Malente. Die Filme aus den 50er-Jahren sind legendär. Ein Hamburger erweckt die Kulisse von damals jetzt zum Leben.
Das Leben, ein Ponyhof? Für Ole Marxen schon. Der Sohn des legendären Onkel-Pö-Gründers Peter Marxen, der die Jazz-Szene in den 70er-Jahren in Hamburg auf internationales Niveau hob, geht im Storchenschritt durch die matschige Baustelle des Immenhofs, sorgsam darauf bedacht, dass die Collegeschuhe nicht allzu dreckig werden. Gänse fliegen über das Gelände, über das Gutshaus, die Pferdekoppeln und die Reithalle, dann landen sie laut schnatternd auf dem See. In der Ferne ragt der Kirchturm von Malente in den blauen Himmel.
Mit einer weiten Armbewegung deutet Marxen über die Anlage des Guts Rothensande alias Immenhof: „Wenn das hier mal fertig ist, bieten wir ein Paradies für Pferdefreunde, vom kleinen Ponymädchen bis zum passionierten Reiter“, sagt der Projektleiter, der in Weste und Sakko mit Einstecktuch eher an den Stadtmenschen aus Hamburg erinnert als an den Chef-Aufseher über die Bauarbeiter, die rund um das Herrenhaus an den Gebäuden werkeln und Pflastersteine verlegen.
Eröffnung ist für 2019 geplant
Die Eröffnung des neuen alten Immenhofs, der als Schauplatz in den gleichnamigen Filmen schon vor gut 60 Jahren zum Sehnsuchtsort für ein Millionenpublikum avancierte, ist für 2019 vorgesehen. „Frühestens“, korrigiert sich Marxen. Eigentlich sollte das neue Hotel auf Gut Immenhof bereits in diesem Sommer erste Gäste anlocken.
Die Verzögerung wird zur Geduldsprobe – ähnlich wie beim Luxusresort Weissenhaus, dem Projekt des Hamburger Investors Jan-Henric Buettner in der Nähe von Hohwacht, dessen Bau Marxen ebenfalls geleitet hat. Doch Marxen ist ein Perfektionist. Auf Gut Immenhof, das einmal 130 Betten bieten soll, ist wirklich an alles gedacht.
Nicht nur Pferde werden zum Ferienprogramm am Kellersee gehören. „Wenn die Frau ausreitet, kann der Gatte eine Weinprobe machen“, sagt Marxen. Er plant auf dem Areal ein Kinderspielparadies für Regentage, ein Spa in der alten Longierhalle und einen Konzertsaal, in dem sich die Gäste auch mal die Immenhof-Filme anschauen oder eine Lesung anhören können. Gemeinsame Kochkurse, mit Rezepten aus der alten Landküche, wie sie die Gäste von Oma Jantzen im Film genießen durften, oder Ausflüge mit lokalen Naturführern sollen gerade den Städtern die Schätze der Holsteinischen Schweiz näherbringen. Das Familienzimmer wird um die 200 Euro kosten, Frühstück mit Blick auf den See inklusive.
Seit 2015 pumpt ein Schweizer Millionen in die Luxusanlage
Marxen lebt seit seiner Jugend an der Ostsee. Als er 16 war, zog sein Vater auf den Hessenstein. Er etablierte auf dem Berg bei Lütjenburg ein Ausflugslokal, das schnell zur Pilgerstätte seiner alten Hamburger Freunde avancierte. Zu den Bekannten des ebenfalls gut vernetzten Sohns gehört Carl-Joachim Deilmann, der jetzt als Investor hinter dem Immenhof-Projekt steht. Seit 2015 pumpt der Schweizer Unternehmer Millionen in die Anlage, auch in Erinnerung an seine eigene Jugend, die er ganz in der Nähe im Internat verbrachte.
Auch Marxen junior wohnt heute nicht nur auf dem Land, er fühlt sich auch als Jäger mit der Natur verbunden. Als Junge führte er ein Leben wie die Kinder vom Immenhof in der Serie. „Ich hatte selber ein Pferd, und die Filme habe ich oft gesehen“, sagt der 54-Jährige. Die Streifen gehörten in den 50er-Jahren zu den ersten Farbfilmen im Kino, sie erzählten nach dem Krieg von der heilen Welt und wurden schnell zum Kult.
Die Immenhof-Filme waren populärer als die „Sissi“-Trilogie
Gutsherrin Oma Jantzen (Margarete Haagen) führte auf „Immenhof“ ein Ponyhotel, doch der Betrieb rutschte immer wieder an den Rand der Pleite. Ihre Enkelinnen kämpften derweil mit dem Erwachsenwerden. Die Mädels Dick (Angelika Meissner) und Dalli (Heidi Brühl) erlebten erste erotische Abenteuer, mit Jungen, die Ethelbert hießen und aus dem fernen München anreisten. Sie streiften, die Freizeit- oder heute Outdoor-Kleidung war noch nicht en vogue, in eng taillierten Kleidern und mit weiten Bundfaltenhosen durch die Natur und fielen dabei immer mal wieder vom Pony. Die Rollen waren verteilt, die Gesellschaft patriarchalisch, der Ton schon mal militärisch, gerade beim Reitunterricht, doch die Sorgen der jungen Leute, die enttäuschte Liebe oder die Suche nach dem eigenen Platz im Leben, sind heute so aktuell wie damals.
