Hamburg. Haspa, Berenberg und Volksbank sehen sich zu diesem Schritt bei Privatkunden gezwungen. Noch trifft es sehr betuchte Kontoinhaber.

Privatkunden von Banken haben sich längst daran gewöhnt, dass es praktisch keine Zinsen mehr auf ihr Erspartes gibt, von einzelnen „Sonderangeboten“ für wechselfreudige Verbraucher einmal abgesehen. Den Geldhäusern selbst geht es allerdings noch schlechter: Auf die vielen Milliarden Euro an Liquiditätsreserven, die sie über Nacht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, müssen sie schon seit 2014 einen Strafzins zahlen. Der wurde von der EZB gerade in der vorigen Woche von 0,4 Prozent auf 0,5 Prozent hochgesetzt.

Einfach vermeiden können die Banken und Sparkassen diese Belastung – 2018 kostete das die deutschen Finanzinstitute rund 2,3 Milliarden Euro – übrigens nicht. Die EZB hat selbst dafür gesorgt, dass Geschäftsbanken viel überschüssige Liquidität haben, indem die Währungshüter ihnen in großem Umfang Anleihen abkaufen, um das allgemeine Zinsniveau zu drücken. Die Summen, die dadurch auf den Guthabenkonten der Banken bei der EZB landen, sind weit höher als der Geldbedarf der Geschäftsbanken für die Kreditvergabe.

Experten erwarten weitere Erhöhungen von Kontoführungsgebühren

Aus diesem Grund haben die Finanzhäuser längst damit begonnen, die Negativzinsen an ihre Kunden weiterzugeben. Betroffen sind davon bei den meisten Instituten zwar nur die so genannten institutionellen Kunden, also Profi-Großanleger wie Versicherungen, andere Banken oder Konzerne. Doch nach Erhebungen des Verbraucherportals biallo.de kassieren inzwischen 33 Banken und Sparkassen ein „Verwahrentgelt“ auch von Privatkunden. Kleinsparer bleiben in der Regel davon verschont, weil für die Giro- oder Tagesgeldgeldkonten meist ein Freibetrag von mindestens 100.000 Euro gilt.

Wie eine Umfrage des Abendblatts unter elf Banken, die entweder ihren Sitz in Hamburg haben oder für Sparer in der Hansestadt bedeutend sind, ergeben hat, erheben die Haspa, die Hamburger Volksbank sowie Berenberg auch bei privaten Kunden einen Negativzins – allerdings erst bei sehr hohen Beträgen. Auch die übrigen der befragten Institute planen nicht, einen Strafzins für das breite Privatkundengeschäft einzuführen.

Werden Geldhäuser einen anderen Weg suchen?

„Ich denke, dass sich keine Bank trauen wird, in den nächsten Monaten Negativzinsen auf Beträge von weniger als 100.000 Euro zu kassieren“, sagte dazu Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung. Horst Biallo, Gründer des Verbraucherportals biallo.de, glaubt ebenfalls nicht, dass die Geldhäuser in großem Stil ihre Privatkunden mit Minuszinsen belasten werden: „Das würde dem Image zu sehr schaden, weil man damit die Kunden verprellt.“

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© Frank Hasse

Nach Auffassung von Biallo werden die Geldhäuser auf einem anderen Weg versuchen, die Belastungen durch die EZB-Zinspolitik teilweise wettzumachen: Indem sie die Gebühren anheben. Der Trend aus dem ersten Halbjahr 2019 werde sich fortsetzen, erwartet Biallo: „Nach unseren Untersuchungen hat bis heute knapp ein Fünftel der Banken und Sparkassen die Kontoführungsgebühren in diesem Jahr erhöht.“ Dazu gehört auch die Haspa. Sie hatte zum 1. Januar die monatliche Grundgebühr für das Standard-Girokonto um gut 25 Prozent auf 4,95 Euro heraufgesetzt, zudem verteuern sich die einzelnen Buchungen von 0,40 auf 0,50 Euro.

