Hamburg. Jan van Schwamen will mit der neuen Marke Community Cola durchstarten – und dabei soziale Projekte in der Metropolregion fördern.
Jan van Schwamen steht in der ersten Etage der Rindermarkthalle in einem kleinen Raum. Er geht zum Regal, greift eine von vielen kleinen braunen Fläschchen, schraubt sie auf und riecht daran. Es duftet nach einer Mischung aus verschiedenen ätherischen Ölen. „In diesem Labor habe ich zahlreiche einsame Stunden verbracht“, sagt der 30-Jährige. Nach vielen Wochen hatte der studierte Lebensmittelwissenschaftler seine persönliche Erfolgsformel für eines der bekanntesten Getränke der Welt gefunden: die Rezeptur für seine eigene Cola. Nun will van Schwamen mit der Marke Community Cola, die zugleich einen sozialen Anspruch hat, durchstarten: „Im Jahr 2019 möchte ich eine halbe Million Flaschen verkaufen.“
Auf die Idee für das Produkt kam er bei seinem früheren Arbeitgeber. Nach dem Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg ging er 2011 als Praktikant zu Lemonaid. Später entwickelte er als Angestellter neue Produkte und erlebte, wie der Hersteller von Biolimonaden mit echtem Fruchtsaft eine erfolgreiche Wachstumsgeschichte hinlegte. „Wenn man so viele Jahren Limo und Eistee gemacht hat, findet man immer Anregungen – wie für eine Cola“, sagt van Schwamen.
"Cola war immer der heilige Gral"
Zunächst schob er aber noch ein zweites Studium dazwischen und machte seinen Master in Betriebswirtschaftslehre. Der Kontakt zu seinem früheren Arbeitgeber riss nicht ab. Nach seiner Rückkehr aus Straßburg fand er im Jahr 2016 als Untermieter bei Lemonaid in der Rindermarkthalle Unterschlupf und machte sich mit seiner Firma Schmeckt GmbH selbstständig: „Ich hatte das Gefühl, es ist Zeit für etwas Neues. Cola war aus Produktentwicklersicht immer der heilige Gral.“
Das Rezept für Coca-Cola, eine der bekanntesten Marken der Welt, liegt sagenumwoben am Konzernsitz in Atlanta (USA) gut verschlossen in einem Tresor. Als hauptsächliche Geschmacksträger gelten laut dem Internet-Lexikon Wikipedia echte Vanille-, Orangen-, Zitronen- und Zimtöle, für den sauren Geschmack sorgt Phosphorsäure – und natürlich ist eine Menge Zucker in der schwarzen Brause drin.
Fairtrade – und der Rest bleibt ein Geheimnis
Neue Getränke würden zumeist von den großen Duft- und Aromenherstellern für die Getränkeindustrie entwickelt, sagt van Schwamen und fragte sich: „Kriegt man das nicht selber hin?“ Er bestellte die Zutaten. Fairtrade-zertifizierten Zucker, damit auch die Kleinbauernfamilie als Rohstoffhersteller etwas davon habe. Ätherische Öle wie Zimt, Muskat, Zitrone, Vanille und Colanuss standen auf seiner Einkaufsliste – die restlichen Gewürzbestandteile verrät auch er nicht. Dann begann zu experimentieren. „Schon der erste Versuch schmeckte nach Cola, war aber übersteuert: Es war von allem zu viel drin“, erinnert er sich. Jede der kleinen braunen Fläschchen im Labor steht für einen Versuch. Teilweise wurden nur Nuancen verändert. Knapp 50 Anläufe brauchte er, dann hatte er sein Rezept gefunden. Den Geschmackstest im Bekanntenkreis und auf der Straße bestand die Cola.
