Hamburg. Hubschrauber und Polizeiboote mussten den Dampfer schützen, auf dem die Prominenz um Bundesminister Scheuer feierte. Erste Reaktionen.
Umweltschützer haben mit Protestaktionen den offiziellen Beginn der Elbvertiefung gestört. Mit zahlreichen Booten kreuzten sie auf der Elbe oberhalb Wedels und zwangen das Fahrgastschiff mit dem Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der den Startschuss für das Baggerprojekt setzen wollte zum beidrehen.
Proteste zu Wasser ...
In der Fahrrinne hatten protestierende Fischer ihre Netze ausgeworfen, so dass die Schifffahrt streckenweise blockiert war. Auch Sportboote kreuzten in der Fahrrinne und bedrängten das Schiff der Offiziellen, zeigten Transparente und lärmten mit Trillerpfeifen. Ein Polizeihubschrauber stieg auf. Auch die Wasserschutzpolizei versuchte mit mehreren Booten, dem mit Prominenz aus Politik, Verwaltung und Hafenwirtschaft besetzten Fahrgastschiff den Weg zu bahnen. Lange Zeit vergebens.
… und zu Lande in Wedel
Bereits zu Beginn der Veranstaltung hatten rund 30 Vertreter der Umweltverbände BUND und Nabu vor dem Schulauer Fähranleger in Wedel demonstriert, wo Scheuer das Schiff bestiegen hatte. In ihrem Protest fordern die Umweltverbände, das geschätzt 776 Millionen Euro teure Projekt aufzugeben. Aufhalten können sie es nicht mehr. Nach endlosen Prozessen steht der Planfeststellungsbeschluss seit Oktober 2018, der Baustopp wurde aufgehoben. Die Baggerarbeiten haben begonnen. Der Startschuss von Scheuer war nur symbolischer Natur.
Mehr Tiefgang für mehr Tonnage
Künftig sollen Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Meter unabhängig von Ebbe und Flut den Hamburger Hafen erreichen oder verlassen können. Auf der Flutwelle darf der zulässige Tiefgang 14,50 Meter betragen. Zudem wird die Fahrrinne verbreitert und eine Begegnungsbox für Schiffe bei Wedel gebaut.
Damit wird aus einer Einbahnstraße ein Schifffahrtsweg, der in beiden Richtungen befahren werden kann. Insgesamt könnten durch die Elbvertiefung bis zu drei Millionen Container zusätzlich nach Hamburg gelangen, ohne dass die Reedereien mehr Schiffe einsetzen müssten.
Der alte Streit brach wieder auf
Die Elbvertiefung war spätestens seit dem Beginn der Planfeststellung im Jahr 2006 heftig umstritten. Während die Schifffahrt und die Hafenwirtschaft auf die Anpassung der Fahrrinne drängten, hielten Umwelt- und Naturschutzverbände die Maßnahme für überflüssig und schädlich. Fischer fürchteten um ihre Fänge, Obstbauern im Alten Land um ihre Ernte, Elbgemeinden vor allem in Niedersachsen um die Sicherheit der Deiche.
Der Hamburger BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch erneuerte seine Kritik, die mit einer Protestaktion in Wedel begleitet wurde. „Trotz völlig veränderter Wirtschaftsbedingungen, einer sich aktuell verschlechternden Situation der Tideelbe und Alternativen wie einer Hafenkooperation halten Bundesverkehrsminister Scheuer und Wirtschaftssenator Westhagemann an der umstrittenen Vertiefung fest und haben offensichtlich nicht den Mut, das Projekt zu stoppen“, sagte Braasch auch im Namen von Nabu und WWF.
Bund und Land setzten die Kosten niedriger an
Die Naturschützer taxieren die Kosten des Projekt auf 900 Millionen Euro, die Planer gehen von geschätzt rund 776 Millionen Euro aus, wovon der Bund 490 Millionen Euro übernehmen wird.
