Hamburg. Online tummeln sich immer mehr Betrüger. Verbraucherzentrale fordert Maßnahmen von der Politik – doch die tut sich noch schwer.

Die Suche im Internet war schnell gestartet. Frank Schmidt (Name geändert) suchte nach einer Waschmaschine für seine Tochter, die gerade an ihren Studienort umgezogen war. Solide sollte sie sein – und nicht so teuer. Nachdem er verschiedene Vergleichsportale konsultiert hatte, legte er sich auf ein Modell der Marke Bosch fest. Je nach Anbieter lag der Preis bei rund 400 Euro.

Doch dann blinkte auf seinem Bildschirm das gleiche Modell für 293,99 Euro auf, inklusive Versandkosten. „Ein Superpreis, alles sah sehr professionell aus“, so Schmidt. Angeboten wurde die Waschmaschine von evokings.de. Doch als der Hamburger das Impressum öffnete, wurde er stutzig. Dort tauchte eine Online Commerce Limited in Cheltenham (Gloucestershire) auf.

Während es dieses Unternehmen offenbar tatsächlich gibt, ergab die Websuche nach dem angeblichen Deutschlandsitz in Dessau keine Treffer. Fündig wurde Schmidt allerdings bei einer weiteren Suche. Evokings.de war kurz zuvor als sogenannter Fake-Shop enttarnt worden und tauchte in einer Warnliste auf. Wenige Stunden später war die Seite aus dem Internet verschwunden.

Zahl der betrügerischen Online-Angebote wächst

Die Zahl der betrügerischen Online-Angebote wächst. Darüber, wie viele Menschen bereits auf Fake-Shops hereingefallen sind, gibt es keine gesicherten Zahlen. Die Polizeistatistik weist diesen Bereich nicht extra aus. Nach einer repräsentativen Umfrage der Verbraucherzentralen aus dem vergangenen Jahr muss bei 4,4 Millionen Deutschen von einem Betrug durch Fake-Shops ausgegangenen werden.

Jeder vierte Internet-Käufer in Deutschland habe mindestens einmal bestellte Ware nicht erhalten – obwohl sie bezahlt war. „Die Anzahl der Beschwerden ist konstant hoch“, sagt Kirsti Dautzenberg von der Verbraucherzentrale Brandenburg, die als Marktwächter Digitaler Welt die zentrale Anlaufstelle ist und pro Monat mehrere Dutzend neue Meldungen erhält.

In Hamburg wird massiv vor Fake-Shops gewarnt

Die Spitze eines Eisbergs. Die Dunkelziffer ist hoch, weil sich viele Betroffene weder bei Polizei noch bei Verbraucherschützern melden. Die betrügerischen Händler bieten vor allem Elektronik-Artikel sowie teure Textilien, Schuhe und Handtaschen an, haben aber in der Regel gar nicht Absicht, diese auch zu liefern.

Auch in Hamburg wird massiv vor Fake-Shops gewarnt. „Die Shops sind viel besser geworden“, sagt Verbraucherschützerin Julia Rehberg. Die Gestaltung von Impressum, Geschäftsbedingungen und Widerrufsbelehrung sehe oft sehr professionell aus. „Es ist schwieriger zu erkennen, ob ein Anbieter betrügerisch ist oder nicht.“

Öffentlich einsehbare Liste mit Namen von betrügerischen Anbietern geplant

Die Verbraucherschutzminister der Länder haben bereits Ende Mai beschlossen, verstärkt gegen die Betrüger vorzugehen. Unter anderem soll eine zentrale Ansprechstelle bei den Ermittlungsbehörden eingerichtet werden, um gemeinsam mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband Fake-Shops besser zu bekämpfen und schneller schließen zu können.

Auch eine öffentlich einsehbare Liste mit Namen von betrügerischen Anbietern ist geplant, die laufend aktualisiert werden soll. Vorbild ist Österreich, wo es eine solche Liste (www.watchlist-internet.at) bereits gibt. „Wir halten das für sinnvoll und haben den Antrag unterstützt“, heißt es in der Behörde der Hamburger Verbrauchersenatorin, Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Zudem wollen die Ressortchefs auch eine verbindliche Identitätsprüfung bei Anmeldung einer Internet-Domäne mit .de-Kennung durchsetzen.

