Hamburg. Harald Vogelsang tritt bei Plenumswahlen nach 25 Jahren nicht mehr an. Wahlgruppe Starke Wirtschaft setzt auf neue Gesichter.

Nach 25 Jahren ist Schluss. Haspa-Chef Harald Vogelsang wird im Frühjahr 2020 nicht mehr für das Plenum der Handelskammer kandidieren. „Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Ich finde aber, es ist Zeit für einen Generationswechsel in der Haspa für die Interessenvertretung in der Kammer. Deshalb wird im kommenden Frühjahr Niels Pirck mich ersetzen. Er hat bereits in den vergangenen Jahren eine exzellente Arbeit im Plenum gemacht“, sagt Vogelsang im Gespräch mit dem Abendblatt. Er selbst würde sich in den kommenden drei Jahren im Plenum der Kammer – wegen seiner umfangreichen Aufgaben bei der Haspa – nicht so engagieren können, wie dies notwendig wäre, so Vogelsang weiter.

Sein Abgang ist eine Zäsur

Sein Abgang ist eine Zäsur. Begonnen hatte Vogelsang seine ehrenamtliche Tätigkeit 1994 bei den Wirtschaftsjunioren Hamburg. Er war zwei Jahre lang deren Sprecher und damit Mitglied des Plenums der Handelskammer. Später war der Vorstandssprecher der Haspa in verschiedenen Ausschüssen der Kammer tätig, darunter längere Zeit als Vorsitzender des Rechtsausschusses. Vogelsang hat nämlich nicht nur eine Banklehre absolviert, sondern auch ein Jurastudium. Er war Leiter der Börsenkommission und damit Chefaufseher der Hamburger Börse. Sechs Jahre gehörte Vogelsang dem Präsidium der Handelskammer an.

Bei dem Wahlsieg der Kammerrebellen 2017, die anschließend fast das gesamte Plenum stellten, war Vogelsang als einer von nur noch drei unabhängigen Mitgliedern in das Gremium gewählt worden. Fortan arbeitete er als „Oppositionist“, wie er das nennt, und fungierte in den Plenarsitzungen als Kritiker der neuen Führung. So erlebte er hautnah die strukturellen Umbrüche in dem Haus am Adolphsplatz mit, ohne dagegen etwas tun zu können: den Personalabbau, den Rückzug aus der Hamburg School of Business Administration (HSBA), den Verfall der wirtschaftspolitischen Bedeutung der Unternehmervertretung.

Kritik an den Rebellen

„Es ist durch die so genannten Rebellen soviel zerstört worden, dass es einer immensen Kraftanstrengung bedarf, die Kammer wieder aufzubauen“, sagt er heute. „Es gibt keinen Hauptgeschäftsführer, die Wertschätzung für die Mitarbeiter fehlt. Es muss wieder Begeisterung ausgelöst werden, für die Kammer zu arbeiten. Die Kammer muss außerdem neues Vertrauen diesseits und jenseits der Hamburger Grenzen aufbauen. Dafür braucht man sehr engagierte Ehrenamtler mit viel, viel Zeit. Und die habe ich nicht“, sagt Vogelsang.

Dabei war der Haspa-Chef auch für die kommende Wahlperiode im Kammerplenum als Kandidat vorgesehen – und zwar bei der Wahlplattform Starke Wirtschaft Hamburg, die der Kulturmanager und Vorsitzende des Tourismusverbands, Norbert Aust, zusammen mit der Unternehmensberaterin Astrid Nissen-Schmidt an der Spitze vertritt. Zahlreiche namhafte Unternehmer der Hansestadt engagieren sich in dieser Wahlgruppe, die die Rebellen verdrängen und die Kammer wieder in ruhiges Fahrwasser führen will. Ideell unterstützt Vogelsang die Gruppe weiter, aber eben nicht mehr als Kandidat.

Ein Jüngerer rückt nach

„Niels Pirck wird bei der Wahlgruppe Starke Wirtschaft Hamburg weiter engagiert mitmachen. Und auch ich unterstütze weiterhin die Starke Wirtschaft“, so der Haspa-Chef. „Ich bin der Meinung, dass die Wahlgruppe hervorragende Persönlichkeiten gefunden hat, die für sie antreten. Das stimmt mich mit Blick auf die Plenumswahl 2020 sehr zuversichtlich.“

Pirck ist Geschäftsführer der Haspa Direkt, also der Online-Banking-Sparte der Sparkasse. Er gehört dem Plenum der Kammer seit mittlerweile sechs Jahren an und hat sich ebenfalls als scharfer Kritiker der bisherigen Machthaber herausgestellt. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass der Personalabbau und die überhastete Strukturreform der Kammer gestoppt wurden. „Es ist viel schneller etwas kaputt zu machen, als etwas wieder aufzubauen“, sagt nun Vogelsang. Das sei jetzt die Aufgabe von Pirck. Dieser ist 19 Jahre jünger als Vogelsang.

Dass die Kammerrebellen überhaupt so stark werden konnten, sieht Vogelsang durchaus selbstkritisch: „Wir haben in der Phase vor den Kammerrebellen auch Fehler gemacht. So hätte die alte Kammerführung eher Reformen anstoßen müssen – und wir hätten damals einen besseren Wahlkampf führen müssen“, räumt er ein.

Auch andere Plenarier hören auf

Auch die Vertreter des ehemaligen Bündnisses „Die Kammer sind Wir!“ verlieren bekannte Gesichter. Die Vorsitzende des Ausschusses Gesellschaftliche Verantwortung, Annett Nack-Warenycia, tritt nicht wieder für das Plenum an, ebenso einer der ehemaligen Anführer der Kammerrebellen, der Ex-Vizepräses und Vorsitzende des wichtigen Innenausschusses, Torsten Teichert. Dieser kritisiert den bisherigen Wahlkampf: „Es ist vollkommen unklar, ob ein neues Plenum die Modernisierung und Demokratisierung vorantreiben oder lieber alles beim Alten belassen will. Zu schwammig sind die bisherigen Aussagen der Wahlbündnisse.“

Und zu seinem persönlichen Entschluss, nicht mehr zu kandidieren, sagt Teichert: „Der Zeitaufwand für eine ordentliche Arbeit als Mitglied des Präsidiums, was ich zwei Jahre lang gewesen bin, ist absurd hoch. Das ist mit einem normalen Arbeitsleben auf Dauer nicht zu vereinbaren.“ Gerne werde er auch in Zukunft in Ausschüssen und Arbeitsgruppen der Kammer mitarbeiten. „Ins Plenum aber gehören neue Gesichter.“

Einige dieser neuen Gesichter will die Wahlgruppe Starke Wirtschaft Hamburg am Montag präsentieren. Wie das Abendblatt erfuhr, gehören dazu führende Vertreter der Versicherungsgruppe Signal-Iduna und des Herstellers von Luxus-Füllfederhaltern Montblanc. Auch die bekannte Hamburger Hutmacherin Sabine Falkenhagen kandidiert für das Kammerplenum als Vertreterin des Mittelstands.

Brüggestrat bleibt unabhängig

Daneben gibt es auch Manager, die sich keiner Gruppierung angeschlossen haben, aber sich dennoch zur Wahl stellen wollen, wie der Chef der Hamburger Volksbank, Reiner Brüggestrat. „Wir als Volksbank wollen lieber unabhängig auftreten. Ohnehin fände ich es besser, wenn es gar keine Gruppen geben würde“, sagte er dem Abendblatt.