Hamburg. Die Firma Wonsak stellt Trockeneis her und beliefert Händler, das UKE – und Wacken-Fans. Auch beim neuen Musical wird sie mitmischen.
Den Spaghetti ist die Farbe ausgegangen. So sieht es auf den ersten Blick aus. Die Maschine presst dünne, weiße Stangen heraus. Dann fallen sie in eine große Wanne, einige zerbrechen. Nebel steigt auf. Mit der Herstellung der italienischen Hartweizenspeise hat das Szenario natürlich nichts zu tun. Der industriell geprägte Hinterhof in Stellingen wäre dafür auch wenig geeignet – für die Lebensmittelbranche ist der Familienbetrieb dennoch interessant.
„Wir stellen Trockeneis in allen Formen selbst her“, sagt Firmenchef Michael Wonsak. Trockeneis ist festes Kohlendioxid (CO2) und minus 79 Grad Celsius kalt. In Hamburg gebe es nur einen ernsthaften Konkurrenten: die Firma Linde. Der DAX-Konzern spezialisierte sich allerdings auf die Industrie und große Abnehmer. „Wir machen alles, was eine Nummer kleiner ist“, sagt der 55 Jahre alte studierte Betriebswirt.
Bei Wacken-Fans ist die Firma ein Geheimtipp
Das Sortiment beginnt mit den 1,5 bis drei Millimeter großen Strahlpellets – den weißen Spaghetti – und reicht bis zu 2,5 Kilogramm schweren Blöcken. Sie werden verwendet, um größere Sendungen beim Transport zu kühlen. Zu den Kunden würden beispielsweise der Lebensmittel- und Tabakwarengroßhändler Lekkerland und die italienische Handelskette Andronaco gehören. Häufig verzichten Firmen auf den Kauf von Kühllastern und befördern die Waren gemischt, sagt Michael Wonsak. Für die richtige Temperatur der zu kühlenden Produkte sorgt dann das Trockeneis. Bei Proben für Labore und Krankenhäuser wie dem UKE wird dabei auf kleinere Nuggets gesetzt, die etwa zehn Millimeter dick sind. Auch Speisen auf Büfetts werden mit Trockeneis gekühlt.
Bei Endkunden stark gefragt sind die CoolBags. Die in Folien verschweißten 900 Gramm schweren Scheiben sind bei Musikfans beliebt. Unter den Fans des Heavy-Metal-Spektakels in Wacken gilt die Firma an der Kieler Straße als Geheimtipp. Selbst aus dem Norden würden viele Metal-Fans den Umweg über Hamburg machen, um auf dem Festivalgelände kalte Getränke zu genießen, sagt Ehefrau Martina Wonsak, 56.
Ein Kilo Trockeneis kostet 2,40 Euro
Häufig wird ein Zehn-Kilo-Paket verkauft. Das würde für fünf Personen und drei bis vier Tage reichen. Kosten pro Kilo: 2,40 Euro. Dazu kommt die Styroporbox für 14 Euro. In 24 Stunden verdunsten etwa 20 Prozent des Gases. Je öfter die Kiste geöffnet wird und je mehr Luft drin ist, umso schneller läuft dieser Prozess ab. Gekühlt wird indirekt über Wasser. Beispielsweise wird eine Bierkiste in eine Wanne mit Wasser gepackt. Die Trockeneisscheiben – die man wegen der Kälte immer mit Handschuhen anfassen sollte – kommen seitlich dazu. „Die Kiste ist in zehn Minuten kalt“, sagt Martina Wonsak.
Je heißer das Wasser ist, desto stärker ist die Nebelentwicklung. Dieser Effekt wird bei Musikacts oder Shows verwendet. Wenn im nächsten Jahr das Musical „Harry Potter“ in Hamburg aufgeführt wird, sollen die Gase für die Tricks aus dem familieneigenen Betrieb kommen, sagen die Wonsaks. Der künstliche Nebel sei auch bei Hochzeiten im arabischen Raum beliebt. Fast jedes Wochenende werde eine der zehn Bodennebelmaschinen für eine solche Feier verliehen. 49 Euro kostet dies, hinzu kommt die Menge des benötigten Trockeneises.
1200 Kilogramm pro Stunde
Seit 2007 verkauft die Firma Trockeneis. Vier Jahre später investierte sie und kaufte zwei Doppelmaschinen, um in die Herstellung einzusteigen. „Wir können pro Stunde 1200 Kilogramm Trockeneis produzieren“, sagt Michael Wonsak. In der Woche sind es etwa 35 Tonnen. Das verwendete CO2 sei übrigens ein Abfallprodukt, das in der Düngemittelherstellung und in Biogasanlagen entstehe. Es wird aufgefangen, gereinigt und in verflüssigter Form an Wonsak geliefert. „Genau genommen ist es Recycling“, sagt Michael Wonsak: „Das CO2 würde sonst in die Luft gehen“, sagt seine Frau. Seit 2013 verwende man zum Wohl des Umweltschutzes Ökostrom.
2018 erlöste das Unternehmen mit 18 Mitarbeitern rund 2,5 Millionen Euro. Tendenz steigend. „Der Umsatz hat sich in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht“, sagt Michael Wonsak. Um für die Zukunft gewappnet zu sein, wurde ein benachbartes Grundstück gepachtet. Dort ist der Neubau einer Halle geplant, um Lager- und Verpackungsflächen ausweiten zu können. Der eigene Onlineshop soll anschließend vergrößert werden. Erwogen wird dann zudem das Abfüllen kleiner CO2-Zylinder, die in privaten Haushalten in Wassersprudelgeräten wie Sodastream eingesetzt werden. Oder der Einstieg in das Geschäft mit CO2-Feuerlöschanlagen auf Schiffen.
Kohlensäureflaschen für HSV und FC St. Pauli
Das Trockeneis hat einen Anteil von 40 Prozent am Umsatz der Firma. Die Hälfte steuert der Handel mit Kohlensäureflaschen bei, die in der Gastronomie für Bierzapfanlagen gebraucht werden. Es ist die Keimzelle der Firma, die mit vollem Namen Wonsak Kohlensäure Service heißt. 1971 gründete Michael Wonsaks Vater Manfred den Betrieb in Altona. Seit Anfang der 90er-Jahre ist Stellingen der Firmensitz. „Wir haben etwa 70 Prozent Marktanteil in der Hamburger Gastronomie“, sagt Martina Wonsak.
Alles, was Rang und Namen in der Szene hat, beliefern die Wonsaks nach eigenen Angaben: Block House, Schweinske, Mö Grill, die Hotels The Fontenay und Vier Jahreszeiten sowie die Fußballstadien des HSV und des FC St. Pauli. Zudem werden in Büros von Firmen wie Beiersdorf und Allianz in Tafelwasseranlagen die CO2-Flaschen ausgetauscht. 98 Prozent seien Stammkunden. Mit den sechs Firmenautos werde die Ware – darunter auch technische Gase und Helium für Ballons – bis nach Flensburg, Stade und Lüneburg geliefert.
Die letzten zehn Prozent zum Umsatz steuert der Verleih von Bodennebelmaschinen und Reinigungsgeräten bei. Beim Trockeneisstrahlen kommen die „weißen Spaghetti“ zum Einsatz. Die Strahlpellets werden mit bis zu 16 Bar Druckluft auf verschmutzte Fläche geschossen. Die Verunreinigung gefriert, wird spröde und bekommt Risse. Die nächsten Pellets dringen durch die Risse in die Verschmutzung ein, lösen sie und verdampfen. Kleberückstände und Farbschmierereien könnten so rückstandslos und wasserfrei abgelöst werden.