Hamburg. Das Transportflugzeug Beluga XL kommt nun regelmäßig nach Finkenwerder. Wir haben die Premiere im Bewegtbild festgehalten.

Es ist 16.45 Uhr am Dienstagnachmittag, als die Beluga XL sich am Himmel zeigt. Aus dichten Wolken und bei leichten Nieselregen sind die Lichter des Flugzeugs über der Stadt zu sehen. Eine knappe Minute später setzt der neue Supertransporter von Airbus aus nordöstlicher Richtung kommend auf dem Werksgelände auf. Er rollt auf der Start- und Landepiste aus, wendet und kommt zur Begrüßung zur Entladehalle. Ein paar Minuten später begrüßt die Werksfeuerwehr die Maschine mit Wasserfontänen von beiden Seiten – es ist das Prozedere für spezielle Ereignisse: Schließlich landet die Beluga XL erstmals in Hamburg.

Im November 2014 fiel die Entscheidung für den Neubau des Transportflugzeugs. Die vor mehr als 20 Jahren entwickelte Version mit dem Zusatz ST ist zu klein geworden. Mit 63,10 Meter Länge misst die Beluga XL sieben Meter mehr als die alte Version, bei der Spannweite hat sie mit 60,30 Metern sogar gut 15 Meter draufgepackt. Für den Konzern entscheidend ist aber der Rumpfdurchmesser. Mit 8,80 Metern ist die Maschine exakt 109 Zentimeter breiter als der Vorgänger. „Der Rumpfdurchmesser ist der größte, den es im Markt gibt“, sagt der stellvertretende Werksleiter Bernard Marmann. Der Querschnitt sei größer als bei der Boeing 747 oder dem Schwerlastflugzeug Antonov. Das Transportvolumen im Frachtraum steigt um etwa 30 Prozent im Vergleich zur Beluga ST.

Wichtig ist das vor allem für den Großraumjet A350, von dem bisher stets nur eine Tragfläche pro Flug befördert werden konnte. „Wir können nun zwei A350-Flügel gleichzeitig transportieren“, sagt Marmann, der in der Hansestadt auch Fertigungsleiter für den A330 ist. Auf der Frachterversion dieses Langstreckenflugzeugs basiert die Beluga XL.

Hamburger Mitarbeiter steigen quasi in Cabriobau ein

Der Superfrachter ist wie immer bei Airbus ein länderübergreifendes Projekt. Die Nase und die riesige Frontladeluke kommen aus Frankreich, das Höhenleitwerk aus Spanien, das Seitenleitwerk aus Stade, der charakteristische Buckel stammt aus der Nähe von Bremen – und natürlich ist auch Hamburg beteiligt. Das Werk auf Finkenwerder mit seinen 13.000 Beschäftigten gilt im Konzern als Spezialist für Kabine und Rumpf. Entsprechend liefert es auch für den neuen Superfrachter wichtige Teile. Die Sektionen 16, 17 und 18 werden an der Elbe zusammengebaut. Die Rumpfabschnitte befinden sich in der Nähe der Triebwerke. Dort wurden beispielsweise Kabel montiert, das Frachttor und die Gepäckklappe eingebaut. Allerdings gab es eine Besonderheit für die 100 Mitarbeiter von Marmann in dem Bereich. Normalerweise bauen sie eine geschlossene Röhre, die „Tonne“. Bei der Beluga steigen sie quasi in den Cabriobau ein, arbeiten nur am unteren Teil, denn der charakteristische Buckel – gefertigt in Varel beim Zulieferer Deharde – wird erst später montiert.

