Hamburg. Hamburgs einziges Spezialgeschäft für die Pflanzen leiht sie auch aus – zum Beispiel für Werbekampagnen.
Die Pinzette liegt auf dem Ladentisch. Immer, wirklich immer. Für den Notfall. Wenn ein Stachel in der Haut steckt und raus muss. Und Notfälle wie diese gibt es oft, meistens mehrmals am Tag. „Berufsrisiko“, sagt Andrea Abramowski und lacht. Gerade eben ist es wieder passiert, als sie einen Blumentopf im Schaufenster verrücken wollte. Denn die Pflanze darin ist ein Kaktus – so wie jede andere Pflanze im Laden von Abramowski.
Denn die 32-Jährige betreibt in der Lindenallee den einzigen reinen Kakteen-Laden Hamburgs, vielleicht sogar Deutschlands. Als Cactus Concept Store versteht die Gründerin ihr Geschäft. Auf gerade mal 40 Quadrametern stehen Dutzende verschiedene Arten in jeder Größe – vom Mini-Kaktus für 1,50 Euro bis hin zum Zwei-Meter-Exemplar für fast 500 Euro. Auch wenn der Preis erst einmal abschreckt – ein Ladenhüter wird trotzdem nicht daraus.
50 bis 60 Stück hat sie in ihrer Wohnung
Erst vor wenigen Tagen hat Abramowski das teure Stück verkauft. Schweren Herzens. Denn auch wenn sie Geschäftsfrau ist und von den Umsätzen lebt – tief in ihrem Herzen ist sie vor allem Kakteen-Liebhaberin. 50 bis 60 Stück hat sie schon in ihrer Wohnung, Hunderte im Laden und im angeschlossenen Lager.
„Kakteen sind einfach treue Begleiter“, findet sie und erzählt, wie sie mit ihren Kakteen aus Kindheitstagen zu Hause aus- und dann hin- und hergezogen sei. Von Hamburg nach Uganda, dann nach Norwegen und irgendwann zurück nach Hamburg. „Eine Pflanze wäre da eingegangen, ein Kaktus nicht“, sagt Andrea Abramowski, die Migration und interkulturelle Beziehung studiert und lange in der Flüchtlingshilfe gearbeitet hat.
Kakteen sind die ideale Pflanzen für Großstädter
Dass ihre persönliche Liebe für die stacheligen Wüstenbewohner mal die Basis eines Geschäftsmodells bildet, hat sie nie so geplant. Es hat sich einfach so ergeben. „Ich hatte zwar schon immer davon geträumt, einen Laden zu eröffnen – auf die Idee mit den Kakteen bin ich aber erst später gekommen.“ Mit „später“ meint sie: Nachdem sie bereits ihren Job gekündigt und ein Gründerseminar besucht hatte.
„Irgendwann in dieser Zeit hat sich ‘Urban Jungle’ zu einem großen Thema entwickelt, und mir war gleich klar, dass Kakteen die ideale Pflanze für Großstädter sind, weil man sich mit ihr ein Stück Natur und Grün in die Wohnung holen kann, sie aber trotzdem so pflegeleicht sind, dass man weiter viel auf Achse sein kann“, sagt Abramowski, die selbst nach Holland gefahren ist, um dort die Kakteen zu kaufen. I
100 Euro pro Tag für Zwei-Meter-Kaktus
Inzwischen hat sich die Kakteen-Liebhaberin ein Netzwerk aus Gärtnern und Züchtern auch aus Norddeutschland aufgebaut, die sie mit ungewöhnlichen Exemplaren versorgen. Ihr Geschäftsplan ist aufgegangen – schneller, als sie selbst kalkuliert hat. Seit dem ersten Tag kann sie von dem Verkauf von Kakteen leben – und von der Vermietung.
„Rent a Kaktus!“ Was am Anfang nichts weiter als eine fixe Idee, ein kleines Zusatzgeschäft war, hat sich schnell zum Erfolgsfaktor entwickelt: Immer wieder fragen Werbeagenturen sowie Modefirmen an und mieten die Kakteen für Kampagnen: Tom Tailor, Edeka, Görtz. „Erst vor ein paar Wochen hingen überall in Hamburg riesige Werbeplakate der Görtz-Marke Cox mit meinen Kakteen drauf! Das war ein unglaubliches Gefühl“, sagt die Inhaberin, die pro Tag 20 Prozent des Verkaufspreises als Miete verlangt. Besonders begehrt: Ihr Zwei-Meter-Riesen-Kaktus, dessen Vermietung ihr täglich 100 Euro einbringt.
Zehn bis 15 Kunden am Tag
Etwa 20 Prozent des Umsatzes macht die Vermietung inzwischen aus. Zehn bis 15 Kunden hat sie täglich. „Laufkundschaft gibt es kaum. Die meisten kommen gezielt zu uns, viele sogar aus anderen Städten oder anderen Ländern.“ Neulich war eine Familie aus Schweden da, die sich gerade auf der Durchreise durch Hamburg befand und drei Kakteen für ihre drei Kinder gekauft hat.
Dass ein Kunde mehrere Kakteen kauft, ist keine Seltenheit. „Die Leute nehmen entweder einen großen Kaktus – oder drei oder vier kleine, die sie als Arrangement hinstellen“, sagt Abramowski. Für die meisten Kunden sei der Kaktus nicht einfach nur eine Pflanze oder irgendein Grünzeug, sondern ein Einrichtungsgegenstand, ein Stilmittel, mit dem ein Statement gesetzt werden solle. Auch wenn es manchmal pikst.