Hamburg. Hamburger Spitzenköche präsentieren nicht nur tolle Rezepte zum Genießen, sondern erläutern auch Produkte und das Handwerk am Herd.
Essen ist nicht nur etwas zu sich nehmen und überleben. Lebensmittel, Produkte und Zutaten sind mehr als nur Nahrung. Vor allem wenn sie zubereitet, gekocht, gebraten, angerichtet werden. Dann ist manchmal Kunst, aber vor allem Handwerk im Spiel. Ihre Freude am Tun vermitteln die Hamburger Genuss-Werker Stevan Paul, Marianus von Hörsten und Matthias Gfrörer jetzt in ihren neuen Kochbüchern.
Ein alter Hase als Verfasser ist Stevan Paul. Der gelernte Koch, Rezeptentwickler und kulinarische Autor lebt seit 1995 in Hamburg, hat bereits einen Roman („Der große Glander“) sowie neun Kochbücher über japanische Speisen, Sandwiches und Camping-Verpflegung geschrieben. „Die Leute sollen wieder Lust bekommen zu kochen“, sagt Paul über seine Motivation, ein Standardwerk der Küche herauszugeben, das in den Alltag der Menschen passt.
Deshalb heißt der opulente Band auch einfach „kochen.“ (Brandstätter Verlag, 40 Euro). „Es geht um lustvolles und verständliches Handwerk sowie die Chance, Kochen von der Basis her zu erfassen und einen eigenen Geschmack zu entwickeln“, sagt der 50-jährige Autor.
Zahlreiche Variationen zu jedem Basisrezept
Das Buch funktioniert wie ein raffinierter Baukasten. Die mehr als 500 Rezepte lassen sich in der vorgeschlagenen Kombination, darüber hinaus aber auch individuell und jedes Mal neu zusammenstellen. So ergeben sich zahlreiche Variationen zu jedem Basisrezept. Thematisch verbindet „kochen.“ die Opulenz der klassischen französischen Küche mit skandinavischem Minimalismus. Neben den Rezepten gibt es Texte zu Kochtechniken (schneiden, garen, anrichten), zu Aromen und Würzung (Schärfe, Temperatur, Salz, Säure) sowie Ausflüge in die Warenkunde.
Belehren und bekehren will Stevan Paul nicht. Denn die Freude am Zubereiten. Schnippeln und Schmoren sowie die Wertschätzung für Qualität bei der Zutatenwahl ergebe sich von selbst. „Nur wer gerne und mit Leichtigkeit kocht, entwickelt auch eine natürliche Begeisterung und Wertschätzung für Produkte bester Herkunft.“
Das Buch macht überdies Appetit und Lust, sofort einkaufen zu gehen und am heimischen Herd zu werkeln. Das liegt auch an den schönen Fotos von Andrea Thode und den bunten Illustrationen von Ralf Nietmann. Beide Künstler leben ebenfalls in Hamburg.
Ist der Band zu schön für die Küche? „Ich wünsche mir sehr, dass das Buch wirklich benutzt wird. Jeder Fettfleck wird es adeln“, sagt Paul.
Johann Lafer adelt den besten Jungkoch der Welt
Bester Jungkoch der Welt 2017, Gewinner beim Next Chef Award auf der Internorga 2018, Eröffnung des eigenen Restaurants namens Klinker im Frühjahr 2019, das erste Buch jetzt im Herbst – Marianus von Hörsten kocht sich von einem Höhepunkt zum nächsten. Der Herdkünstler ist auf dem Demeter-Hof seiner Eltern in Wörme bei Buchholz aufgewachsen. Daher weiß der 27-Jährige seit seiner Kindheit, wie Tomaten, Kartoffeln, Eier und Fleisch wirklich schmecken können. Und deshalb heißt sein Kochbuch „Meine Hofküche“ (Gräfe und Unzer Verlag, 24,99 Euro).