Hamburger Verbraucherexpertin hält Identifikationsprüfung für sinnvoll

Dieses Thema gilt als besonders brisant. Lange galt eine deutsche Webdomain als Hinweis auf Seriosität. Das ist offenbar so nicht mehr gültig. Die Untersuchung der Verbraucherzentrale Brandenburg, bei der auch eine automatisierte Suchanfrage bei Google eingesetzt wurde, hat mehr als eine Million Fake-Shops ermittelt – ein Großteil registriert unter der .de-Domain.

Bei genauerer Betrachtung kam heraus, dass die betrügerischen Betreiber vorwiegend abgemeldete Domains von Privatpersonen und Firmen, aber auch von Parteien und anderen Organisationen verwenden. Andere hacken sich in Unterverzeichnisse von aktiven Seiten ein.

Aus Sicht der Verbraucherschützer ist das „die Spitze des Eisbergs“. Die Hamburger Verbraucherexpertin Julia Rehberg hält daher eine Identifikationsprüfung, wie sie etwa in Dänemark oder Irland bereits existiert und dort erheblich zur Reduzierung betrügerischer Web-Shops beigetragen hat, für eine sinnvolle Maßnahme.

Betrüger sind gut organisiert und verwischen ihre Spuren schnell

In dem halben Jahr seit dem Beschluss der Ministerrunde ist allerdings noch keines der Vorhaben umgesetzt worden. Abendblatt-Anfragen beim Verbraucherschutz Bundesverband und der Geschäftstelle der Verbraucherschutzkonferenz ergaben, dass sich die Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher, zu denen auch die Ressorts Justiz und Inneres Stellung beziehen müssen, noch in der Prüfung befinden. Einen ersten Bericht soll es frühestens Mitte November geben.

Nach der aktuellen Rechtslage ist die Arbeit der Ermittlungsbehörden mühsam. Die Betrüger sind gut organisiert und verwischen ihre Spuren schnell. Dass sie dingfest gemacht und wie zum Beispiel im März nach einem aufwendigen Verfahren vor dem Landgericht Osnabrück zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden, ist die Ausnahme. Insgesamt hatten die beiden Täter in dem Fall die Kunden bei 811 Bestellungen mit einem Volumen von mehr als 280.000 Euro geprellt. Gerade hat der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigt.

Verbraucherschützer: „Vorkasse ist immer ein Risiko“

Grundsätzlich gilt allerdings: „Geld für nicht gelieferte Waren zurückzubekommen, ist sehr unwahrscheinlich“, sagt Rehberg. Üblicherweise würden die Beträge direkt nach der Transaktion vom Konto geräumt. „Vorkasse ist immer ein Risiko“, so Rehberg. Das gilt für Barzahlungen aber auch für selbst veranlasste Überweisungen, die nicht zurückgerufen werden können.

Selbst das Siegel „Trusted Shops“ ist kein Sicherheitsgarant und sollte auf der Betreiberseite des Gütesiegels abgefragt werden. Besondere Vorsicht, heißt es bei der Hamburger Polizei, sei bei Angeboten angebracht, die deutlich unter dem üblichen Marktpreis lägen. „Hier gilt der im Betrugsbereich grundsätzlich zu beherzigende Satz: Angebote, die zu gut sind um wahr zu sein, sind es meistens auch nicht.“

China-Shops

Die Verbraucherzentralen warnen auch vor einer Reihe von unseriösen Onlineboutiquen, die im Netz mit günstiger Mode und großzügigen Rabatten werben. Die Hamburgerin Simone Wense (Name geändert) war auf ein Lockangebot der Plattform www.loovincy hereingefallen. Erst als die bereits bezahlte Ware nicht geliefert wurde, erkannte sie, dass es statt eines Impressums nur eine chinesische Telefonnummer und eine Mailadresse gab.

Während der Modehändler auf der eigenen Internetseite beste Bewertungen hatte, fanden sich in Userforen immer mehr Beschwerden von geprellten Kunden, die keine oder minderwertige Ware erhalten hatten. Da Wense ihren Einkauf über PayPal bezahlt hatte, forderte sie erfolgreich eine Rückerstattung über den Paypal-Käuferschutz. Nach Angaben von Verbraucherschützern haben Kunden ähnliche Erfahrungen bei Onlineshops wie edressit.com, floryday.com, shein.com oder wish.com gemacht.