Hamburg. Die Restaurantkette Hans im Glück bietet jetzt auch einen Insektenburger an. Muss man mutig sein, ihn zu essen?
McDonald’s ging in Deutschland im April mit dem Big Vegan TS und dem Veganburger an den Start. Burger King, der ewige Rivale des Marktführers, setzt seit November seinen vegetarischen Rebel Whopper dagegen. Die großen Fast-Food-Ketten – seit Jahrzehnten im Geschäft mit Rinderhack-Bratlingen im Brötchen – können sich dem Trend zu fleischloser Ernährung nicht entziehen.
Kleine und wendigere Konkurrenten sind da schon deutlich weiter. In den Restaurants der deutschen Burgerkette Hans im Glück stehen auch jeweils gleich sechs vegetarische und vegane Varianten auf der Karte. Sie erlösen bereits knapp ein Viertel des gesamten Burgerumsatzes in den gut 80 Restaurants des Franchise-Unternehmens in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
20 Prozent Insekten im Burger
Jetzt geht Hans im Glück noch einen Schritt weiter – und zugleich einen Schritt zurück. Denn die jüngste Burger-Kreation des Unternehmens enthält durchaus Fleisch. 20 Prozent. Nur eben kein Rinder-Hack, sondern: Insekten. Genauer gesagt: Pro Pattie 500 Tenebrio Molitor Würmer. Die werden gemeinhin Mehlwürmer genannt. Es sind die weißlichen Larven des Mehlkäfers.
„Es ist sicherlich ein polarisierendes Produkt und wir sind uns im Klaren darüber, dass es die breite Masse der Kunden nicht erreichen wird“, sagt Hans im Glück-Marketingchef Peter Prislin. Doch das Unternehmen wolle mit dem Insektenburger auch einen Anstoß zum Umdenken in der Frage „Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um?“ geben.
Klar ist: Insekten sind als Nahrungsmittel mindestens ebenso wertvoll wie zum Beispiel Rindfleisch, sind aber sehr viel ressourcenschonender zu züchten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht in den Tierchen ein Nahrungsmittel der Zukunft. Und für mehrere Milliarden Menschen weltweit gehören Heuschrecken, Würmer und Grillen ganz selbstverständlich zur Ernährung.
Hierzulande sind Heuschrecken-Proteinriegel oder pulverisierte Würmer im Handel zwar zunehmend häufiger zu finden, haben aber weiterhin eher Exotenstatus und für viele Menschen einen hohen Ekelfaktor. Marketingchef Prislin sagt: „In Europa sind Insekten wohl eher ein Nahrungsmittel von übermorgen.“
Bis Frühjahr auf der Karte
Übermorgen – das ist auch der Name der Burgervariante mit den Mehlwürmern. Wurmling sei ebenfalls im Gespräch gewesen, aber nur ganz kurz. „Wurm klingt für viele doch etwas befremdlich. Außerdem finden wir es sehr passend mit dem Namen „Übermorgen“ auf die möglichen Nahrungsquellen der Zukunft anzuspielen“, sagt Prislin. Das Wort Wurm taucht auf den Flyern, die auf den Restauranttischen für den Übermorgen werben, jedoch nicht auf.
Die Rede ist von Insektenbratling. Im Angebot hat ihn die Burgerkette vorübergehend und solange der Vorrat reicht. „Voraussichtlich bis zum Frühjahr“, sagt der Hans im Glück-Manager. Für das Unternehmen ist es bereits die zweite Insektenburger-Aktion. Und es wird dabei mutiger. „Im Frühjahr hatten wir 10.000 Patties geordert, sie waren nach sechs Wochen ausverkauft“, sagt Prislin.
Danach habe es Nachfragen von Gästen gegeben, ob der Übermorgen wiederkomme. Nun ist er in leicht veränderter Form zurück: Anderer Hersteller, andere Würmer und etwas geringerer Wurmanteil. Diesmal hat die Kette 30.000 Patties geordert. In jedem sind 500 gemahlene Würmer verarbeitet. Die anderen 80 Prozent bestehen überwiegend aus Bulgur, Kichererbsen, Dinkelschrot, Sellerie, Kartoffelflocken und Karotten.
