Hamburg. Die Unternehmen des Familienimperiums wollen Einkaufswelten miteinander verbinden. Das ist konkret geplant.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ein gemeinsamer Auftritt der Chefs der Otto-Gruppe und ECE in der Öffentlichkeit quasi unmöglich war. Und das, obwohl die Firmenzentralen nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind und beide zum Imperium der Familie Otto gehören. Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt haben der Online-Händler und der Marktführer im Bereich Einkaufszentren das erste gemeinsame Einzelhandelsprojekt angekündigt. In der neuen Allianz sollen stationärer Handel und Internet-Shopping stärker vernetzt werden. „Wir werden einen Marktstandard setzen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Otto-Gruppe, Alexander Birken, selbstbewusst. Zu der Vorstellung der Kooperation am Mittwoch hatten die Partner übrigens weder in die Räume von Otto noch von ECE eingeladen, sondern an einem neutralen Ort in einem gemieteten Konferenzraum über den Dächern der Hamburger Innenstadt.

Die Idee, berichtete Alexander Otto, ECE-Geschäftsführer und jüngster Sohn von Firmengründer Werner Otto, sei am Rande einer Konferenz bei einem Spaziergang in Travemünde entstanden. „Online suchen und stationär finden, das passt zusammen, wenn marktführende Unternehmen sich finden“, so Otto. ECE betreibt ein Netz von bundesweit 90 Shopping-Centern, die von nahezu 60 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 30 Pkw-Minuten erreicht werden können.

Geplant ist eine Reservierungsfunktion

Otto.de ist mit drei Millionen Produkten und sieben Millionen aktiven Kunden nach Amazon der zweigrößte E-Commerce-Händler in Deutschland. Künftig können Kunden auf der Otto-Webseite sehen, ob ein gewünschtes Produkt in einem Laden der ECE-Center vorrätig ist. „Mit dem gemeinsamen Projekt bringen wir unser Wissen aus beiden Welten zusammen und stärken den stationären Handel. Da leisten wir echte Pionierarbeit.“ Zugleich solle die Reichweite von otto.de ausgeweitet werden. Nach eigenen Angaben ist die neue Allianz bislang einzigartig.

Zum Start wird die Verfügbarkeit von 20.000 Artikeln von sechs ausgewählten Partnern in 236 Läden innerhalb der ECE-Center und im eigenen Filialnetzwerk sichtbar. Dabei sind die Modeanbieter Marc O’Polo, Ulla Popken und Brax, Schuhhändler Reno sowie die Otto-Unternehmen MyToys und Sportscheck. Angezeigt werden zudem der Preis, Adresse, Öffnungszeiten und die Kontaktinformationen des jeweiligen Geschäfts. Die Anbindung weiterer Händler soll nach und nach folgen. „Wir wollen die Zahl der Artikel schnell verzehnfachen“, sagte Marc Opelt, der als Vorsitzender des Bereichsvorstandes die Geschäfte des Online-Händlers verantwortet. Geplant ist, das Serviceangebot um eine Reservierungsfunktion zu erweitern sowie die Möglichkeit, lokal verfügbare Produkte online über otto.de zu bezahlen und sich am selben Tag nach Hause liefern zu lassen. „Wir schlagen für die Kunden eine Brücke zwischen Online- und Offlinehandel“, sagte Birken. Einen konkreten Zeitplan nannten die Unternehmen nicht. Auch zur Investitionshöhe machten sie keine Angaben.

In der Pilotphase ist der Service für Händler kostenlos

Die technische Umsetzung läuft über das Gemeinschaftsunternehmen Stocksquare, an dem Otto und ECE zu jeweils 50 Prozent beteiligt sind. Das Konzept, das unter dem Namen Connected Commerce läuft, ist eine Weiterentwicklung der sogenannten Digital Mall, über die ECE-Kunden auf den Internetseiten der Shopping Center prüfen können, ob gesuchte Waren in den Läden vorrätig sind. Pilotstandort war das Alstertal Einkaufszentrum in Poppenbüttel, inzwischen sind 45 Partner in elf Digital Malls gelistet – davon sind die ersten sechs auch bei otto.de sichtbar. „Die Resonanz der Händler ist positiv“, sagte ECE-Digitalchef Philipp Sepehr. Er hat 5600 der insgesamt etwa 10.000 Läden im ECE-Universum als potenzielle Teilnehmer für das Serviceangebot ausgemacht.

In der ersten Phase ist die Otto-Online-Präsenz kostenlos. In Zukunft sollen für alle transparente Monatsgebühren eingeführt werden. Der Mehrwert für die Händler seien 1,6 Millionen Besucher täglich auf der Otto-Internetseite. Damit sei das Angebot auch für kleine Anbieter interessant, die sich keinen eigenen Online-Auftritt leisten könnten, sagte Otto-Group-Chef Birken. „Es ist ein offenes System. Die Anbindung von Händlern außerhalb der ECE-Center ist möglich, perspektivisch auch von anderen Online-Plattformen“, hieß es.

Otto.de zweigrößter E-Commerce-Händler in Deutschland

Dass Otto und – die wirtschaftliche unabhängige – ECE, erstmals direkt zusammenarbeiten, hat nicht zuletzt mit dem veränderten Kaufverhalten zu tun. Die Schwesterunternehmen reagieren und experimentieren mit neuen Konzepten. So hatte die Otto-Tochter Bonprix in der Mönckebergstraße einen Pilotshop mit einem digitalen Einkaufskonzept eröffnet. Zugleich geraten auch die erfolgsverwöhnten Shopping-Center der ECE-Gruppe wegen der wachsenden Bedeutung des Online-Handels stärker unter Druck. Geschäftsführer Alexander Otto räumte „leicht abnehmende Frequenzen“ ein. Bereits seit längerem baut ECE in den Centern die Gastromonieangebote aus, wie etwa den Food Sky im Europa Center, um mehr Kunden in die Center zu locken. Das Kooperationsprojekt ist eine weitere Initiative zur Stärkung des Stationärhandels. „Künftig wird es für Kunden normal sein, ähnlich wie bei Hotelzimmern oder Kinokarten, die Verfügbarkeit von Produkten online zu checken“, so Otto.