Hamburg. Der Konzern erprobt in einer Lernwerkstatt Zukunftstechnik. Handelskammer will Hamburg zu „Leuchtturm für digitale Bildung“ machen.

Zwar sind Flugzeuge zu groß und zu komplex, um sie wie Autos am Fließband zu produzieren. Doch auch in den Werkshallen von Airbus in Hamburg arbeiten bereits die ersten Roboter mit – zum Beispiel „Renate“ und „Luise“, die auf der neuen A320-Endmontagelinie die Bohrlöcher für den Zusammenbau des vorderen und des hinteren Rumpfabschnitts setzen.

In den nächsten Monaten und Jahren werden mehrere weitere der mechanischen Kollegen ihren Dienst aufnehmen. Deshalb wird es für das Unternehmen immer wichtiger, die heutigen und die künftigen Beschäftigten im Umgang mit Robotern zu schulen.

Im Dezember 2018 ging für diesen Zweck die „Learning & Exploration Factory“ (Lern- und Forschungsfabrik, LEF) als Teil des Airbus-Ausbildungszentrums am Standort Finkenwerder in Betrieb. Am Mittwoch ließ sich Handelskammer-Vizepräses André Mücke die neue Einrichtung erklären.

Die Auszubildenden programmieren kleine Lernroboter

Nach den Plänen von Airbus soll jeder Auszubildende aus dem technischen Bereich – das sind rund 200 von insgesamt etwa 300 Lehrlingen pro Jahrgang in Hamburg – vier Wochen im LEF verbringen. „Wir nähern uns dem Thema spielerisch, denn dann kommt auch Spaß auf, etwas Neues zu lernen“, sagte Matthias Havekost, Leiter Ausbildung Airbus Deutschland. Dabei hilft der kleine, bunte Lernroboter „Marty“. In Teams entwickeln die Auszubildenden Programme, die es ihm ermöglichen sollen, in möglichst kurzer Zeit einen Hindernisparcours zu überwinden. Airbus kooperiert auf diesem Feld mit Berufsschulen.

Allerdings werden nicht nur Azubis die LEF nutzen, sondern auch Beschäftigte, die schon seit Jahren in der Produktion tätig sind. Die Überlegung dazu: Mitarbeiter, die mit den Möglichkeiten und Grenzen der modernen Technologien vertraut sind, können besser Ideen entwickeln, wo und wie diese künftig sinnvoll einsetzbar sind.

Roboter sollen Beschäftigte von Arbeitsschritten entlasten

„Für uns stellt die neue Einrichtung einen Brückenschlag zwischen der Forschung und den Werkshallen dar“, sagte Jan Balcke, Personalmanager bei Airbus. Einer der Roboter aus der LEF befindet sich gerade in der Zulassungsphase. Er soll Dichtmasse in kleine Kappen füllen, die in A350-Rumpfabschnitten auf Schrauben gesetzt werden.

Sobald er das im regulären Betrieb tun darf, müssen die Beschäftigten an diesem Arbeitsplatz weniger Zeit in gebückter Haltung verbringen. Ein anderer Roboter könnte künftig im Flugzeugrumpf kiloschwere Einbauteile an der Decke montieren, was die Flugzeugbauer bisher in mühevolle Überkopfarbeit tun.

Auch Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zu sehen

Außer Robotern sind in der LEF aber auch Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) zu sehen – etwa eine Kamerainstallation, die eine Arbeitsstation filmt. Damit kann der Materialfluss automatisch erfasst und sichergestellt werden, dass bestimmte Teile eingebaut wurden, ohne dass ein Mensch dies auf einer Liste „abhaken“ müsste. Um aber die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter zu wahren, macht die KI die Personen auf den Bildern unsichtbar.

Nicht nur in diesem Fall sei das Digitalisierungsprojekt schon im Zusammenwirken mit der Arbeitnehmervertretung konzipiert worden, was für eine schnellere Umsetzung sorge, so Balcke. Schließlich sei es nicht das Ziel, die Mitarbeiterzahl durch die moderne Technik zu verringern. „Für uns ist die Digitalisierung kein Selbstzweck. Es geht auch um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland“, sagte der Personalmanager.

Digitalisierung wird in Schulen häufig noch als Gefahr dargestellt

Während seines Besuchs in der LEF stellte Handelskammer-Vizepräses Mücke ein gerade verabschiedetes Positionspapier der Wirtschaftsvertretung zur Ausbildung für die Arbeitsplätze der Zukunft vor. Nach dem Willen der Kammer soll Hamburg zum „Leuchtturm für digitale Bildung“ werden. Zwar sei die Hansestadt dabei „im bundesweiten Vergleich relativ weit vorn“, so Mücke, insgesamt hinke Deutschland etlichen anderen Staaten aber hinterher.

Das liegt nach Auffassung von Mücke, der nach dem Rücktritt von Tobias Bergmann bis zur nächsten Kammer-Wahl Anfang 2020 die Aufgaben des Präses wahrnimmt, auch an den Schulen: „Digitalisierung wird dort häufig weiterhin als Gefahr betrachtet, aber das ist Unsinn.“ So sei etwa die Vermutung, dass durch Digitalisierung die Arbeit weniger werde, voraussichtlich falsch, heißt es in dem Positionspapier. Zwar würden Routinetätigkeiten künftig wohl vermehrt von Maschinen verrichtet, aber: „Kreatives Denken und komplexe Tätigkeiten hingegen können auf absehbare Zeit nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden.“ Stattdessen werde es neue Tätigkeitsfelder geben, die vernetztes Denken erfordern – und die zukünftigen Fachkräfte müssten entsprechende Kompetenzen in der Schule und in der Ausbildung erwerben. In diesem Zusammenhang werde auch der Austausch zwischen Unternehmen und Berufsschulen immer wichtiger.

Lehrer müssten flächendeckend über Know-how verfügen

Zwar können Hamburgs Schulen in den nächsten fünf Jahren im Rahmen des „Digitalpakts“ mit 128 Millionen Euro vom Bund rechnen, womit man unter anderem modernste WLAN-Funknetztechnik installieren und 30.000 neue Notebook-Computer anschaffen will. Aber gute Hardware sei nicht alles, argumentiert die Handelskammer.

Lehrer müssten flächendeckend über Kenntnisse und Know-how verfügen, um die Technik sinnvoll im Unterricht einsetzen zu können, heißt es in dem Papier: „Insofern muss der schnellen Aus- und Fortbildung von Lehrkräften mindestens eine so große Bedeutung beigemessen werden wie der technischen Ausstattung der Schulen.“