Fehlte noch der Name. Nach einem Brainstorming mit Benjamin Adrion, Initiator des Hilfsprojekts Viva con Agua de Sankt Pauli, stand er dann fest: Community Cola. Die Cola für die Gemeinschaft oder Gemeinde, wie man das Wort übersetzen kann. Er übernahm dabei ein Prinzip von Lemonaid und wandelte es ab. Sein früherer Arbeitgeber gibt pro verkaufter Flasche fünf Cent an den gemeinnützigen Verein Lemonaid & ChariTea, der soziale Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern fördert. Community Cola hingegen will soziale und kulturelle Projekte in der Nachbarschaft sponsern, in der die Flasche erworben wurde. „Jede verkaufte Flasche in Hamburg soll ein Projekt in Hamburg unterstützen“, sagt van Schwamen. Pro verkaufter Kiste geht ein Euro in ein Hilfsprojekt, heruntergerechnet auf eine Flasche sind das 4,2 Cent.
Internetnutzer stimmen über soziales Projekt ab
Welches Projekt ausgewählt wird, entscheiden die Internetnutzer auf der Firmenhomepage. In der Hansestadt gibt es derzeit die Auswahl unter zwei Angeboten. Die MUT Academy begleitet Schüler aus einem herausfordernden sozialen Umfeld auf dem Weg zum Schulabschluss und beim Start in den Beruf. In fünftägigen Camps, die durch den Teil der Verkaufserlöse bezahlt werden könnten, sollen ihnen in Seminaren und durch Mentoren neue Perspektiven aufgezeigt werden. Alternativ zur Abstimmung steht der Catering-Service Chickpeace. In dem Projekt kochen geflüchtete Frauen Lieblingsspeisen aus ihrem Heimatland und beliefern damit Veranstaltungen. Mit dem Geld könnte eine zweite Kochstelle finanziert werden.
Bisher stehen lediglich Projekte in Hamburg und Berlin zur Auswahl, weil nur dort wirklich relevante Summen zusammenkämen, sagt van Schwamen. Die Einnahmen aus anderen Regionen fließen derzeit noch in die Töpfe für die beiden größten deutschen Städte. Das soll sich mit wachsendem Absatz aber möglichst schnell ändern. Demnächst will er erstmals Geld an eine Organisation übergeben.
Community Cola wird in NRW abgefüllt
Schließlich ist Community Cola noch recht neu auf dem Markt. Zunächst musste van Schwamen einen Abfüllbetrieb finden. Bei einem Mineralbrunnen-Traditionsbetrieb in Nordrhein-Westfalen gelang ihm dies. Dann musste er die Rezeptur auf einen industriellen Maßstab umrechnen. Seit etwa einem Jahr ist sie erhältlich. Beim Vertrieb kooperiert er mit Lemonaid.
„Der Fokus liegt auf der Gastronomie, weil die Leute dort Lust auf etwas Neues haben“, sagt van Schwamen. So werde seine Cola in bundesweit rund 250 Restaurants und Kneipen ausgeschenkt. In Hamburg seien beispielsweise die Hobenköök, das Überquell und die Kaffeerösterei Speicherstadt darunter. Im Handel würden die großen Edeka-Märkte von Struve, Niemerszein und das Center St. Pauli in der Rindermarkthalle Community Cola führen. 99 Cent wurden als Preis in den Märkten gesehen, damit ist die 0,33-Liter-Flasche zum Beispiel zehn Cent teurer als Fritz Cola.
Es gibt sie in zwei Varianten, die beide vegan sind: mit Zucker und fairtradezertifiziert sowie ohne Zucker mit einem Süßungsmittelgemisch aus Natriumcyclamat, Sucralose und Natriumsaccharin – ohne Fairtradesiegel, weil es die Zuckerersatzstoffe nicht mit dieser Auszeichnung gibt. Auch bio sei nicht möglich, weil die notwendigen Stoffe Zuckerkulör und Phosphorsäure nicht als ökologisch erzeugte Produkte vorhanden sind. Gewinn erziele er mit seiner jungen Firma übrigens noch nicht, das spiele auch noch eine untergeordnete Rolle, sagt van Schwamen: „Es geht nicht darum, dass wir mit einer großen Schubkarre voller Geld nach Hause fahren.