„Als ich deine Rezepte gelesen habe, hat mir ganz besonders deren starker Charakter imponiert“, schreibt Johann Lafer im Vorwort. „Deine Küche ist bodenständig und erlesen zugleich. Modern und traditionell, ländlich – und sie passt trotzdem in die Stadt.“
Bei einem Gang über den Hof erklärt von Hörsten die einzelnen Produktionsbereiche, von der Weide bis hin zum Obstgarten, teilt Jugenderinnerungen und erzählt von seinen Erfahrungen und Erlebnissen. Die Texte sind fesselnd, man liest sich richtig fest und taucht ein in die Welt in Wörme. „Das Buch ist auch eine Hommage an die Menschen, die auf dem Hof arbeiten und sich für gute Produkte engagieren“, sagt der Autor, der „Meine Hofküche“ auf Bitten des Verlages gemacht hat.
In dem Band verarbeitet der Koch die jeweiligen Produkte zu leckeren Gerichten, immer mit weiteren Zutaten der Saison, einfach, pur und auch gekonnt veredelt. Die schönen Fotos von Julia Hoersch aus Hamburg machen sofort Appetit. In seinem Lokal neben dem Holi-Kino verwendet von Hörsten natürlich Produkte aus Wörme.
Wenn der junge Mann nicht kocht, Rezepte entwickelt oder auf dem elterlichen Hof mit anpackt, dann geht er an die Hamburger Uni. Geografie und Friedensforschung studiert er für einen Bachelor-Abschluss, hat sogar ein Stipendium. „Am Herd mache ich vielfältige deutsche Küche mit normalen deutschen Produkten, in der Uni fordere ich meinen Kopf auf andere Weise. Beides macht das Leben gerade rund.“
Seit zehn Jahren führt Matthias Gfrörer zusammen mit seiner Frau Rebecca die Gutsküche am Hamburger Stadtrand. Die 45-Jährige ist für Service und Wein zuständig, ihr vier Jahre jüngerer Mann verantwortet, was in der offenen Küche zubereitet wird. „Jetzt gibt es genug Material für ein Kochbuch“, sagt der 41-Jährige. Im Buch „Gutsküche. Geschmack ist meine Heimat“ (Südwest Verlag, 32 Euro, ab 21. Oktober im Handel) finden sich Rezepte zu den Gerichten, die die Gäste am liebsten essen. „Und sie sollen die Speisen auch nachkochen können. Was nützt ein schöner kulinarischer Bildband, von dem die Leser keinen Nutzen haben?“
Matthias Gfrörer stand auch fürs Abendblatt am Herd
„Genuss mit gutem Gewissen“ ist das Motto des Ehepaares, das in der gastronomischen Welt herumgekommen ist, zwei Kinder hat und auf ehrliches Handwerk, regionale Produkte und Nachhaltigkeit setzt. Und so hat der Koch mit seinem nach Jahreszeiten geordnetem Buch ein leidenschaftliches Plädoyer für gutes Essen herausgebracht.
Neben den saisonalen Rezepten finden sich zahlreiche Küchentipps und -tricks, damit die Gerichte auch wirklich gelingen. Gfrörer zeigt, wie man Fisch filetiert, Geflügel richtig zerlegt und Kräuter raffiniert einsetzt. Im Sommer 2018 war der Hamburger übrigens auch einer der Köche im Abendblatt-Restaurant in der HafenCity zum 70. Geburtstag der Zeitung.
Gfrörer auf der Frankfurter Buchmesse
Das Vorwort hat Michael Hoffmann geschrieben. Er war Ende der 90er-Jahre Küchenchef im Restaurant Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten, Gfrörer machte dort seine Ausbildung und bezeichnet den Berliner noch heute als seinen Mentor. Hoffmann hat die Spitzengastronomie mit seiner Gemüseküche erneuert. er baut sein Gemüse seit März 2010 in seinem eigenen Garten im Berliner Umland an und pflegt dort rund 140 Sorten.
