Hamburg . Allein in der Hansestadt stockt das Life-Sciences-Unternehmen 2019 die Zahl der Stellen um 100 auf. Weitere Überraschungen.
Es ist schon ein wenig kompliziert, Eppendorf zu finden – selbst wenn man sich als Hamburger gut in seiner Stadt auskennt. Denn Eppendorf liegt in diesem Fall nicht im gleichnamigen Stadtteil, sondern in Hummelsbüttel – also das Unternehmen Eppendorf, genauer: die Eppendorf AG. Und dazu noch ziemlich versteckt, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit großem Zeitaufwand zu erreichen. Selbst viele Taxifahrer fragen irritiert nach, will der Kunde zur Eppendorf AG. „Wir sind nicht wirklich bekannt, auch für viele Hamburger nicht“, sagt Thomas Bachmann – ohne gefragt zu werden – zum Auftakt der Bilanzvorlage für sein Unternehmen. Seit 2015 lenkt der gebürtige Schweizer – mit privatem Doppelwohnsitz in Hamburg und Zürich – das Life-Sciences-Unternehmen. Eines seiner Ziele: Eppendorf bekannter machen – und zwar das Unternehmen.
Bachmann drückt nicht nur bei diesem Vorhaben aufs Tempo. Seine Kommunikationsabteilung, die bis vor Kurzem eigentlich kaum existent war, hat nun fünf Mitarbeiter. Denn Bachmann weiß: Wer bekannt werden möchte, sollte kommunizieren. Er selbst spricht darüber hinaus davon, dass die Eppendorf AG Konkurrenten wie Pfizer, Novartis und Boehringer Ingelheim „immer einen Schritt voraus“ sein wolle. Mit innovativen Start-ups möchte er kooperieren – und auch das Thema Übernahmen geht der 60-Jährige offensiv an. Aber nur, wenn es inhaltlich perfekt passt und die Firmen nicht zu klein sind.
Eppendorf ist Weltmarktführer für Pipetten
Der drahtige, braun gebrannte Manager, dessen Herkunft man sofort am ausgeprägten Dialekt erkennt, gibt sich selbstbewusst – und das hat einen guten Grund. Denn so unbekannt der genaue Standort der Zentrale in Hummelsbüttel für das Gros der Hamburger auch sein dürfte, nicht weniger überrascht werden viele sein, wenn sie lesen, dass es sich bei der Eppendorf AG um einen Weltmarktführer handelt. Denn 30 Prozent aller von Südamerika über Europa bis Asien verkauften Pipetten stammen aus Hummelsbüttel. Kaum ein Chemielabor rund um den Globus dürfte ohne die Produkte der Hamburger auskommen. Neben Pipetten stellt die Eppendorf AG auch Zentrifugen, Photometer sowie Ultra-Tiefkühlgeräte her – und viele weitere Hightechgeräte, auf die kein Forscher verzichten möchte.
Eine weitere Besonderheit: In Hamburg wird nicht nur verwaltet und geforscht, sondern auch produziert. Rund 1000 der weltweit mehr als 3300 Beschäftigten arbeiten in der Hansestadt. Und die Bedeutung Hamburgs für das Life-Sciences-Unternehmen wird weiter zunehmen. Allein bis Ende 2019 sollen von weltweit 250 neuen Stellen 100 in der Hansestadt entstehen. Also ein Personalaufbau von zehn Prozent am Geburtsort des 1945 von Heinrich Netheler und Hans Hinz gegründeten Weltmarktführers. Zudem möchte Vorstandschef Bachmann auch räumlich in Hummelsbüttel wachsen. „Ja, wir wollen erweitern“, sagt er. Details zu den Plänen soll es aber frühestens im Herbst geben.
Ausgaben für die Forschung steigen stetig
Die Erweiterung ist Teil eines millionenschweren Investitionsplans, der dazu beitragen soll, dass der Umsatz um durchschnittlich sechs Prozent im Jahr zulegt. Im vergangenen Jahr ist dieser Zielwert sogar übertroffen worden. Um 8,2 Prozent stiegen die Erlöse auf 729,2 Millionen Euro. Bachmanns Zielmarke in fünf bis sechs Jahren: eine Milliarde Euro. Auch den Gewinn konnte die Eppendorf AG 2018 deutlich erhöhen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte um 5,6 Prozent auf 153,7 Millionen Euro.
Auch wenn man auf andere Finanzkennzahlen schaut, wird schnell klar, dass man sich mit einem ökonomisch kerngesunden Unternehmen beschäftigt. Vor allem die Eigenkapitalquote von 69,4 Prozent untermauert die Unabhängigkeit des Hamburger Unternehmens, das übrigens nicht, wie der Zusatz AG vermuten lassen könnte, an der Börse notiert ist, sondern sich zu 100 Prozent in privater Hand befindet.
Das Unternehmen ist in Familienbesitz
In guter alter Tradition werden 65 Prozent der Anteile von den Nachfahren Heinrich Nethelers und die restlichen 35 Prozent von den Nachfahren Hans Hinz’ gehalten. Die beiden Familienstämme haben zudem noch jeweils einen Vertreter im Aufsichtsrat. Doch im Vergleich zu vielen anderen Familienfirmen redeten die Aufsichtsratsvertreter bei der Eppendorf AG dem Chef nicht ins Tagesgeschäft herein, versichert Bachmann. „Das ist eine sehr gute Zusammenarbeit“, sagt der verheiratete Vater dreier Kinder, der sich mit Familie also privat selbst bestens auskennen dürfte. Auch beim Ziel der neuen Offenheit und der Investitionsoffensive zögen Vorstand und Aufsichtsrat an einem Strang. Dafür spricht übrigens auch diese Finanzkennzahl: 45,3 Millionen Euro hat die Eppendorf AG 2018 für Forschung und Entwicklung ausgegeben – ein historischer Spitzenwert.
Nur eine Zahl in der Konzernbilanz erschreckt auf den ersten Blick. Von 2016 bis 2018 steht dort die Null – allerdings in der Spalte mit den Bankverbindlichkeiten. Die Eppendorf AG benötigt also keine Bankkredite – was übrigens definitiv nicht am kompliziert zu erreichenden Standort in Hummelsbüttel liegt. Denn moderne Bankberater verfügen über Autos mit Navigationsgerät.