Hamburg. Auf der Hauptversammlung von Beiersdorf geht es mal wieder um die geringe Ausschüttung – und hohe Zahlungen an Ex-Chef Heidenreich.

Bei seinem ersten Auftritt als Beiersdorf-Vorstandschef hatte Stefan De Loecker den Aktionären viel Gutes zu berichten. Der DAX-Konzern hat im zurückliegenden Geschäftsjahr mehr Umsatz erzielt, sein Profitabilitätsziel erreicht, Produktinnovationen auf den Markt gebracht und eine Strategie für die nächsten Jahre entwickelt. Bei so vielen Erfolgsmeldungen ging fast unter, dass der Nivea-Hersteller im wichtigen Wachstumsmarkt China nicht ganz so glänzend dasteht. „In China gibt es zwei Beiersdorf-Realitäten“, las der 51-jährige Belgier auf Seite 14 seines 17-seitigen Redemanuskripts ab, um dann einen Neuanfang im Land der Mitte anzukündigen.

Demnach will Beiersdorf nach mehreren fehlgeschlagenen Sanierungsversuchen einen Schlussstrich ziehen und erwägt den Verkauf des vor zehn Jahren übernommenen Haarpflegegeschäfts der Marke Slek. Während die Luxuspflege La Prairie und auch die Klebesparte Tesa erfolgreich arbeiteten, erfüllten das breitere Nivea-Konsumentengeschäft und Slek nicht die Erwartungen. Um sich in dem Markt neu aufzustellen, will Beiersdorf mehr als zehn Millionen Euro in ein neues Innovationszentrum für Hautpflege in Shanghai investieren. Von dort wolle der DAX-Konzern aus Hamburg die Entwicklung neuer Produkte für Ost- und Nordostasien steuern. „China bietet enormes Potenzial, gerade für Marken wie Nivea und Eucerin“, so De Loecker. „China verlangt jedoch sehr viel Geduld.“ Schon De Loeckers Vorgänger Stefan Heidenreich hatte sich mit der Sanierung der Haarpflegemarke herumgeschlagen, die von Experten als Fehleinkauf gesehen wird.

Konzern neu ausrichten

De Loecker, das wurde in seiner 45-minütigen Rede deutlich, will den Konzern mit mehr als 100-jähriger Geschichte neu ausrichten. „Beiersdorf hat das Potenzial wie kaum ein anderes Unternehmen, die Zukunft erfolgreich zu gestalten.“ „Schneller, effizienter, einfacher“, lauten seine Schlagworte für die Entwicklung der nächsten Jahre. Dabei soll Beiersdorf internationaler und digitaler werden. Mit De Loeckers Fünfpunkteplan C.A.R.E.+ sollen von sofort an jährlich 70 bis 80 Millionen Euro zusätzlich investiert werden. Wirklich neu war das nicht für die 1400 Aktionäre, die in die Halle A3 der Hamburger Messe gekommen waren. Trotz der Kursverluste nach der Verkündung der neuen Strategie Ende Februar war die Stimmung gelassen. Vor der Hauptversammlung hatte das Papier wieder deutlich angezogen. „Das verstehen wir als klares Zeichen des Vertrauens.“ Spontanen Beifall gab es, als De Loecker seinem Vorgänger Stefan Heidenreich für dessen Arbeit dankte.

Schon eine Stunde vor Beginn der Hauptversammlung hatten die Ersten an der Einlasskontrolle gestanden. Im Eingangsbereich vor dem Saal konnte man sich über die aktuellen Markensortimente informieren, historische Nivea-Dosen bestaunen, den Gutschein für die obligatorische blaue Geschenktüte mit neuen Produkten abholen und beim Kaffee fachsimpeln. Ein Thema: der vorzeitige Abgang des langjährigen Spitzenmanns Heidenreich und die mehr als 23 Millionen Euro, die er beim Abschied bekommen hatte. „Die hohen Boni-Zahlungen stehen im Missverhältnis zu dem, was wir Aktionäre als Dividende bekommen“, sagte ein Rentnerpaar aus dem Heidekreis. Seit Jahren schüttet der Beiersdorf trotz gut gefüllter Kassen unverändert eine Dividende von 70 Cent aus. Auch Hans-Reiner Beck sagte: „Ich wäre glücklicher, wenn es mehr wäre.“ Das wäre angesichts der Inflation auch angemessen. Aber, so der 62-jährige Hamburger, „es ist nun mal so, wie es ist“.

Kritik der Kleinaktionäre

Der Mann, auf den das zielte, saß in der zweiten Reihe auf dem Podium und hatte den Kopf meistens nach unten gesenkt. Michael Herz vertritt die Vermögensverwaltung Maxingvest der Unternehmerfamilie Herz (Tchibo), die die Mehrheit an Beiersdorf kontrolliert. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der 75-Jährige kein Interesse an einer höheren Ausschüttung hat – und sich bislang damit stets durchgesetzt hat.

Zeigt sich selten in der Öffentlichkeit: Aufsichtsrat Michael Hertz.
Zeigt sich selten in der Öffentlichkeit: Aufsichtsrat Michael Hertz. © HA | Roland Magunia

Die Kritik der Kleinaktionäre ist inzwischen zum Ritual geworden. Steffen Kraus von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, der mehr als eine Million Beiersdorf-Aktien vertrat, sagte angesichts verfügbarer Finanzmittel in Höhe von 4,4 Milliarden Euro: „Ich mache ein dickes Fragezeichen bei der Gewinnverwendung.“ Ähnlich äußerte sich auch der Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Hansgeorg Martius: „Beiersdorf präsentiert immer gute Zahlen, alles wächst immer – bis auf die Dividende.“ Auch die Millionenzahlungen an Stefan Heidenreich ließen beide dem DAX-Konzern nicht ohne Nachfrage durchgehen. „Bislang ist Beiersdorf nicht dafür bekannt , dass üppig bezahlt wird“, sagte Kraus.

„Naturkosmetik“ ist ein stark wachsender Markt

Aufsichtsratschef Reinhard Pöllath, der als Vertrauter von Großaktionär Herz gilt, erklärte die hohe Summe damit, dass sich in jedem von Heidenreichs sieben Jahren als Vorstandschef zusätzlich zum Fixgehalt variable Gehaltsbestandteile in Höhe von im Schnitt drei Millionen Euro angesammelt hätten, die beim Ausscheiden „geringfügig aufgerundet“ ausgezahlt worden seien – insgesamt 23,45 Millionen Euro.

Zur Dividendenhöhe sagte er: „Als Aufsichtsrat können wir das Geld nicht ausgeben, das kann nur der Vorstand. Wir halten es erst mal zusammen.“ Es ist bekannt, dass Beiersdorf seit Jahren nach Möglichkeiten für Zukäufe sucht. Es gehe darum, das richtige Projekt im Bereich Hautpflege zu finden, so Pöllath, Dass sich in dem Punkt bald etwas tut, ist nicht unwahrscheinlich. De Loecker sprach konkret den Bereich „Naturkosmetik“ an. „Das ist einer der am stärksten wachsenden Märkte, und wir müssen feststellen, dass wir nicht drin sind.“