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Wegen des voluminösen oberen Rumpfes und der Ähnlichkeit mit einem Wal erhielt das Flugzeug den Namen Beluga. Für die Piloten ist der Aufbau im Flugverhalten kaum spürbar. „Das Spektakuläre an dem Flugzeug ist, dass es so unspektakulär ist“, sagt Karl-Heinz Mai. Der Testpilot hatte auf dem Flug von Toulouse das Kommando. Drei Stunden war er mit seiner Crew unterwegs, flog noch eine Schleife über London, ehe er auf Finkenwerder landete. Der Grund: Das Flugzeug, das im Juli 2018 seinen Jungfernflug feierte, steckt noch mitten im Testbetrieb und muss Flugstunden abspulen. Gute 550 sind es bis jetzt. Bis Ende Juni geht die Zulassungsphase noch. Mai ist bisher zufrieden: „Die Beluga fliegt wie ein typischer Airbus. Sie hat sehr, sehr ähnliche Flugeigenschaften wie der A330.“ Den Buckel im Rücken merke man nicht. Auch sei es egal, ob das Flugzeug gut beladen oder fast leer ist.

Piloten sitzen unterm Frachtraum

Aus Südfrankreich brachte die Maschine, die zwar größer ist, aber laut Konzern nicht lauter sein soll als der Vorgänger, dieses Mal nur einige leere Transportgestelle mit. Auf ihnen werden Rümpfe, Flügel oder Cockpits transportiert. „Heute wird der Be- und Entladeprozess getestet“, sagte Marmann am Dienstag. An der dafür vorgesehenen Halle mussten ein paar bauliche Änderungen vorgenommen werden. Beispielsweise musste die Öffnung der Halle analog zum gewachsenen Frachter größer gemacht werden. „Das Be- und Entladen machen wir bei der XL in 60 Minuten statt 80 bis 90 Minuten bei der ST“, sagt Marmann. Um diesen Prozess beschleunigen zu können und für das Hauptdeck mehr Platz zu haben, wurde das Cockpit tiefergelegt. Die Piloten sitzen nun unterhalb des Frachtraums.

Am Mittwochvormittag soll die Maschine mit einem A350-Rumpf beladen nach Toulouse zurückfliegen. Gegen Ende des Jahres soll der neue Superfrachter in den regelmäßigen Dienst zwischen den Werken einscheren und die alten fünf Belugas entlasten. Insgesamt will Airbus sechs der neuen Transportflugzeuge bauen. In Hamburg wird gerade am Rumpf für den dritten Flieger gearbeitet. Jedes Jahr soll eine neue Beluga fertiggestellt werden, die letzte XL soll 2023 in Dienst gehen. „Die alten Belugas werden aus dem Verkehr gezogen oder teilweise auch verkauft“, sagt Marmann.

Rund 2500 Großteile werden pro Jahr transportiert

Der Lufttransport von Flugzeugteilen zwischen den Werken in Europa hat bei Airbus Tradition. Früher war die Super Guppy im Einsatz, seit Mitte der 1990er-Jahre ist es die Flotte der Beluga ST. Historisch bedingt sind die Arbeitspakete in dem europäischen Konzern geteilt. Rund 2500 Flügel, Cockpits und Rümpfe werden jährlich hin- und hergeflogen – Tendenz steigend. Die Endmontage der zivilen Flugzeuge findet auf dem Alten Kontinent in Hamburg und Toulouse statt, wichtige Komponenten kommen zum Beispiel aus Broughton (England) und Getafe. So werden in der spanischen Stadt beispielsweise die Höhenleitwerke für den Kurz- und Mittelstreckenjet A320 gefertigt und nach Hamburg geflogen.

In dem Werk an der Elbe werden mehr als die Hälfte des Verkaufsschlagers endmontiert, dessen Produktion weiterhin hochgefahren wird, von konzernweit 60 auf 63 Stück pro Monat. In die Beluga ST passen pro Flug aber nur zwei Höhenleitwerke hinein. In das Transportflugzeug der nächsten Generation ist aber Platz für sechs Höhenleitwerke – das spart Flüge ein, denn die Flugstunden der Beluga-Flotte pro Jahr haben sich seit 2011 etwa verdoppelt.