Hamburg. Zu Besuch im Customer Definition Centre auf Finkenwerder. Hightech-Bereich wurde auf 8000 Quadratmeter erweitert.

Airbus-Kunden, die Flugzeuge für Milliardenbeträge ordern, nehmen es mit jedem Detail genau. Allein die Festlegung des Lichtkonzepts für den Innenraum der künftigen Jets dauert mehrere Tage. Schließlich ermöglicht die LED-Technik nicht nur mehr als 16 Millionen unterschiedliche Beleuchtungsfarben, es lassen sich auch sehr individuelle Effekte realisieren: „Zusammen mit unserem Kunden Finnair haben wir ein künstliches Nordlicht für die Kabinendecke entwickelt“, sagt Eric Ezell, der bei Airbus in Hamburg das Kabinengestaltungszentrum (Customer Definition Centre, CDC) leitet. „Manche Airlines bringen sogar ihr Bordessen und Getränke hierher mit, um sicherzugehen, dass zum Beispiel der Orangensaft, der nach dem Einsteigen gereicht wird, in der gewählten Lichtfarbe nicht etwa unappetitlich aussieht.“

Anfang 2014 hatte Airbus das CDC zunächst speziell für Käufer des damals neuen Langstreckenjets A350 eröffnet. Das 3000 Quadratmeter große Zentrum, für das man eine Produktionshalle aus den 1960-er Jahren nutzte, ist weit mehr als nur ein Schauraum, in dem die Kunden wie in einem Möbelhaus in verschiedenen Flugzeugsitzen Platz nehmen und diverse Bordküchen, Waschräume, Stauschränke, Wandverkleidungen und Teppiche unter die Lupe nehmen können. Computertechnik lässt es auch zu, virtuell durch dreidimensionale Modelle des fertig ausgebauten Jet-Innenraums zu gehen, um so die am besten passende Einrichtungsvariante zu finden.

Immer größere Bedeutung der Innenräume

Pünktlich zum Beginn der weltgrößten Flugzeugkabinenmesse in Hamburg hat Airbus das CDC jetzt erheblich erweitert: Nachdem auch der angrenzende Hangar umgestaltet wurde, bietet es nun eine Fläche von 8000 Quadratmetern auf zwei Ebenen. Vor allem aber steht es ab sofort auch Airlines zur Verfügung, die den etwas kleineren A330-Langstreckenflieger oder die Kurz- und Mittelstreckenmaschinen der A320-Familie geordert haben.

„Unsere Kunden haben diesen Wunsch geäußert, denn inzwischen setzen vier von fünf A350-Betreibern gleichzeitig auch A330- oder A320-Jets ein“, sagt Sören Scholz, Leiter Kabinenentwicklung bei Airbus. Doch es gibt noch einen anderen Grund, warum die Gestaltung der Flugzeuginnenräume immer größere Bedeutung bekommt: Im September 2018 brachte Airbus eine Ultralangstreckenausführung des A350 für Routen mit bis zu 20 Stunden Flugdauer auf den Markt, im November folgte der A321LR, der die Reichweite der kleineren Baureihe des europäischen Herstellers auf immerhin 7400 Kilometer steigert – was ungefähr acht bis neun Stunden vom Start bis zur Landung entspricht.

Gebäude stammt aus den 1930er-Jahren

„Damit verbringen Passagiere und Besatzungen deutlich mehr Zeit im Flugzeug als zuvor“, sagt Airbus-Marketingchef François Caudron. Zudem gebe es in der Luftverkehrsbranche einen Trend hin zu einem immer stärker differenzierten Komfortangebot für die Gäste: „In vielen Jets der A320-Reihe sehen wir jetzt schon drei Buchungsklassen und nicht nur eine oder zwei, im Langstreckenbereich gibt es sogar schon fünf Klassen.“ Damit wird die Planung der Kabine um so komplexer.

Flugzeugkabinen der Zukunft:

Sind das sind die Flugzeugkabinen der Zukunft?

