Hamburg. Hamburger Start-up ist bereits bei Kaufland gelistet. Nun laufen Verhandlungen mit Edeka. In Spitzenzeiten 13.000 Salate in der Woche.
Die Zeiten sind vorbei, als Georg Neubauer morgens um 6.00 Uhr schon mal mit ran musste, um für die Tageslieferung Salatblätter zu waschen, Gemüse zu schnippeln und Dressing abzufüllen. Inzwischen trägt der Chef des Bio-Snack-Herstellers Blattfrisch statt einer Schürze ein gebügeltes Oberhemd und sitzt meistens an seinem Schreibtisch.
Das Hamburger Start-up ist auf Wachstumskurs. „In Spitzenzeiten haben wir in diesem Jahr mehr als 13.000 Mahlzeiten in der Woche ausgeliefert“, sagt er. Vor zwei Jahren waren es noch 500. Das war in der eigenen Produktionsküche nicht mehr zu schaffen. Seit vergangenem Jahr lässt Neubauer Salate und Wraps in einen Betrieb in der Nähe von Kiel herstellen. Während der Sommermonate wurden von dort aus unter anderem Blattfrisch-Produkte für bundesweit rund 160 Filialen der international bekannten Coffeeshop-Kette Starbucks geliefert.
Blattfrisch gilt als Vorreiter in dem Markt
„Wir sind einer der Vorreiter auf dem Markt mit verzehrfertigen Bio-Snacks“, sagt der 38-Jährige. Angefangen hatte er 2015 mit drei Salat-Grundmischungen, die je nach Saison mit unterschiedlichen Zutaten zu einer kompletten Mahlzeiten werden. Um Frische und Regionalität der Produkte zu gewährleisten, schloss Blattfrisch Partnerschaften mit Biohöfen rund um Hamburg.
Inzwischen umfasst das Sortiment 13 verschiedene Salate und Wraps, die vor allem in den Bio-Supermärkten von Alnatura und Denn’s verkauft werden. „Aktuell laufen Verhandlungen mit Edeka“, sagt Neubauer. Von Kaufland gab es gerade eine Zusage für die Listung in zwei Regionen. Die großen Handelsketten setzten verstärkt auf Bio-Lebensmittel und auf verzehrfertige Angebote. Auch wenn Edeka morgen den ersten Standort der neuen Biomarkt-Kette Naturkind in der Neuen Mitte Altona eröffnet, wird Blattfrisch dort vertreten sein. Beim Einzelhändler Real am Berliner Tor stehen die Produkte schon länger im Start-up-Regal.
2018 Umzug nach Hoheluft-West
Neubauer steht im zweiten Stock der Alten Tabakfabrik an der Hoheluftchaussee. Ende 2018 war er mit seinem sechsköpfigen Team von Wandsbek in die neuen Räume umgezogen. „Wir brauchten mehr Büroplatz“, sagt der Betriebswirt, der vorher im Windenergie-Vertrieb bei Siemens gearbeitet hatte. Er schiebt eine große Schranktür auf, hinter der sich eine kleine Testküche verbirgt, und holt einige Salatschalen aus dem Kühlschrank.
Von Anfang an haben die Hamburger Salatmacher auch bei der Verpackung auf Nachhaltigkeit gesetzt. „Wir sind ständig auf der Suche nach neuen und besseren Materialien und Ideen“, sagt Neubauer, der sich für ein Rücknahme-System von Verpackungen im Einzelhandel einsetzt. Aktuell sind die Schalen für die Blattfrisch-Salate größtenteils aus Pappe aus nachhaltiger Forstwirtschaft, die innen mit einer dünnen Plastikfolie ausgelegt und verschlossen ist. „Folie und Pappe lassen sich mit wenigen Handgriffen trennen und einzeln entsorgen.“ So werde im Vergleich zu konventionellen Kunststoffverpackungen schon bis zu 70 Prozent Plastik eingespart.