Auf der Frankfurter Buchmesse wird Matthias Gfrörer vom 16. bis 18. Oktober am Stand des Südwest Verlags kochen, zum Beispiel das Rote-Bete-Graupen-Risotto (siehe links oben auf dieser Seite). Dabei kann er sich mit Johann Lafer auf einen prominenten Assistenten verlassen.
Stevan Paul, Marianus von Hörsten und Matthias Gfrörer kommen mit ihren Büchern gerade recht zum Herbst, wenn man nicht mehr so viel Zeit draußen verbringt, sondern gerne Familie und Freunde bekocht und die Küche zum Mittelpunkt eines fröhlichen und leckeren Zusammenseins wird. Gutes Gelingen und guten Appetit!
Marianus von Hörsten
Zwiebel, Apfel und Harzer (für vier Personen):
300 Gramm Harzer Käse (Handkäs) in ein Zentimeter große Würfel schneiden und in eine Schüssel geben. Zwei Äpfel (Boskop oder Elstar) waschen, vierteln, entkernen und ebenso groß würfeln. Eine rote Zwiebel schälen und in feine Ringe schneiden. Ein halbes Bund glatte Petersilie abbrausen, trocken schütteln, die Blättchen abzupfen und hacken. Alles zum Käse geben. Salat mit 60 ml Apfelessig, 40 ml Öl, Salz und Pfeffer anmachen und 10–15 Minuten ziehen lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Den Backofen auf 160 Grad (Umluft) vorheizen. Vier gekaufte Vollkornbrötchen mit den Fingern so aufbrechen, dass sie an einer Stelle noch zusammenhängen, und die Hälften ein wenig auseinanderbiegen. Die »Schnittflächen« mit Butter bestreichen und die Brötchen im Ofen (Mitte) etwa 10 Minuten rösten.
Stevan Paul
Miesmuscheln, Zucchini, Tomate und Queller (für 4–6 Personen):
1,5–2 Kilogramm Miesmuscheln in kaltem Wasser waschen und die Bärte abziehen. Bereits geöffnete Muscheln nicht verwenden. Eine kleine Zucchini längs halbieren, in Scheiben schneiden, salzen und beiseitestellen. 150 Gramm Kirschtomaten längs vierteln, salzen und beiseitestellen. Ein kleines Bund Petersilie fein schneiden. Zwei Schalotten und eine Knoblauchzehe pellen und fein würfeln.
Zwei Esslöffel Olivenöl und 40 Gramm Butter im Topf erwärmen, Schalotten, Knoblauch und ein Lorbeerblatt glasig dünsten. Mit 50 Milliliter Weißwein ablöschen und aufkochen. Zucchini und Kirschtomaten zugeben, eine Minute schmoren, mit Salz würzen.
Die Muscheln mit Petersilie vermengen und acht bis zehn Minuten dämpfen. Nebenbei 100 Gramm Queller (auch Meeresspargel, Salicornes oder Passe Pierre genannt; beim Gemüsehändler vorher bestellen) in einer Pfanne in zwei Esslöffel heißem Olivenöl drei bis vier Minuten ganz leicht braten, nicht salzen. Muscheln mit Gemüse und Queller vermengen und sofort servieren.
Matthias Gfrörer
Rote-Bete-Graupen-Risotto
(für vier Personen):
Drei kleine Zwiebeln und zwei Knoblauchzehen schälen, in feine Würfel schneiden. In 50 ml Olivenöl glasig anschwitzen, 300 Gramm Perlgraupen dazugeben und kurz mitbraten. 50 ml trockenen Weißwein unter ständigem Rühen angießen und die Flüssigkeit vollständig verdampfen lassen. Zwei Lorbeerblätter hinzufügen.
Ein Liter Gemüsefond und 200 ml Rote-Bete-Saft nach und nach angießen und die Graupen 30 bis 40 Minuten bei milder Hitze al dente garen.
Mit Kräutersalz und frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer abschmecken. Lorbeerblätter entfernen, 100 Gramm Butter und 100 Gramm gereiften Ziegenkäse oder Pecorino unterrühren.
Heiß servieren.