Hamburg. Am Freitag gibt es die nächsten Verhandlungen über ein Lohnplus im Einzelhandel. Ver.di fordert deutlich höheres Angebot.

An diesem Freitag treffen sich die Gewerkschaft Ver.di und die Arbeitgeber zur dritten Runde der Tarifverhandlungen für die gut 70.000 Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel. Forderung und Angebot liegen weit auseinander. Die Gewerkschaft will 6,5 Prozent mehr Lohn bei einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten durchsetzen, mindestens 163 Euro pro Monat, Auszubildende sollen 100 Euro im Monat mehr erhalten und jeder Vollzeitbeschäftigte soll künftig mindestens 2100 Euro brutto bekommen. Die Arbeitgeber haben angeboten, die Gehälter in den kommenden zwei Jahren um insgesamt 2,5 Prozent anzuheben. Im ersten Jahr um 1,5, im zweiten um nochmals 1,0 Prozent. Nachdem Ende April die Friedenspflicht ausgelaufen ist, gab es bereits zwei größere Warnstreiks in der Hansestadt. Im Abendblatt-Interview sagt Ver.di-Verhandlungsführerin Heike Lattekamp, was sie von den Arbeitgebern am Freitag erwartet und droht mit neuen Aktionen der Beschäftigten.

Wird Ver.di für diesen Freitag erneut zu Warnstreiks in Hamburger Geschäften aufrufen?

Heike Lattekamp: Nein, wir warten erst einmal ab, was in der dritten Verhandlungsrunde passiert, ob die Arbeitgeber sich bewegen und ein verbessertes Angebot vorlegen. Wir haben durch unseren zweiten und ganztägigen Warnstreik am Freitag vor Pfingsten mit 800 bis 1000 Teilnehmern unter anderem bei Primark, Zara, Penny und Ikea den Druck erhöht. Bei H&M Logistics zog der Warnstreik sich mehrere Tage und bis nach Pfingsten hin. Jetzt ist der Tarifpartner am Zug. Die Hoffnung ist groß, dass er sich auf uns zubewegt.

Im Bezirk Baden-Württemberg hat er das schon getan und bietet jetzt in zwei Stufen 1,7 und 1,2 Prozent mehr an...

Damit müssten die Beschäftigten weiterhin einen Reallohnverlust hinnehmen. Für dieses Jahr wird eine Inflationsrate von 1,8 Prozent vorausgesagt. Die Kolleginnen und Kollegen erwarten deutlich mehr. Und wir erwarten, dass sich die Arbeitgeberseite unserer Forderung deutlich stärker annähert und etwas vorlegt, über das wir dann ernsthaft diskutieren können.

Wie optimistisch sind Sie, dass das am Freitag geschieht?

Ich sehe noch kein Licht am Horizont und erwarte nicht, dass wir bereits zu einem Ende kommen. Zumal es neben der Forderungshöhe auch um unsere Forderungsstruktur geht. So fordern wir zum einen, die Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Dabei geht es uns darum, zu verhindern, dass sich Unternehmen auf Kosten der Beschäftigten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, in dem sie Personalkosten senken. Darüber hinaus geht es uns in der Forderungsstruktur um eine soziale Komponente mit dem Ziel, die unteren Lohn- und Gehaltsgruppen überproportional anzuheben. Entsprechend haben wir bereits für den 3. Juli einen weiteren Verhandlungstermin vereinbart.

Und vorher gibt es dann weitere Warnstreiks in Hamburger Geschäften?

Das kommt sehr darauf an, was am Freitag bei den Verhandlungen geschieht. Klar ist: Wir können noch deutlich mehr als wir bisher gezeigt haben. Es gibt weitere Eskalationsstufen, wie viele Beschäftigte in wie vielen Unternehmen wir für wie lange zum Warnstreik aufrufen. Wenn wir ein neues Angebot am Freitag als reine Provokation empfinden, gehen wir vor der nächsten Runde sicherlich nochmal raus.

