Hamburg. Buchhandelskette feiert mit einer Gala in der Elbphilharmonie. Ex-Inhaber Jürgen Könnecke, spricht über die wechselvolle Geschichte.

Die Thalia-Buchhandelskette wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Sie hat das Jubiläum mit vielen Aktionen gefeiert. Es gab Lesungen und Signierstunden mit Bestsellerautoren an verschiedenen Filialstandorten, Bücher-Verschenkaktionen und das Projekt „Buch meines Lebens“, eine Umfrage, bei der Kunden ihr Lieblingsbuch nennen sollten. Obwohl der Unternehmenssitz von Europas größter Buchhandelskette inzwischen in Hagen in Nordrhein-Westfalen ist, feiert Thalia den großen Abschluss seines Jubiläumsjahres am Mittwochabend in Hamburg. In der Stadt, in der vor 100 Jahren alles begann.

„Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, dass die Jubiläumsfeier in Hamburg stattfindet. Ein anderer Ort wäre für mich gar nicht infrage gekommen“, sagt einer, der aktiv nicht mehr am Geschäft beteiligt ist, dessen Name aber auf immer mit Thalia verbunden sein wird: Jürgen Könnecke. Gut 80 Jahre lang hat die Familie Könnecke die Buchhandelskette als Inhaber geführt und groß gemacht. 2012 gab Könnecke seine letzten Anteile ab. Aber bei der Gala, die am Mittwoch in der Elbphilharmonie stattfindet, darf er natürlich nicht fehlen.

Könnecke: „Ich habe Thalia im Herzen“

„Ich bin da nur ein ganz normaler Gast“, sagt Könnecke bescheiden, der inzwischen 84 Jahre alt ist und immer noch im Büro, im einstigen Thalia-Stammsitz in der Hermannstraße, gleich neben der Europapassage, anzutreffen ist. Der Unternehmer stapelt tief, er ist mehr als ein normaler Gast: An der Gästeliste, am Programm und den Einladungen hat Könnecke mitgearbeitet. Er wird zusammen mit der derzeitigen Geschäftsführung die Gäste begrüßen, „von denen ich die meisten kenne“. Zudem hat Könnecke sein Archiv für eine Festschrift geöffnet, die über die Buchhandelskette erscheinen wird.

„Ich habe Thalia im Herzen“, sagt Könnecke, der heute noch zwei Buchhandlungen unter diesem Namen betreibt, die mit der Gruppe aber nichts mehr zu tun haben. Dann erzählt er von der wechselvollen Geschichte des Unternehmens.

Erste Filiale war im Gebäude des Thalia-Theaters

Dessen Anfang hatte jemand anderes gesetzt. Am 15. August 1919 eröffnete der Buchhändler Alfred Schulze einen kleinen Laden, an der Ecke des Neubaus des Thalia-Theaters am Gerhart-Hauptmann-Platz. Schulze war Liebhaber von Theater, Musik und Bildender Kunst. Entsprechend war sein Sortiment recht schmal. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 gerieten viele Unternehmen in Bedrängnis. Auch Alfred Schulze und seine Thalia-Buchhandlung standen 1931 vor dem Konkurs.

Hier hätte die Unternehmensgeschichte fast schon ihr Ende gefunden, wenn nicht ein erst 27 Jahre alter Hamburger Kaufmannssohn namens Erich Könnecke seine unternehmerische Ader entdeckt und den Laden übernommen hätte. Damit trotz Wirtschaftskrise Kunden kamen, warb Könnecke mit Taschenbüchern. „Um der augenblicklichen Wirtschaftslage Rechnung zu tragen, finden Sie bei mir stets sämtliche billige Volksausgaben“, schrieb er. Da viele Kunden nicht genug Geld hatten, um Bücher zu kaufen, richtete Könnecke 1935 eine Leihbücherei ein, in der man für 20 Pfennig pro Woche ein Buch ausleihen konnte.

Revolution im Buchhandel

1939 zog Erich Könnecke mit der Buchhandlung in die Hermannstraße um, da das Thalia-Theater die Räume selbst benötigte. 1965 trat dann Jürgen Könnecke als Mitinhaber in das Unternehmen ein – und reformierte den Buchverkauf. Er änderte die Ladengestaltung, um Kunden enger an die Bücher heranzuführen. Zum ersten Mal lagen sie auf großen Tischen zur Auswahl bereit. Das Publikum konnte sich selbst aus den Regalen und Bücherständern bedienen. Im Buchhandel war das eine kleine Revolution. „Bis dahin war es üblich, dass man dem Verkäufer am Tresen sagte, was man wünscht. Er zog die Exemplare aus dem Regal und präsentierte sie dann am Tresen. Ich hielt das für veraltet“, sagt Jürgen Könnecke heute.

Unter seiner Führung wuchs Thalia weiter. 1984 schuf Könnecke das erste „Buchhaus“ in Hamburg über zwei Etagen mit 200.000 Büchern; dazu Sitzgelegenheiten und Leseecken. „Viele Buchhandlungen unter einem Dach. Das war die Idee“, sagt Könnecke.

Thalia bietet Amazon die Stirn

1998 kam Amazon auf den deutschen Markt und damit der Online-Buchhandel. „Ich hatte bereits damals einen Konkurrenten darin erkannt, aber nie gedacht, dass er so mächtig werden könnte.“ Dennoch richtete Könnecke sich darauf ein und suchte sich einen starken Partner, die Douglas Holding, mit der dazu gehörenden Buchhandelsgruppe Phönix-Montanus.

Mit dem Zusammenschluss entstand der größte Buchhändler Deutschlands. Könnecke und Douglas-Geschäftsführer Michael Busch leiteten das Unternehmen nun gemeinsam. „Wir mussten wachsen, um uns gegen Amazon zu behaupten.“ In der Folge übernahm Thalia zahlreiche Buchhandlungen und Ketten, wie Gondrom und die im Osten Deutschlands bekannte Kette Buch & Kunst. Das Unternehmen expandierte nach Österreich. Zugleich führte Thalia das Digital-Buch ein und schloss sich Tolino an.

Unternehmen ist heute wieder familiengeführt

Dennoch kamen harte Zeiten auf das Unternehmen zu: Ende 2012 übernahm der US-Finanzinvestor Advent die Buchhandelssparte, die inzwischen voll in den Douglas-Konzern integriert war. Advent fuhr einen strikten Restrukturierungskurs. Mehrere Filialen mussten schließen, Mitarbeiter gehen. Könnecke war nicht mehr dabei. Er hatte seine letzten Anteile zuvor verkauft.

Umso glücklicher ist er, dass sein Unternehmen seit 2016 wieder in deutschen Händen ist. Finanzinvestor Advent verkaufte die Thalia-Kette nämlich nur vier Jahre nach der Übernahme. Die Mehrheit der Anteile gingen an die Freiburger Verleger-Familie Herder. Weitere Anteile halten die Unternehmerfamilie Kreke, der Unternehmer Leif Göritz und der Geschäftsführende Gesellschafter Michael Busch. „Damit ist Thalia heute wieder ein familiengeführtes Unternehmen. Und alle Eigentümer werden zur Gala kommen“, freut sich Könnecke.