Hamburg. 2018 hat Frank Horch das Amt als Wirtschaftssenator niedergelegt. Nun spricht er über die Gründe für diese Entscheidung.
Fast neun Monate ist es her, dass Frank Horch seinen Posten als Wirtschaftssenator aufgegeben hat. Beinahe dramatisch war sein Abgang im Herbst 2018. „Man sagt ja, aufhören soll man dann, wenn es am schönsten ist“, hatte Horch damals mit bewegter Stimme vor Medienvertretern gesagt. „Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um zu erkennen, dass mein Privatleben nicht mehr mit dem Amt vertretbar ist.“ Horch wollte, musste sich intensiver um seine Ehefrau Margret kümmern, die wegen einer Krankheit kaum noch alleine zurechtkommt. „Rücktritt aus Liebe“ und „Schockstarre in Hamburgs Wirtschaft“ titelten die Boulevard-Medien.
Der Ex-Senator trägt Freizeitdress
Für Frank Horch begann ein neues Leben – ohne die täglichen Besprechungen mit seinen Mitarbeitern in der Behörde am Alten Steinweg, ohne Bürgerschaftssitzungen, Firmenbesichtigungen und allabendliche Einladungen zu Banketts, Preisverleihungen oder mehr oder wenige spannenden Diskussionsrunden. Fast sechseinhalb Jahre lang lenkte er die Geschicke der lokalen Wirtschaft, davor war der studierte Schiffbauer und langjährige Topmanager Präses der Handelskammer und Chef des Industrieverbands. Immer für Hamburg unterwegs. Dann kam dieser Montagmorgen im Oktober, als unten vor seiner Wohnung in der HafenCity kein Fahrer mehr auf ihn wartete. Sein neues Leben begann.
Frank Horch sitzt an diesem heißen Juni-Nachmittag im 5. Stock eines Bürogebäudes am Hopfenmarkt in einem schlichten Konferenzraum. An der Wand hängt ein Gemälde der Werft Blohm+Voss, seinem früheren Arbeitgeber. Blaues Hemd, die Ärmel hochgekrempelt, keine Krawatte, eine graue, sportliche Baumwollhose, legere Schuhe. Der Ex-Senator trägt Freizeitdress. „Mir geht es gut“, sagt er.
Seine Ehefrau muss betreut werden
Zu Fuß ist er aus der HafenCity gekommen, hat für diesen einstündigen Termin jemanden gebeten, auf seine Frau achtzugeben. „Da ist immer viel Organisationstalent gefragt“, sagt der Senator a. D. Seine beiden Töchter helfen viel, aber auch der Physiotherapeut oder die Reinigungskraft passen dann und wann auf Margret auf. Schließlich benötigt sie quasi eine 24-Stunden-Betreuung. Über die Krankheit seiner Frau möchte er weder Details veröffentlicht wissen noch viel darüber reden.
Frank Horch weiß, dass es für ihn auch noch ein anderes Leben geben muss, dass er trotz der großen Liebe zu seiner Frau etwas für sich tun muss. Nicht nur regelmäßig Sport treiben. Früher täglich im Rampenlicht als Macher und Gestalter – dann von einer auf die andere Sekunde Schluss! Aus! Privatperson! „Die ersten Wochen waren schwierig“, erinnert sich der 71-Jährige. Es habe die gewohnte Tagesstruktur gefehlt, der lieb gewonnene Rhythmus. „Ich hatte plötzlich keine Mitarbeiter mehr, wusste nicht einmal genau, wie man mit einem Computer umgeht.“
Doch den benötigt er, unter anderem für seine Schirmherrschaft beim Projekt "Spendemanöver" der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Eine Herzensangelegenheit für den passionierten Segler, der seit Jahrzehnten auf Nord- und Ostsee unterwegs ist und sich immer wieder darüber freut, wenn er mit seiner Frau auf dem eigenen Segelboot unterwegs sein kann – zumindest für kleinere Törns. Außerdem ist er ständiger Gast im Beirat des Hamburg Innovation Ports.„Weil mir die Verbindung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft schon immer besonders wichtig war.“ Im Schiffbau berät er zudem das eine oder andere Unternehmen, stellt aber klar: „Es geht mir nicht ums große Geld, sondern ich möchte meine Erfahrung weitergeben.“
Von Elektrorollern hält er nichts
Um für alle diese Tätigkeiten einen kleinen Platz für sich zu haben, hat er am Hopfenmarkt von einem guten Bekannten ein wenige Quadratmeter großes Büro mit Glaswand angemietet. Schreibtisch, Laptop, Lampe, ein paar Bücher und Ordner – das war’s. „Mehr brauche ich zurzeit nicht.“ Ungefähr dreimal in der Woche ist er für wenige Stunden hier. Die Ruine von St. Nikolai kann er von hier aus sehen, die Elbphilharmonie und sogar seine Wohnung.
