Hamburg. Die Hitze sorgt für Sauerstoffmangel und macht den Fischen zu schaffen. BUND prüft Klage. Hafenfirmen reagieren mit Unverständnis.
Die nächste Hitzewelle rollt auf Hamburg zu. Was für Freibad-Besucher ein Segen ist, wird von anderen Menschen auch wegen der schwülen Luft eher als Belastung wahrgenommen. Für den Zustand der Elbe sind die warmen Temperaturen ein richtiges Problem. Denn der Sauerstoffgehalt des Wassers ist dadurch im Hafen auf ein extrem kritisches Niveau gesunken. Es droht ein massives Fischesterben. Die Situation ist so angespannt, dass zahlreiche Umweltschützer Alarm schlagen. Sie fordern einen sofortigen Stopp der Elbvertiefungsarbeiten. Sogar neue Klagen gegen das Projekt schließen sie nicht aus.
BUND bezeichnet Baggerarbeiten als Katastrophe für Fische
„Baggerarbeiten für die umstrittene Elbvertiefung wären jetzt eine Katastrophe für die Fische in der Tideelbe“, sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND in Hamburg. „Es sollen gewaltige Mengen im Fluss bewegt werden, auch in der geplanten Begegnungsbox bei Wedel.“ Der Sauerstoffgehalt unterhalb des Hamburger Hafens liege derzeit bei zwei Milligramm Sauerstoff pro Liter, Tendenz fallend. Baggerarbeiten seien aber unterhalb vier Milligramm Sauerstoff problematisch. Aktuell seien Jungstadien verschiedener Fischarten, also Eier und Larven, im Hamburger Hafen und unterhalb Hamburgs unterwegs. Dazu gehöre der Stint, dessen Bestände ohnehin schon in den vergangenen Jahren stark geschrumpft seien, so Braasch. „Jungstadien sind besonders anfällig für niedrige Sauerstoffwerte und verstärkte Trübung. Das Bündnis Lebendige Tideelbe aus BUND, Nabu und WWF fordert daher zumindest ein Aussetzen sämtlicher Baggerarbeiten, bis sich die Sauerstoffwerte wieder grundlegend erholt haben. Auch eine neue Klage gegen die Elbvertiefung ist möglich. „Wir werden mit unseren Anwälten prüfen, ob man nicht adhoc sagen muss, die Elbvertiefung ist auszusetzen“, so Braasch.
Elbfischer finden tote Fische im Netz
Der Leiter für Natur- und Umweltpolitik des Naturschutzbundes (Nabu) in Hamburg, Malte Siegert, ergänzt: „Die laufenden Maßnahmen zur Fahrrinnenanpassung sind grundsätzlich eine Belastung für die sensible Tideelbe. Weil angesichts des aktuellen Sauerstofflochs die negative Wirkung durch anhaltende Strombaumaßnahmen auf das Gewässer nicht eindeutig einzuschätzen ist, sollten momentan allein aus Gründen der Vorsorge Baggerarbeiten im Strom dringend vermieden werden.
Tatsächlich hat sich die Lage im Fluss in den vergangenen Tagen weiter zugespitzt. So sind auch viele Algen mit dem Fluss nach Hamburg geschwemmt worden, die nun absterben und dabei Sauerstoff verbrauchen. Als Erste merken das die Fischer: „Die Fänge gehen deutlich zurück. Das betrifft alle Fischarten“, sagt der Elbfischer Claus Zeeck. Immer häufiger finde er zudem tote Stinte im Netz. „Wir haben heute Morgen noch vor Wedel gefischt, aber abgebrochen. Wir fischen uns sonst ja den Bestand kaputt“, sagt er.
Behörden halten an Baggerplänen fest
Von einem Stopp der Elbvertiefungsarbeiten – möglicherweise den gesamten Sommer über – wollen hingegen die Hafenwirtschaft und der Senat nichts hören. „Alle Bauarbeiten sind im Hinblick auf ihre Wirkung auf den Sauerstoffhaushalt gründlich untersucht und im Planfeststellungsbeschluss bewertet worden. Das gilt insbesondere für die sehr strengen Auflagen nach Wasserrahmenrichtlinie. Das Bundesverwaltungsgericht hat das in vollem Umfang bestätigt“, so eine Sprecherin der Wirtschaftsbehörde. Es gebe keine rechtlichen Einschränkungen, sagt auch der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz. „Die Forderung der Umweltschützer ist rechtlich unsinnig. Die Planfeststellungsbeschlüsse erlauben auch während der Sommermonate das Baggern.“
Die Hafenunternehmen stehen unter einem besonderen Druck. Sie kämpfen schon wieder mit geringen Wassertiefen im Hafen, die ihren Schifffahrtskunden die Zufahrt zu den Terminals oder Liegeplätzen erschweren. Grund ist, dass sich vermehrt Schlick dort ablagert und die für die Baggerarbeiten im Hafen zuständige Hamburg Port Authority (HPA) einer Vereinbarung mit der Umweltbehörde von 2012 zufolge in den Sommermonaten nur eingeschränkt Baggergut umlagern kann. So kämpft ein Unternehmen an seinem Liegeplatz bereits mit einer Mindertiefe von zwei Metern unterm Soll.
Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. 2015 stürzte der Hafen wegen der großen Schlickmengen in eine Krise, weil erste Kunden wegen der geringen Wassertiefen ihre Schiffe umleiteten. „Unsere Unternehmen leiden schon wieder unter Mindertiefen im Hafen. Das zeigt, dass eine langfristige, tragfähige Baggerstrategie weiterhin fehlt“, sagt UVHH-Präsident Bonz.
Mit schonenden Methoden baggern
Die HPA steckt indes in einer Zwickmühle. Sie muss einerseits dafür sorgen, dass der Hafenbetrieb reibungslos weiterläuft, andererseits muss sie die umweltrechtlichen Vorschriften im Blick haben. „In enger Abstimmung mit der Umweltbehörde beobachtet die Hamburg Port Authority die Sauerstoffsituation des Flusses genau. Die HPA verzichtet in der warmen Jahreszeit von April bis November darauf, Sedimente im Gewässer umzulagern, also diese an einer Stelle auszubaggern und an anderer Stelle wieder ins Gewässer zu lassen. Die Baggerungen sind auf die nautisch unbedingt erforderlichen Bereiche begrenzt und werden mit modernsten und schonenden Methoden durchgeführt“, sagt HPA-Sprecherin Sinje Pangritz. Die Behörde setze dazu lediglich Geräte ein, die zwar Sedimente aus dem Fluss holen, diese aber nicht aufwirbeln. Diese Sedimente bringe die HPA in Gebiete außerhalb des Hafens, an denen es keine Probleme mit dem Sauerstoffgehalt gibt. Das gelte auch für die Fahrrinnenanpassung.
Wie groß die Probleme tatsächlich werden, zeigt sich im August: Dann beginnen die Baggerarbeiten für den Bau der Begegnungsbox für große Schiffe.