Staatsspitze umgebaut werden. Die Luftwaffe sei der älteste externe Kunde, sagt Lufthansa-Technik-Manager Wieland Timm: „Dass wir nun auch die neueste Generation der Regierungsflugzeuge betreuen und ausstatten dürfen, ist ein tolles Signal des Vertrauens.“ Die Beschäftigten sollen die Kabine mit Büros und Loungebereich für die Kabinettsmitglieder, Mobiliar für die Delegation, Küchen, Waschräume und Raketenabwehrsystem einbauen. Im April 2020 soll der erste A350 in Fuhlsbüttel eintreffen.

Der benachbarte Hamburger Airport legte einen Kurs des leichten Wachstums hin. Die Passagierzahl, die 2018 nach vier Rekordjahren in Folge um 2,2 Prozent auf 17,23 Millionen sank, dürfte 2019 leicht zulegen. Auch bei den Beschäftigten ging es aufwärts. Mit 2150 Mitarbeitern meldete der Airport knapp 50 Menschen mehr auf der Gehaltsliste. Perspektivisch will der Airport die Erträge steigern und die Kosten dauerhaft um zehn Millionen Euro im Jahr senken. Zu einem Personalabbau soll das Modernisierungsprogramm aber nicht führen, so Flughafenchef Michael Eggenschwiler.

Zulieferer Diehl verlagert Serienfertigung nach Ungarn

Dieser ist beim Zulieferer Diehl bereits in Gange. Die Belegschaft in Hamburg schrumpfte von 1050 auf 900 Personen. Das Unternehmen stellt Küchen, Toiletten und Duschen her – und davon werden im A380 viel mehr benötigt als in kleinen Maschinen. Kurz vor Weihnachten 2018 teilte das Unternehmen mit, die Serienfertigung nach Ungarn verlegen zu wollen. Rund die Hälfte aller Jobs sollte wegfallen. In der Zwischenzeit hat man sich mit Arbeitnehmervertretern auf maximal 240 Stellen bis 2023 geeinigt. Es kommt also nicht ganz so schlimm.

Ein Worst-Case-Szenario erlebte der Airbus-Erzrivale. Boeing muss nach dem zweiten Absturz einer 737 Max mit insgesamt 346 Toten seit März alle Flugzeuge des Typs am Boden lassen. Von Januar 2020 a wird die Produktion des A320-Konkurrenzprodukts vorübergehend ausgesetzt. 400 Maschinen stehen auf dem Werksgelände in der Nähe von Seattle und dürfen nicht ausgeliefert werden. „Wir haben keine Vorteile davon“, sagt der neue Airbus-Chef Guillaume Faury, der Enders im April ablöste, Ende November im Hotel Atlantic. Eher leide das gesamte Vertrauen in die Branche und die Sicherheit.

Bei seinem ersten Auftritt vor Journalisten in Hamburg bringt er eine weitere zentrale Botschaft mit. In der Klimaschutzdebatte würden viele mit dem Finger auf Luftfahrt und Tourismus zeigen und sagen, dass man nahezu allein schuld an der Erderwärmung sei. Das sei nicht okay, so Faury. Die Luftfahrt werde ihren Teil beitragen, um die Erderwärmung zu stoppen. Es sei Zeit für die Entwicklung von sauberen Technologien. Man wolle das erste CO2-emissionsarme Flugzeug bauen, sagt Faury: „Unser Ziel ist es, das Flugzeug bis 2035 am Himmel zu haben“ – dann könnte es noch gemeinsam mit einem der letzten A380 zu sehen sein.