2018 war das erfolgreichste Jahr
Das Konzept hat dem Hamburger seinen bislang größten Auftrag eingebracht. Im vergangenen hatte sich Blattfrisch gemeinsam mit einem Partner aus Bayern an einer Ausschreibung für ein neues To-Go-Angebot in der Zügen der Deutschen Bahn beteiligt und den Zuschlag erhalten. „Wir haben innerhalb von wenigen Wochen unsere Kapazitäten auf 10.000 Salate in der Woche hochgefahren. Das war ein echtes Abenteuer“, sagt der Blattfrisch-Chef, der unter anderem mehrere zehntausend Euro in Verpackungsmaschinen investiert hatte. Nach mehr als einem Jahr ist der Auftrag im Juli ausgelaufen. Die Zuggäste hätten das Bio-Salatangebot für den Sitzplatz nicht so stark angenommen wie zunächst erwartet, so Neubauer. Der erste große Rückschlag des Gründers, aber für ihn kein Grund aufzugeben. „Es war ein dankbarer Auftrag, der uns planbare Umsätze beschert hat. Jetzt geht es weiter.“ Dass es klappen kann, zeigt der Starbucks-Auftrag, bei dem Blattfrisch im Rahmen einer Sommeraktion bundesweit drei Monate lang fertige Salatmischungen für das amerikanische Unternehmen produziert hat.
Erlöse in Höhe von 1,5 Millionen Euro
„Wir werden auch 2019 wachsen“, ist der Gründer zuversichtlich, wenn auch deutlich langsamer. 2018 war mit einem Umsatz von 1,3 Millionen Euro und einem Plus von 300 Prozent im Vergleich zum Vorjahr das bislang erfolgreichste Blattfrisch-Jahr – und das erste Mal schrieb das Unternehmen fast eine schwarze Null. In diesem Jahr rechnet Neubauer, der noch knapp 70 Prozent der Firmenanteile hält, mit Erlösen in Höhe von 1,5 Millionen Euro.
Bereits vor einiger Zeit war der Hamburger Steuerberater Jan Semmerow mit 15 Prozent bei Blattfrisch eingestiegen. Kleinere Beteiligungen haben Neubauers zeitweiliger Mitgeschäftsführer Christoph Ries sowie seine beiden Brüder. Im Juli hatte die Regionalwert AG Hamburg 100.000 Euro in das Start-up investiert.
Beziehung zu Partnerhöfen soll intensiviert werden
Die Expansion des Unternehmens hat auch eine andere Seite. „Wenn man in der Masse ankommen will, muss man teilweise etwas mainstreamiger werden“, sagt Georg Neubauer. Um die gestiegenen Liefermengen zu erreichen, hat Blattfrisch im vergangenen Jahr verstärkt mit Bio-Großhändlern zusammengearbeitet, die auch im europäischen Ausland einkaufen, und die bisherigen direkten Beziehungen zu den Partnerhöfen deutlich runtergefahren. Das soll jetzt wieder intensiviert werden.
Auch das Konzept der Saisonalität will Neubauer demnächst anpassen. Zwar sollen im Sommer weiterhin verstärkt Zutaten wie Zucchini, Karotte und Kirschtomaten in den Salaten und Wraps sein, im Herbst Kürbis und im Winter Kohl, aber der Blattfrisch-Gründer räumt zugleich ein: „Wir wollen mit Rücksicht auf die Wünsche von Händlern und Kunden mehr Produkte, die das ganze Jahr durchlaufen.“
Für mehr Artenvielfalt und gesunde Böden
Gerade sind zwei neue Demeter-Bio-Salate auf den Markt gekommen. In der Planung sind auch Gemüsesticks und Bio-Blattsalate als sogenannter Fresh-Cut. Eine weitere Idee ist eine Art Baukastensystem mit Bio-Zutaten für Händler, die damit schnell verschiedene Snackangebote wie Stullen oder Bowls zusammenstellen können.
Parallel entwickelt Neubauer gerade eine Mehrweglösung für die Verpackungen der frischen Bio-Salate in Supermärkten. „Mein größtes Anliegen ist es, mehr Menschen für Bio-Lebensmittel zu gewinnen. Mit jedem Auftrag, den wir bekommen, steigern wir der Anteil an nachhaltig erzeugten Lebensmitteln aus biologischer Landwirtschaft – für mehr Artenvielfalt und gesunde Böden“, sagt der Unternehmer.