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Und wie kommt das bei den Gästen an? Die Nachfrage sei etwas verhalten, sagt Josephine Gangey, die Betriebsleiterin des Hans-im-Glück-Restaurants am Brandsende in der City. Dort und in der Filiale im Alten Rathaus (Nikolaiviertel) wird der Übermorgen serviert. „Viele Gäste, die den Insektenburger schon im Frühjahr kennengelernt haben, finden es gut, dass er wieder da ist. Und die meisten, die ihn zum ersten Mal probieren, sind positiv überrascht und sagen, er sei viel leckerer, als sie erwartet hätten.“
Eine Fritteuse nur für den Insektenburger
Auch, um möglichen Bedenken oder Beschwerden von Gästen aus dem Weg zu gehen, wird bei bei der Zubereitung der Patties streng getrennt. Die Fleischburger werden gegrillt, die vegetarischen und veganen Patties frittiert. Der Insektenburger ebenfalls – aber separat. „Extra für ihn steht in der Küche eine kleine Fritteuse“, sagt Betriebsleiterin Gangey.
Hans im Glück ist die einzige Gastrokette, die einen Insektenburger anbietet. Ob das irgendwann dauerhaft so sein wird, ist offen. „Wir sehen, dass es Wiederholungskunden gibt“, sagt Peter Prislin. „Wenn sich abzeichnet, dass die Nachfrage ungebrochen ist, fangen wir an darüber nachzudenken, ob der Übermorgen fest auf die Karte soll.“
Der Geschmack erinnert an Erbsen
Produkt: Das Herzstück des Burgers namens Übermorgen der Restaurantkette Hans im Glück ist ein Pattie, das zu 20 Prozent aus gemahlenen Mehlwürmern und zu 80 Prozent aus Getreide, Gemüse und Gewürzen besteht. Serviert wird der Burger im Ciabatta-Brötchen mit Grillgemüsetatar und frischem Salat. Das Pattie wiegt 100 Gramm. Rindfleischpatties haben bei der Kette ein Rohgewicht von 140 Gramm.
Verfügbarkeit/Preis: Der Insektenburger wird vorübergehend in etwa 60 der knapp 80 Hans im Glück-Restaurants im deutschsprachigen Raum serviert. In Hamburg in den Filialen am Brandsende und im Alten Rathaus. Der Übermorgen kostet ohne Beilagen 9,40 Euro und ist damit der teuerste Burger in den Restaurants. Im Handel kostet ein vergleichbares, tiefgekühltes Insektenpattie etwa drei Euro.
Nährwert: 100 Gramm des Insektenpatties haben nach Herstellerangaben 201 Kalorien, enthalten 8,4 Gramm Fett, 15 Gramm Kohlenhydrate und 13,7 Gramm Eiweiß. Bei einem Rindfleischpattie bei Hans im Glück sind es 274 Kalorien, 26 Gramm Fett, o,5 Gramm Kohlenhydrate sowie 23 Gramm Eiweiß.
Geschmack: Nach dem ersten Bissen herrschte Erleichterung bei den Testern, ihre Befürchtungen bestätigten sich nicht. „Riecht und schmeckt nicht nach Tierfutter, wie andere Insektenlebensmittel“, hieß es. Das Pattie ist weniger „stückig“ als eines aus Rindfleisch, zudem etwas trockener. Der Geschmack sei „erbsig“, und „total okay“. Die Kombination mit dem Grillgemüse im Burger passe gut, so die einhellige Meinung. Das Gesamtprodukt sei „wirklich gelungen“, hieß es.
Fazit: Man muss nicht besonders mutig sein, um diesen Burger zu essen. Weder der Geschmack noch die Konsistenz deuten darauf hin, dass in ihm immerhin 20 Gramm Würmer verarbeitet worden sind. Wenn Nahrung aus oder mit Insekten immer so schmeckt, hat sie auch hierzulande eine Zukunft. Das Abendblatt gibt dafür vier Sterne.