Hamburg. Der Züchter hält in Lemsahl-Mellingstedt mehr als 100 der Tiere und setzt konsequent auf Bioqualität. Bald enden sie als Braten.

Maurice Blank steht auf seinem Hof in Lemsahl-Mellingstedt auf einem Hügel und schaut seiner Gänseschar hinterher. Rund 80 Stück watscheln über das Gelände, schnattern und picken ab und an etwas Grünzeug vom Boden auf. Am liebsten fressen sie Gras, Klee und Kräuter. „Das reicht nicht mehr, um den Grundbedarf der Gänse zu decken“, sagt der studierte Gartenbau- und Agraringenieur und zeigt auf seinen Grund, auf dem zwischen dem Gras viel Matsch ins Auge sticht.

Drinnen im Haus steht deshalb auf dem Herd ein Topf mit Kartoffeln und Getreide und köchelt vor sich hin. Wenn die Sonne untergeht, gingen die Tiere nahezu freiwillig in den Stall, erzählt er. Denn sie wüssten, dass es dann die Hauptmahlzeit gibt. „Sie fressen abends, damit das Fett erhalten bleibt.“ Das ist in diesen Tagen besonders wichtig. Denn bald ist für sie der Ofen aus – oder anders ausgedrückt: Er wird für sie angemacht. Blank: „Weihnachten ist die Hauptschlachtzeit für Gänse.“

Blank ist ein Exot in Hamburg

Blank ist mit der Haltung dieser Tiere ein Exot in Hamburg. „Ich glaube, ich bin der Einzige, der in Hamburg Gänse züchtet“, vermutet der Landwirt und hat damit wohl recht. Denn weder vom Bauernverband noch von der Landwirtschaftskammer in der Hansestadt kommen Widersprüche. Ganz im Gegenteil: Gänsezüchter in der Stadt sind beiden Organisationen bisher unbekannt.

Allzu lange ist Blank, der das Hofgelände am Redderbarg 15 vor vier Jahren von der Stadt pachtete, in dem Metier auch noch nicht aktiv. 2017 kam er auf die Idee. Ursprünglich wollte er das Geflügel nur privat für sich halten. „Dann gab es aber gleich Interesse von Freunden und Kunden.“ Er besorgte sich 15 Gänse und 20 Enten und legte los. Ein Jahr später waren es 35 Gänse und 50 Enten. In diesem Jahr watschelten bis zu 130 Gänse und 40 Enten über das Gelände – ein Teil wurde schon geschlachtet. „Nächstes Jahr plane ich mit 180 bis 240 Gänsen“, sagt der 33-Jährige.

Biokollegen unterstützen

Der Plan dafür steht schon. Am 10. Mai wird bei ihm die Gänsezucht wieder starten. Aus einer Biobrüterei aus Sachsen bekommt er die ein Tag alten Küken, deren Eltern ausschließlich Biogänse waren. „Mir ist es wichtig, die Biokollegen zu unterstützen. Das wünscht sich der Kunde und ist auch nur fair“, sagt Blank. Zunächst bleiben die Küken drinnen. Eine Wärmelampe sorgt für wohlige 35 Grad Celsius. Bis zu 15 Küken dürfen auf einem Quadratmeter gehalten werden.

Zu fressen bekommen sie „Kükenstarter“, ein pelletartiges Futter aus Getreide, Mais, Hülsenfrüchten, Soja, Raps- und Sonnenblumenfettkuchen. „Die ersten Tage sind immer sehr kritisch. Nachts sehe ich alle drei Stunden nach den Küken“, sagt Blank. Die Raumtemperatur muss geprüft werden, Futter und Wassergefäße müssen per Hand nachgefüllt werden. Bis zu zwei Stunden pro Tag widmet er sich anfangs den Küken.

Drei Hektar große Hoffläche

Später fängt er an, Getreide zuzufüttern. Die Küken bekommen einen größeren Bereich, die Temperatur wird langsam abgesenkt. Nach vier Wochen gehen die Wärmelampen aus. Mit sechs Wochen sollen die Tiere so viel Gewicht wie möglich haben. Sie kommen jeden Tag aus dem Stall raus. Vorher wären sie auch eine zu leichte Beute für Greifvögel wie Habichte und anfangs auch Krähen. Später müssen sie für Biostandard mindestens zehn Quadratmeter für sich allein haben.

Das schaffen sie bei Blank locker, sie laufen auf der drei Hektar großen Hoffläche herum. Die Arbeitszeit reduziert sich für ihn. Regelmäßig wird ausgemistet und eingestreut. Morgens mit dem Sonnenaufgang bringt er die Gänse ins Freie, abends holt er sie zurück in den Stall. „Ich hole die Gänse immer rein, aus Schutz vor Füchsen oder Hunden – Wölfe haben wir hier nicht.“

Mobiles Schlachtmobil

Im Sommer und Herbst wachsen die Tiere. Sein Arbeitsaufwand reduziert sich. Ein paarmal im Jahr steckt er Zäune um. Im Dezember sind sie etwa vier Kilogramm schwer und haben nach 22 Wochen den idealen Zeitpunkt für die Schlachtung erreicht – so wie jetzt.