Wenn er in seinem Büro telefoniert, ist häufiger Michael Westhagemann, sein Nachfolger im Amt des Wirtschaftssenators, am anderen Ende der Leitung. „Wir reden häufiger, sind gute Freunde – und ich finde, er macht den Job hervorragend“, sagt Frank Horch. Selbst wenn er dann und wann ein wenig wehmütig auf die Zeit als Gestalter zurückblickt, auf manches kann er gut verzichten. Zum Beispiel auf die Zeitungsschlagzeilen über den „Stau-Senator“, der das „Verkehrschaos“ zu verantworten habe. „Das hat mich schon getroffen. Denn schließlich versucht man immer im Interesse der Stadt und ihrer Bürger zu agieren.“ Man könne die angespannte Verkehrslage nicht von heute auf morgen beenden. „Es ist eine der schwierigsten politischen Aufgaben, den zunehmenden Verkehr unter Berücksichtigung ökologischer Notwendigkeiten so zu gestalten, dass alle Teilnehmer – Fußgänger, Pkw-, Lkw-, Rad- und Bahnfahrer – zufrieden sind.“ Horch appelliert an alle Verkehrsteilnehmer, mehr Rücksicht zu üben, und äußert sich für seine Verhältnisse ungewohnt deutlich zur Zulassung von Elektrorollern auf Hamburgs Straßen: „Von dieser zusätzlichen Form der Fortbewegung halte ich nichts. Am Ende befürchte ich dadurch noch mehr Opfer im Straßenverkehr. Wir haben ja schon heute in Hamburg täglich einen Fahrradunfall.“
Sorgen bereitet ihm die SPD
Sorgen bereiten ihm aber nicht nur vergleichsweise unbedeutende Dinge wie Elektroroller. Als ehemaliges Mitglied eines SPD-geführten Senats treibt ihn die Zukunft der deutschen Sozialdemokratie um – auch wenn er kein Parteibuch besitzt. „Dieser Absturz der SPD ist ein Alarmzeichen für die Demokratie, wie wir sie seit Jahrzehnten in Deutschland kennen. Wenn eine Partei, die immer für soziale Gerechtigkeit gestanden hat, nur noch von etwas mehr als zehn Prozent der Bevölkerung gewählt wird, sagt das auch etwas über den Zustand unserer Gesellschaft aus.“
Aus seiner Sicht ist der erneute Eintritt in die Große Koalition auf Bundesebene für die SPD fatal gewesen. „So konnte die Partei kein eigenes Profil entwickeln.“ Die Sozialdemokraten müssten nun Themen setzen, mit denen sie die Steuer zahlende Mitte der Gesellschaft erreichen und begeistern. „Bezahlbarer Wohnraum vor allem in Großstädten und auskömmliche Renten sind Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Hier muss die SPD auf Basis eines soliden ökonomischen Fundaments Antworten finden.“ Und man müsse natürlich eine glaubwürdige, charismatische Persönlichkeit an die Spitze der Partei stellen. „Ohne Personenkult geht heute nichts mehr in der Politik“, sagt Horch und verweist auf den Erfolg der Grünen mit Robert Habeck.
Frank Horch als kommender parteiloser Kanzlerkandidat der SPD? Der Senator a. D. lacht, winkt ab und guckt auf seine Uhr. „Ich muss los, zu meiner Frau“, sagt er.