„Die EZB wird ihren Leitzins noch auf Jahre nicht anheben“

Es bleibt abzuwarten, was die EZB in den kommenden Monaten weiter beschließt. Experten zufolge hat sie mit der Entscheidung der vorigen Woche gegensätzliche Signale gesendet. Sie hat zwar den Strafzins für Banken von 0,4 Prozent auf 0,5 Prozent erhöht, gleichzeitig aber eine Art Freibetrag eingeführt: Künftig bleibt das Sechsfache der vorgeschriebenen Mindestreserve – die schon bisher straflos bei der EZB geparkt werden konnte – von den Negativzinsen verschont. In der Finanzszene kursieren Schätzungen, wonach die deutschen Banken damit um mehrere Hundert Millionen Euro entlastet werden.

Aber dafür hat die Notenbank nach Einschätzung von Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, die Strafzinsen auf absehbare Zeit quasi zementiert: „Negative EZB-Zinsen bleiben Normalität.“ Auch zu einer Anhebung des Leitzinses von aktuell 0,0 Prozent werde es „realistischerweise auf Jahre nicht kommen“, so Krämer.

Das Abendblatt gibt hier die Antworten der einzelnen Banken auf die Frage nach den Negativzinsen gekürzt wieder:

Hamburger Sparkasse

„Aktuell vermeiden wir immer noch die Weitergabe der Niedrigzinsen der EZB im breiten Privatkundengeschäft“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. „Wie lange wir das noch tun können, hängt von der Niedrigzinspolitik der EZB ab, die uns schon jetzt Tag für Tag sehr viel Geld kostet.“ Im Jahr 2018 habe die Haspa Negativzinsen für Giro- und Tagesgeld eingeführt: „Diese beginnen bei Privatkunden ab einer halben Million Euro aufwärts und bei Firmenkunden ab einer Viertelmillion Euro.“ Aufgrund der hohen Freibeträge seien „nur sehr wenige Kunden“ betroffen.

Hamburger Volksbank

„Wir nehmen mit Privat- und Firmenkunden, die mehr als eine Million Euro auf Giro- oder kurzfristigen Anlagenkonten haben, individuelle Gespräche über Negativzinsen auf“, sagte Vorstandssprecher Reiner Brüggestrat.

Sparda-Bank Hamburg

„Negativzinsen ab einem Volumen von 100.000 Euro halte ich auch für unser Haus nicht für ausgeschlossen“, sagte Oliver Pöpplau, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank Hamburg. Derzeit erhebt sie keine Strafzinsen.

Berenberg

„Die Negativzinspolitik der EZB macht es auch für uns notwendig, dass wir für außerhalb der Vermögensverwaltung geparkte Euro-Sichteinlagen individuelle Vereinbarungen über ein Verwahrentgelt mit unseren Kunden treffen.“

M.M. Warburg & CO

„Unter bestimmten Voraussetzungen erheben wir von institutionellen Kunden und von Firmenkunden Verwahrentgelte für Einlagen. Die Höhe variiert und hängt von der Einlagensumme und weiteren Faktoren ab.“

Postbank

„Die Postbank plant derzeit keine Einführung von Strafzinsen für ihre Privatkunden.“

Deutsche Bank

„Die Deutsche Bank plant derzeit nicht, im breiten Kundengeschäft Kosten für Einlagen an die Kunden weiterzugeben. Für institutionelle Kunden mit zusätzlichem Bedarf an Einlageprodukten ist die Bank im engen Dialog, um passende Anlagealternativen oder Kompensationsmodelle zu vereinbaren.“

Commerzbank

„Einlagen sind ein wichtiges und stabiles Refinanzierungsinstrument. Deshalb haben wir aktuell nicht vor, die Negativzinsen an unsere Millionen Privatkunden weiterzugeben.“

HypoVereinsbank

„Die Einführung von negativen Zinssätzen für Privatkunden ist nicht geplant. Bei institutionellen Kunden mit besonders hohen Einlagenvolumina entwickeln wir in individuellen Gesprächen alternative Anlagelösungen und Kompensationsmodelle.“

Comdirect

„Es gibt derzeit keine Pläne, in der Breite des Privatkundengeschäfts Negativzinsen einzuführen.“ … „Mit einzelnen Business Partners, die dauerhaft über sehr hohe Einlagen verfügen, gibt es individuelle Vereinbarungen.“

ING

„Negativzinsen für unsere über sieben Millionen Sparkonten schließen wir zumindest aktuell aus.“