„Ich habe immer mehr Besucher im Museum“, freut sich Mario Würz über den ungebrochenen Reiz der Filme, die in den 70er-Jahren mit Stars wie Horst Janson noch einmal revitalisiert wurden. Laut Experten wurden die Immenhof-Filme sogar populärer als die „Sissi“-Trilogie, sie zählen damit zu den erfolgreichsten Heimatfilmen überhaupt. Würz leitet nicht nur das Immenhof-Museum in Malente. Der 48-Jährige bietet auch Touren zu den Originalschauplätzen an, präsentiert die Nachfahren der Immenhof-Filmponys und organisiert einmal im Jahr die Filmpreisverleihung im benachbarten Uwe-Seeler-Fußball-Park, zu der regelmäßig auch frühere Darsteller anreisen, inzwischen längst im Rentenalter, und natürlich Tausende Fans.
Am Tag des Abendblatt-Besuchs steht Würz in Malerkluft auf der Baustelle, sein zweiter Beruf neben der „Dick und Dalli“-Passion. Er malt im Melkhuis, dem großen Restaurant, das einmal neben dem Shop mit Immenhof-Produkten wie Oma Jantzens Marmelade im seeseitigen Flügel der Gutsanlage entstehen soll. Würz steht genau wie Marxen für Detailverliebtheit, etliche Gebäude aus den Filmen sollen für die Gäste wiedererkennbar sein.
Gäste sollen in Kutschen durch die Kastanienalleen zuckeln
Auch die Erlebnisse der Kinder vom Immenhof will Marxen in die heutige Zeit retten. Die Gäste werden mit alten Kutschen und Jagdwagen trippel-trappel-ponymäßig durch die Kastanienalleen zuckeln, sie werden ausreiten und beim Picknick die Natur erleben können. Im Turm an der Einfahrt wird die Glocke hängen, mit der die Schwestern von ihrer Arbeit aus dem Stall zum gemeinsamen Mittagessen gerufen wurden. Die Tür am Gutshaus, vor der Oma Jantzen mit dem unglücklich in sie verliebten Tierarzt Dr. Pudlich flirtete, wird die gleichen Sprossenfenster bekommen wie einst. Auch die Sichtachsen, die bei den holsteinischen Gütern stets die Perspektive durch herrschaftliche Alleen auf die Herrenhäuser lenkten, will Marxen wiederherstellen, nur dass der Blick jetzt am Ende auf den „Pleasureground“ fällt. Der Projektleiter will mit dem Immenhof nicht im Alten verharren. Die Annehmlichkeiten der heutigen Zeit sollen den Aufenthalt der Gäste so angenehm wie möglich machen.
Auch Michael Jackson verliebte sich einst in den Ort
In den Zimmern lässt er Natursteinfliesen aus dem Jura verlegen, die mit einer Fußbodenheizung auch im holsteinischen Winter ein muckelig-warmes Raumklima garantieren. Auf jedem Nachttisch soll ein Fernglas liegen, der Fernseher tritt in den Hintergrund. „Viele Menschen vermissen die Natur“, sagt Marxen mit Blick auf Stadtkinder, die er bei Besuchen in der Heimat Hamburg regelmäßig trifft. Väter könnten mit ihren Söhnen morgens rausgehen in die Wälder, zum Beobachten der Rehe und Hasen hat Marxen auch schon den Bau von 16 Hochsitzen angeleiert. Perfektionist bleibt Perfektionist.
Die Reise in einen Traum von einer Kindheit – diesen Wunsch wollte sich vor Jahren auch schon ein amerikanischer Gast auf dem Immenhof erfüllen. Es war kein geringerer als Michael Jackson, der 2006 von Hamburg-Niendorf aus, wo er bei Freunden untergekommen war, einen privaten Termin in Malente plante. Eine Einsatztruppe der Polizei war alarmiert, um den King of Pop zu schützen. Er wolle sich ein Haus anschauen und einen Spaziergang machen, war durchgesickert. Doch diese Story endete nicht mit einem Happy End. Der Gutshof blieb im Besitz der Familie des damaligen Eigentümers, des Hamburger Kaffeerösters Artur Nörenberg.
Das neue Leben, das der Immenhof jetzt geschenkt bekommt, verläuft wie im Film, freut sich Mario Würz: In der letzten Folge steht Oma Jantzen vor dem säulenbestandenen Eingang des Gutshauses, wie immer Dr. Pudlich im Schlepptau, und ganze Scharen von anreisenden Gästen fahren vor: „Eine Invasion“, ruft die alte Dame und rauft sich die Haare, „wenn die alle bleiben wollen!?“ Und der anhängliche Veterinär ganz visionär: „Dann bauen wir an!“