24 Stunden vorher dürfen die Tiere nur noch trinken, damit sie nüchtern und die Mägen sauber sind. Entweder bringt er seine Tiere dafür nach Trittau zu einem stationären Betrieb. „Das Ein- und Ausladen mache ich nicht unbedingt gern. Aber es gehört halt dazu“, sagt Blank. Um 3 Uhr morgens ist er dann vor Ort, weil seine Biotiere vor konventionell gehaltenem Vieh geschlachtet werden müssen. Oder das mobile Schlachtmobil kommt zu ihm. So wird es in diesen Tagen passieren, um seine Gänse zu töten. Die Kunden müssen jeweils eine Gans komplett abnehmen, allerdings natürlich in Einzelteile zerlegt. 16 Euro kostet das Kilogramm.

Boden fit halten

„Dass sie letztlich geschlachtet werden, gehört zu einer ökologischen Landwirtschaft dazu, um Reste zu verwerten und den Boden fit zu halten“, sagt Blank. Der überzeugte Biolandwirt will den gesamten Kreislauf besser abdecken. Der Kot der Tiere sei wichtiger Bestandteil der ökologischen Landwirtschaft, um den Boden wichtige Nährstoffe zuzuführen. Kartoffeln mit Drahtwürmern oder einer Pilzkrankheit sowie Kürbisse mit kleinen Stellen würden Verbraucher nicht mehr kaufen, erzählt er. Verfüttern kann er sie aber bedenkenlos.

Der Landwirt will in Zukunft verstärkt auf Gänse, Enten und Hühner setzen. „Ich versuche, mit dem Geflügel mehr Unabhängigkeit zu bekommen“, sagt Blank. So soll sich die Zahl der Enten 2020 auf 80 bis 160 verdoppeln bis vervierfachen. Den Bestand von Freilandmasthähnchen will er von 30 auf 200 Stück erhöhen. Die Zahl seiner Hühner, deren Eier er verkauft, von 280 mehr als verdoppeln. Nach zwölf bis 18 Monaten verkauft er sie als Suppenhühner. Hört sich viel an – ist in landwirtschaftlichen Dimensionen aber wenig.

Betriebswirtschaftliche Notwendigkeit

Für ihn ist die Umstellung auf mehr Viehhaltung eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. „Wenn ich nicht stärker in den Bereich Eier, Geflügel, Vermarktung von Rindern gehen würde, müsste ich perspektivisch in den Nebenerwerb gehen“, sagt Blank. Während andere Betriebe in Flächenländern expandieren und beispielsweise große Hallen bauen können, ist er auf der engen Fläche der Stadt eingeschränkt.

Seit 2015 betreibt er das Hofgelände am Redderbarg 15. In Hamburgs Norden hat er 33 Hektar gepachtet, größtenteils bewirtschaftet er Grasland. Als Ackerland nutzt er sechs Hektar, die er in vier unterschiedliche Bereiche einteilt. Auf jeweils 1,5 Hektar baut er beispielsweise im ersten Jahr Kartoffeln an. Dann streut er Mist, um im zweiten Jahr Winterweizen zu säen. Im dritten Jahr sind Sommergerste oder Hafer und im vierten Lupinen dran. Lupinen binden Stickstoff, bringen Nährstoffe in den Boden und fördern die Verrottung. „So erhalte ich wieder optimale Bedingungen für den Anbau der Kartoffel im Folgejahr“, sagt Blank.

Die Direktvermarktung wird immer wichtiger

Die Direktvermarktung wird für den Agraringenieur immer wichtiger. Im Jahr 2015 trug sie etwa fünf Prozent zum Umsatz bei, in diesem Jahr werden es um die 20 Prozent sein. Auf 200 Quadratmetern baut er in Folientunneln Erdbeeren an, die er an Selbstpflücker verkauft. Er beschäftigt zwei Mitarbeiterinnen in Teilzeit, die ausliefern, Eier und Kartoffeln sortieren sowie sich um das Gewächshaus im rund 13 Kilometer weiter nördlichen Jersbek (Stormarn) kümmern. Dort baut er Salat, Schnittkräuter, Zucchini, Gurken und Tomaten an.

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Sein Vater hilft bei der Buchhaltung, seine Frau kümmert sich um den häuslichen Gemüsegarten und den Hofladen. Blank betreibt zwei: sonnabends von 10 bis 13 Uhr öffnet er seinen richtigen Hofladen, in dem es ein breiteres (auch zugekauftes) Biosortiment anbietet. Und dann hat er noch einen zur Selbstbedienung. Täglich von 7 bis 21 Uhr kann die Tür geöffnet werden und zu Eiern, Kartoffeln, Kürbissen, Käse und Säften gegriffen werden. Das Abkassieren läuft auf Vertrauensbasis. Auf einem Teller liegen ein paar Münzen – oder wie Blank sagt: „Hier vorn ist eine Wechselgeldkasse, das klappt wunderbar.“