Winsen. Güterverkehr mit Klimazielen vereinen: Bundesregierung fördert Projekt, das herkömmliche Diesellaster umrüsten will.

Gewerbegebiet Winsen-Ost: Für gewöhnlich kurven hier fast nur schwere Lkw herum. Der Onlinehändler Amazon betreibt hier ein großes Lager. Doch an diesem Morgen fahren auffallend viele schwarze Limousinen vor einer eher schmucklosen Halle vor.

Der Staatsrat der Hamburger Wirtschaftsbehörde, Torsten Sevecke, steigt aus, mehrere Hamburger Spediteure treffen ein. Die heimischen Bundestagsabgeordneten Michael Grosse-Brömer, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Svenja Stadler (SPD) sind auch da. Zudem der Direktor der Bundesanstalt für Verwaltungsaufgaben Klaus Frerichs und der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann (CDU). „Was wir hier zu sehen kriegen, ist ein technologisches Highlight“, sagt Ferlemann, bevor er die Halle betritt.

Schwerlast-Lkw mit Wasserstoffbetrieb in Winsen-Ost

Darin stehen einige aufgebockte Sattelschlepper, die gerade ausgeschlachtet werden und die beiden Männer, die den Auflauf der Politprominenz im Gewerbegebiet ausgelöst haben. Es sind zwei bekannte Hamburger Firmenlenker: Dirk Lehmann, der Chef der Firma Becker Marine Systems, die vor allem Ruder und Manövriersysteme für die Schifffahrt baut.

Lehmann ist der Erfinder der Power Barge „Hummel“, die aus flüssigem Erdgas Strom erzeugt, mit dem Kreuzfahrtschiffe während ihrer Liegezeit im Hafen versorgt werden können. Der andere ist Dirk Graszt, Vorstand der Spedition Hary AG, die mit 450 Lkw zu den Branchengrößen in Deutschland gehört.

Lehmann und Graszt haben ein Unternehmen namens Clean Logistics gegründet, das herkömmliche Schwerlast-Lkw auf Wasserstoffantrieb umstellen will. Das ist eine Neuheit, das Verfahren ist noch nicht bis zu Ende entwickelt. Aber die Bundesregierung setzt darauf, um den wachsenden Güterverkehr mit den eigenen Klimazielen in Einklang zu bringen. Denn wenn Wasserstoff mit Sauerstoff in einer Brennstoffzelle reagiert, entsteht Strom – ohne dass Feinstaub und das für das Klima schädliche Kohlendioxid (CO2) freigesetzt werden.

Güterverkehr mit Klimazielen vereinen

Für den Güterverkehr benötigt Deutschland angesichts des Klimawandels solche alternativen Antriebsarten. Zwei Millionen 40-Tonner transportieren täglich Waren durch Europa, ihre Dieselmotoren stoßen Feinstaub, Stickoxide und CO2 aus. Der Güterverkehr wird nach Ansichten des Bundesverkehrsministeriums bis zum Jahr 2030 um 39 Prozent wachsen.

„Wir wollen mehr Güter auf die Schiene und aufs Binnenschiff bringen, aber durch das Wachstum insgesamt wird kein Lkw weniger auf der Straße fahren“, sagt Ferlemann. „Andererseits haben wir die Klimaziele von Paris unterzeichnet. Wir benötigen also Lösungen.“

Mittelständische Schrauber zeigen der Industrie wie es geht

Bisher setzen die Automobilhersteller auf reine Batteriefahrzeuge. „Wenn ein 40-Tonner damit auf die Straße soll, dann transportiert er ganz viel Batterie und wenig Zuladung“, sagt Ferlemann. Auch die Idee, Lkw mit Stromabnehmern auszurüsten, die über Oberleitungen auf den Straßen mit Energie versorgt werden, hält der Staatssekretär für nicht zukunftsträchtig. „Wir testen das, aber ich glaube nicht, dass es funktioniert, die Straßen in ganz Deutschland mit Oberleitungen zu versehen. Die Lösung ist die Wasserstofftechnologie, aber kein deutscher Hersteller bietet das. Da müssen mittelständische Schrauber kommen, und zeigen wie das geht.“

Umwelttechnisch saubere Lösung gesucht

Spediteur Graszt sagt, er habe vor drei Jahren angefangen, sich damit zu befassen, wie er sein Geschäftsmodell in die Zukunft retten kann. „Ich bin von Lkw-Hersteller zu Lkw-Hersteller gelaufen, aber keiner konnte mir eine umwelttechnisch saubere und zugleich wirtschaftliche Lösung anbieten.“ Da habe er einen Film über Lehmann gesehen, der außer Becker Marine Systems mit E-cap Mobility ein Unternehmen zur Umrüstung von Privat- und Nutzfahrzeugen auf Elektroantrieb gegründet hat. „Den habe ich angesprochen, und seit eineinhalb Jahren verfolgen wir dieses neue Modell“, sagt Graszt. „Wir bauen alles um, Traktoren, Oldtimer Lokomotiven. Warum nicht auch 40-Tonner?“, ergänzt Lehmann.

Aber wie baut man einen 40-Tonner-Diesel auf Wasserstoffantrieb um? Der Lkw muss zunächst völlig entkernt werden. Anstelle des Motorblocks wird eine Batterie unter das Fahrerhaus gesetzt, die bis zu 400 Kilowattstunden Strom speichert. Das reicht für 400 bis 500 Kilometer weite Fahrten. Die Kraftstofftanks werden abmontiert und durch zwei Brennstoffzellen ersetzt. Kardanwelle und Getriebe verschwinden, stattdessen wird eine neue Hinterachse mit zwei Elektromotoren montiert. Die aber musste erst entwickelt werden. „Dazu haben wir nach langer Suche einen Achsen-Hersteller in Finnland gefunden. In Deutschland war kein namhafter Hersteller dazu bereit. Die hielten das für ein Wagnis“, sagt Lehmann.

Serienfertigung bereits ab 2021

Die Bundesregierung glaubt, dass die beiden Hamburger erfolgreich sein werden. Sie hat Förderbescheide über insgesamt 3,8 Millionen Euro ausgestellt, die Ferlemann an diesem Tag überreicht. Das ist die Hälfte der Summe, die Lehmann und Graszt benötigen. Fünf Prototypen wollen sie bauen, die Güter zwischen Hamburg und Salzgitter transportieren sollen. „Ab 2021 wollen wir dann in die Serienfertigung einsteigen“, sagt Graszt. „Wir haben bereits 10.000 Anfragen für Lkw-Umrüstungen bei Clean Logistics auf dem Tisch.“

Einige kommen von Axel Kröger, dem geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Spedition Konrad Zippel. „Wir transportieren Seefracht per Bahn zu unseren Kunden. Für die letzte Meile bis vor die Haustür setzen wir derzeit Fahrzeuge ein, die mit Bio-Methan angetrieben werden. Wenn wir dafür Wasserstoff-Lkw haben, können wir unseren Kunden sagen, dass unsere Transporte völlig CO2-frei sind.“

Dirk Lehmann hat schon einen Plan für die nächsten Schritte. „Wir wollen im September kommenden Jahres den ersten voll zugelassenen Wasserstoff-Lkw auf Hamburgs Straßen fahren lassen. Ich verspreche: Das schaffen wir.“, sagt er.