Gründe für einen Projektstopp gibt es laut Braasch viele. So wie man bei der Planung für die Elbvertiefung vor gut 15 Jahren von 28 Millionen Containern pro Jahr bis 2025 ausgegangen war. Seitdem hätten sich die Rahmenbedingungen grundlegend geändert. Unabhängig von der Elbvertiefung werde heute laut Braasch nur noch ein Umschlagsvolumen von zehn bis zwölf Millionen Containern für realistisch gehalten. Gerade in den letzten vier Jahren haben sich auch der Tidenhub, die Trübung der Elbe und die Lebensbedingungen für die Fischfauna verschlechtert. Dies werde insbesondere am jährlich wiederkehrenden Sauerstoffloch und dem stark einbrechenden Stintbestand deutlich.
Auch die Grünen stehen hinter dem Projekt
Der Hamburger Senat stand sowohl zu Zeiten der SPD-Alleinregierung als auch in seiner heutigen Zusammensetzung mit den Grünen hinter dem Projekt, das vor allem der frühere Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) vorantrieb. Am Ende wurden viele Bedenken ausgeräumt oder nach Gerichtsurteilen beseitigt. Die Planungen mussten mehrfach überarbeitet und ergänzt werden. Die Gerichtsverfahren laufen weiter, aber der Baustopp ist aufgehoben.
Neben Scheuer sprachen Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos), der Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, Gunther Bonz, sowie Vertreter der Reederei Hapag-Lloyd und der Wasserbaufirma DEME zu den Gästen der behinderten Schiffsausfahrt zu den Schauplätzen der Elbvertiefung. Begrüßt wurden die Gäste von den Bauherren, dem Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Hans-Heinrich Witte und dem Chef der Hamburger Senatskanzlei, Jan Pörksen. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist im Urlaub.
CDU begrüßt den Start der Bauarbeiten
Die CDU begrüßte den Start der Baggerarbeiten. „Wir sind sehr erleichtert, dass die Umsetzung des lange geplanten Projektes zur Fahrrinnenanpassung, nun – nach sage und schreibe 17 Jahren – endlich beginnt, sagte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Ralf Niedmers. "Das ist zweifelsohne eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte für die Hafenwirtschaft und ein bedeutendes Signal an die weltweite Schifffahrt, dass Hamburg auch zukünftig eine starke Handelsmetropole bleiben wird."
FDP: Bagger-Desaster muss dringend beendet werden
Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Kruse freute sich, dass die Arbeiten zur Begegnungsbox nun beginnen. "Der Hamburger Hafen braucht die Beseitigung dieses Nadelöhrs dringender denn je", sagte Kruse. "Wichtiger als Kaffeekränzchen des zuständigen Bundesministers auf der Elbe wären konkrete weitere Maßnahmen für die Stärkung des Hafens."
Der FDP-Politiker warnte davor, dass mit der Vertiefung und Verbreiterung des Flusses auch die zu baggernden Schlickmengen ansteigen werden. "Andreas Scheuer muss den Weg frei machen für eine ganzheitliche Baggerstrategie von Hamburg und dem Bund", sagte er. "Insbesondere muss die Blockadehaltung des Bundes aufhören, wonach Hamburg Schlick innerhalb des Flusses nur auf dem eigenen Gebiet verbringen darf." Dadurch entstehe ein jährlicher Schaden in zweistelliger Millionenhöhe bei Land und Bund. Kruse: "Dieses Bagger-Desaster muss dringend beendet werden.“
Lag die Umschlagleistung des Hamburger Hafens 2007/2008 noch ganz knapp unter zehn Millionen TEU im Jahr, so fiel sie 2009 kurz auf sieben Millionen TEU und stabilisierte sich in den vergangenen Jahren unterhalb von neun Millionen TEU. Gleichzeitig gewannen die Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen Marktanteile dazu und hängten Hamburg deutlich ab.