In einer Mitgliederbefragung wollte Ver.di wissen, wie groß die Bereitschaft zur Teilnahme an Warnstreiks ist. Veröffentlicht wurde das Ergebnis nicht. Wie sah es aus?

52 Prozent haben gesagt, sie seien bereit, sich nicht nur an Aktionen, sondern auch an Warnstreiks und Streiks zu beteiligen, neun Prozent wollten das nicht. Das sind in etwa die üblichen Werte. Erschreckend war, dass 80 Prozent der Umfrageteilnehmer sagten, sie kämen mit ihrem Lohn noch gerade eben so aus. Früher sagten das nur 60 Prozent. Das ist sicher eine Folge der in Hamburg stark gestiegenen Lebenshaltungskosten, vor allem der Mieten. Und auch die Angst vor Altersarmut wächst. Eine Verkäuferin, die 40 Jahre lang ununterbrochen in Vollzeit gearbeitet hat, kann nur mit 900 Euro Rente rechnen. Umso wichtiger ist es, die Löhne jetzt kräftig anzuheben.

Die Arbeitgeber halten die wachsende Konkurrenz durch Onlinehändler dagegen und die Prognose, der Handelsumsatz werde 2019 nur um 2,0 Prozent wachsen...

Der Umsatz im Einzelhandel ist in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. Über eine so lange Phase gab es das nie zuvor. Davon müssen auch die Beschäftigten, die diese Umsätze erwirtschaften, profitieren. Was die Online-Konkurrenz angeht: Wir lassen uns mit diesem Argument nicht mehr gegeneinander ausspielen. Onlinehändler wie Amazon und Zalando sind auch stationäre Händler. Stationäre Händler sind heute auch Onlinehändler. Die Mitarbeiter der Buchhandlung Thalia zum Beispiel müssen den Kunden das Lesegerät Tolino erklären können. Zum Erfolg der Onlineangebote eines Unternehmens tragen auch die Mitarbeiter im stationären Handel bei. Also müssen auch sie Anteil am Erfolg des Onlinehandels haben.

Die Tarifrunde zuvor hat sich im Jahr 2017 fast fünf Monate lang hingezogen. Dauert es diesmal wieder so lange oder kommt man schneller zu einem Ergebnis?

Das ist zurzeit noch schwer vorherzusagen. Es kommt sehr darauf an, wie hartnäckig sich die Arbeitgeberseite einem diskussionsfähigen Angebot verweigert.

Am Ende gab es damals 4,3 Prozent mehr. Würde Ihnen das diesmal auch ausreichen?

Nein, auf keinen Fall. Wir sind in diesem Jahr mit einer höheren Forderung in die Tarifrunde gegangen. Die Beschäftigten erwarten Respekt und Anerkennung für ihre gute Arbeit. Diesmal muss es ein deutliches Lohnplus geben.

Bei Galeria Karstadt Kaufhof kämpfen die Beschäftigten gleichzeitig für eine Rückkehr aller in die Tarifbindung. Wird das eine ähnlich endlose Geschichte wie der Konflikt zwischen Ver.di und Amazon?

Der große Unterschied ist, dass wir mit dem Management von Galeria Karstadt Kaufhof im Gespräch sind, anders als mit Amazon. Wir können also in diesen Gesprächen unsere Botschaft deutlich machen.

Der Konzern hat künftig die Karstadt Feinkost GmbH wieder allein im Besitz...

Nachdem die Lebensmittelabteilung bei Karstadt Eimsbüttel aufgegeben wurde und in der Filiale Harburg zum 30. September schließen wird, gibt mir das eher Hoffnung für Karstadt Feinkost in der Innenstadt und in Wandsbek. Wenn Karstadt die Feinkost GmbH komplett zurückholt, scheint man darin einen wichtigen Bereich zu sehen. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen.