Hamburg. Nach langer Krise geht es mit der maritimen Wirtschaft aufwärts. Das Abendblatt analysiert Hafen, Schiffbau, Reedereien.

Nach Ebbe kommt Flut. Ein konjunkturelles Auf und Ab ist für die maritime Branche in Hamburg so selbstverständlich wie der Wandel der Gezeiten. Infolge der Schifffahrtskrise 2007 haben zahlreiche Firmen über Jahre gelitten. Jetzt spüren sie Rückenwind. Das Abendblatt zeigt auf, wer vom Aufschwung besonders profitiert.

Hafen: Der Hamburger Hafen ist durch die Schifffahrtskrise um Jahre zurückgeworfen worden. Lag das Umschlagsaufkommen vor der Krise knapp unter zehn Millionen Standardcontainern (TEU) im Jahr, fiel es 2009 auf sieben Millionen TEU und stabilisierte sich in den vergangenen Jahren unterhalb von neun Millionen TEU. Da aber die Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen Marktanteile hinzugewannen, hängten sie Hamburg deutlich ab. Jetzt geht es in die andere Richtung. „Wir werden die neun Millionen TEU in diesem Jahr sicher knacken“, heißt es aus dem Hafen.

Bereits im ersten Quartal konnte der Containerumschlag um 6,4 Prozent auf 2,3 Millionen TEU steigen. „Auch das zweite Quartal ist gut verlaufen“, sagt Axel Mattern, Vorstand der Marketingorganisation des Hafens. Sie stellt gerade die Zahlen zusammen und will sie im August veröffentlichen. Sicher ist bereits: Hamburg gewinnt Marktanteile zurück. „Die Hafenwirtschaft spürt erstmals nach langer Zeit wieder Rückenwind“, sagt Norman Zurke, Geschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH). „Das zeigen auch die Neu­einstellungen.“

Weiterer Schub für das Hafenwachstum durch Elbvertiefung

Rund 200 Arbeitsplätze würden derzeit von den Unternehmen zusätzlich bereitgestellt. Antreiber sind Schifffahrtslinien, die mehr Waren nach Hamburg bringen. So hat die Reederei Hapag-Lloyd die Abfertigung ihrer Amerika-Dienste in Hamburg konzentriert, davon profitiert auch die HHLA. Im ersten Quartal war der Containerumschlag der HHLA noch leicht gesunken. im zweiten Quartal hat sich das gedreht. Die HHLA wird am 14. August ihre Halbjahresergebnisse vorstellen.

Der Terminalbetreiber Eurogate gewann einen Asiendienst von Hyundai Merchant Marine hinzu und einen CMA CGM-Dienst. Der Containerumschlag wuchs in den ersten drei Monaten um sagenhafte 41 Prozent. Im Oktober wird Hapag-Lloyd eine neue Linie nach Indien eröffnen, die zusätzlich Ladung nach Hamburg bringt. Einen weiteren Schub für das Hafenwachstum dürfte die Elbvertiefung bringen, deren Baggerarbeiten vor Kurzem starteten. „Allein die Begegnungsbox, die bereits Ende des Jahres fertig sein soll, kann theoretisch bewirken, dass wir annäherend die doppelte Anzahl an großen Schiffen in Hamburg abfertigen können“, so Mattern.

Reedereien: Die beiden Hamburger Linienreedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd vermelden Wachstum. Hapag-Lloyd hat das erste Quartal mit einem Betriebsergebnis (Ebit) von 214 Millionen Euro abgeschlossen – das war viermal so viel wie im gleichen Vorjahreszeitraum. „Auch das zweite Quartal ist positiv verlaufen“, sagt Unternehmenssprecher Nils Haupt. Hapag-Lloyd wird die Zahlen am 7. August veröffentlichen. Auch die Reederei Hamburg Süd, die nach dem Verkauf an Maersk keine eigenen Zahlen mehr veröffentlicht, gibt sich entspannt. „Das erste Quartal ist für die Hamburg Süd ergebnismäßig sehr zufriedenstellend gelaufen“, sagte eine Sprecherin. Die Zugehörigkeit zu Maersk wirke sich positiv aus und macht sich bezahlt, da bei der Zusammenarbeit Synergien gehoben werden könnten. „Insgesamt sind wir bei der Hamburg Süd bisher mit dem Jahr 2019 zufrieden.“

89 Prozent der Reedereien berichten von voll ausgelasteten Flotten

Christian Cohrs, Analyst von Warburg Research, ist in seiner Beurteilung vorsichtiger: „Das zweite Quartal dürfte für die Reedereien ordentlich verlaufen sein. Entscheidend ist aber für das Gesamtjahr, wie angesichts der konjunkturellen Eintrübung das für die Schifffahrt wichtige dritte Quartal verläuft.“ Der World Container Index, in dem die derzeitigen Frachtraten am Spotmarkt abgebildet werden, habe zuletzt acht Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen. „Das ist zwar noch kein Drama, für Sektlaune gibt es aber auch keinen Anlass“, so Cohrs. Etwas weniger rosig wird auch die Lage der Charterreedereien eingeschätzt, von denen viele in Hamburg sitzen. Laut der jüngsten Schifffahrtsstudie des Wirtschaftsberaters PwC berichten 89 Prozent der Reedereien von voll ausgelasteten Flotten. Die konjunkturellen Aussichten beurteilen die Unternehmen aber skeptischer. Strengere Umweltauflagen und die Digitalisierung erfordern hohe Investitionen in die Modernisierung der Schiffe. Vor allem kleinere Unternehmen tun sich damit schwer. Hinzu kommt, dass deutsche Banken aus der Schiffsfinanzierung weitgehend ausgestiegen sind.

Schiffbau: Nach der Insolvenz 2011 und der Übernahme durch ein russisches Unternehmen 2014 fasst die kleine Pella Sietas Werft mit ihren 300 Mitarbeitern wieder Tritt. In diesem Jahr wird ein großes Baggerschiff für den Bund fertiggestellt. Zudem baut die Werft eine Fähre für den Bodensee. Sichtbar aufwärts geht es bei Blohm+Voss. Hier ist der neue Eigentümer, die Bremer Werftengruppe Lürssen, dabei, mit gezielten Investitionen die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. 20 Millionen Euro hat das Familienunternehmen bereits in die Weiterentwicklung von Blohm+Voss gesteckt.

Lürssen will 15 Millionen Euro investieren

Vor wenigen Tagen kündigte Lürssen an, weitere 15 Millionen Euro zu investieren: Blohm+Voss soll künftig über eines der größten überdachten Schwimmdocks verfügen. Erstmals seit der Ablieferung der „Palladium“ im Jahr 2010 arbeitet Blohm+Voss bald auch wieder an einer neuen Yacht. Es handelt sich um einen Lürssen-Auftrag, für den ein Großteil der Arbeiten in Hamburg erfolgt. „Mit dem überdachten Schwimmdock erhält der Hamburger Standort einen großen Wettbewerbsvorteil. Es versetzt uns in die Lage, wetterunabhängig zu jeder Jahreszeit zu arbeiten, und bietet unseren Mitarbeitern deutlich verbesserte Arbeits­bedingungen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter, Peter Lürßen.

Schiffsmakler: Eine positive Grundstimmung hat auch die Schiffsmakler erfasst. „Nach Jahren der Insolvenzen, Übernahmen und Firmenaufgaben sehen wir ein Ende der Konsolidierung“, sagt der Geschäftsführer des Verbands Hamburger und Bremer Schiffsmakler (VHBS), Alexander Geisler. Auch der Beginn der Arbeiten an der Fahrrinne auf der Elbe wurde positiv bei den Reedern aufgenommen. Es ist ein sehr gutes Signal, dass etwas passiert am Standort Deutschland.“ Geisler erinnert auch daran, dass die großen Containerhäfen Hamburg und Bremerhaven dank ihrer sehr guten Bahnanbindungen ins Hinterland enorme Vorteile gegenüber den Wettbewerbern haben.

Eine solche leistungsfähige Infrastruktur könne nicht einfach über Nacht an anderen Standorten aufgebaut werden. „Viele Unternehmen würden gerne weiter einstellen und suchen Personal. Leider sehen wir seit etwa einem Jahr einen Rückgang der Auszubildendenzahlen, sodass dieser Pool sinkt“, sagt Geisler. Die Gründe hierfür seien vielschichtig, so sei die absolute Zahl der Schulabgänger rückläufig, und viele junge Menschen entschieden sich zunächst für ein Studium. Die Unternehmen bieten zugleich mehr Lehrstellen an, und der Verband erhöht seine Werbemaßnahmen. „Schifffahrt hat auch weiterhin Zukunft, denn sie wird es immer geben und damit auch einen Bedarf an gut ausgebildeten jungen Menschen, besonders in Hamburg“, ist sich Geisler sicher.