Airbus hat in der Kategorie Kabinenkonzepte den Preis für seine
Airbus hat in der Kategorie Kabinenkonzepte den Preis für seine "Lower Deck Pax Modules" gewonnen, Lounge- oder Ruheabteile unterhalb der Passagierkabine. © Hamburg Aviation | Airbus
In der Kategorie Passagierkomfort - Hardware siegte Recaro mit dem
In der Kategorie Passagierkomfort - Hardware siegte Recaro mit dem "Sleeping Comfort"-Sitz. Mit zusätzlichen Polster- und Stützelementen soll er auch in der Economy Class für mehr Komfort sorgen. © Hamburg Aviation | Recaro
In der Kategorie Kabinensysteme gewann Collins Aerospace mit
In der Kategorie Kabinensysteme gewann Collins Aerospace mit "Flex Duet", einer klappbaren Selbstbedienungstheke für Snacks und Getränke. © Hamburg Aviation | Collins Aerospace
In der Kategorie Bordunterhaltung und Konnektivität gewann United Airlines mit dem System
In der Kategorie Bordunterhaltung und Konnektivität gewann United Airlines mit dem System "Entertainment for all", das auch Passagieren mit Einschränkungen vollen Zugang zur Bordunterhaltung bieten soll. © Hamburg Aviation | united airlines
In der Kategorie Grünere Kabine, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt siegte Air New Zealand mit der  Weiterentwicklung seiner
In der Kategorie Grünere Kabine, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt siegte Air New Zealand mit der Weiterentwicklung seiner "Skycouch". Die zu einer Liegefläche umwandelbare Sitzreihe ist nun auch familientauglich. © Hamburg Aviation | Air New Zealand
In der Kategorie Materialien und Komponenten setzte sich Collins Aerospace mit dem
In der Kategorie Materialien und Komponenten setzte sich Collins Aerospace mit dem "µLED Reading Light" durch. Das LED-Leselicht soll bestehende Leselampen ersetzen. © Hamburg Aviation | Collins Aerospace
In der Nachwuchs-Kategorie Universität gewann Sahngseok Lee von der Universität Hongik (Südkorea) für das in Zusammenarbeit mit Adient entwickelte Kabinenkonzept
In der Nachwuchs-Kategorie Universität gewann Sahngseok Lee von der Universität Hongik (Südkorea) für das in Zusammenarbeit mit Adient entwickelte Kabinenkonzept "1 For All" nominiert, das verschiedene Buchungsklassen verschachtelt, um zu einer möglichst effektiven Raumausnutzung zu kommen. © Hamburg Aviation | Adient/Hongik University
In der Kategorie Visionäre Konzepte gewann Paperclip Design mit der
In der Kategorie Visionäre Konzepte gewann Paperclip Design mit der "Peacock Suite": Das Design einer First-Class-Suite ist auch nach dem Einbau anpassbar, um je nach Nachfrage unterschiedliche Konfigurationen zur Verfügung stellen zu können. © Hamburg Aviation | Paperclip Design
Nominiert in der Kategorie Kabinenkonzepte war Emirates für seine
Nominiert in der Kategorie Kabinenkonzepte war Emirates für seine "Fully Enclosed Suites", vollständig vom Rest der Kabine getrennten Erste-Klasse-Abteilen. © Hamburg Aviation | Emirates
Nominiert in der Kategorie Kabinenkonzepte war Safran für seine
Nominiert in der Kategorie Kabinenkonzepte war Safran für seine "Essential Business Class", die trotz einer Gewichtseinsparung von 25 Prozent rund 20 Prozent mehr Platz für den Passagier bieten soll. © Hamburg Aviation | Safran
In der Kategorie Passagierkomfort - Hardware war Panasonic für das
In der Kategorie Passagierkomfort - Hardware war Panasonic für das "Active Noise Control"-System nominiert. Wie bei lärmschluckenden Kopfhörern sollen die Geräusche des Flugzeuges in diesem Business-Class-Sitz gefiltert werden. © Hamburg Aviation | Panasonic
In der Kategorie Passagierkomfort - Hardware war Style & Design für das
In der Kategorie Passagierkomfort - Hardware war Style & Design für das "Moments"-Konzept eines neuen Business-Class-Sitzes nominiert, das mehr Sitz- und Liegefläche bei gleicher Grundfläche bieten soll. © Hamburg Aviation | Style & Design
In der Kategorie Bordunterhaltung und Konnektivität war Collins Aerospace für sein
In der Kategorie Bordunterhaltung und Konnektivität war Collins Aerospace für sein "Virtual Window" nominiert. Die virtuellen Fenster kommen im ebenfalls nominierten Konzept der Emirates-Suite zum Einsatz. © Hamburg Aviation | Collins Aerospace
In der Kategorie Bordunterhaltung und Konnektivität war Global Eagle für den Satelliten
In der Kategorie Bordunterhaltung und Konnektivität war Global Eagle für den Satelliten "LEO" nominiert: Der niedrig fliegende Satellit soll für stabile Breitbandverbindungen in der Luft sorgen – auch in schwierigen Lagen wie der Polarregion. © Hamburg Aviation | Global Eagle
In der Kategorie Materialien und Komponenten war Safran für die
In der Kategorie Materialien und Komponenten war Safran für die "Flexible Door" nominiert: Mit dem Tür-Rollo lässt sich ein Business-Class-Sitz vom Rest der Kabine abtrennen. © Hamburg Aviation | Safran
In der Kategorie Materialien und Komponenten war Kydex für das
In der Kategorie Materialien und Komponenten war Kydex für das "Lumina"-Beleuchtungssystem nominiert. Das neuartige Kunststoffpaneel lässt sich individuell beleuchten. © Hamburg Aviation | Kydex
In der Kategorie Grünere Kabine, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt war Panasonic für sein Luftfiltersystem
In der Kategorie Grünere Kabine, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt war Panasonic für sein Luftfiltersystem "Nanoe" nominiert: Das System soll Gerüche aus der Kabinenluft entfernen können - vorerst aber nur in der Business Class. © Hamburg Aviation | Panasonic
Nominiert in der Kategorie Kabinensysteme war Airbus für den
Nominiert in der Kategorie Kabinensysteme war Airbus für den "Xtend Seat". Beim Aufstehen klappt ein Teil der Sitzfläche nach unten, so soll mehr Bewegungsfreiheit beim Verlassen des Sitzplatzes gewährt werden. © Hamburg Aviation | Airbus
In der Kategorie Grünere Kabine, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt war  Diehl Aviation für die
In der Kategorie Grünere Kabine, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt war Diehl Aviation für die "UV-LED Water Disinfection Unit" nominiert: Der nachrüstbare antibakterielle Filter macht das Wasser aus dem Hahn im Waschbereich bedenkenlos trinkbar. © Hamburg Aviation | Diehl Aviation
Nominiert in der Kategorie Kabinensysteme war Diehl Aviation für
Nominiert in der Kategorie Kabinensysteme war Diehl Aviation für "FlexPSU": Lüftungsdüsen und Leselicht sind nicht mehr fest verschraubt, sondern verschiebbar. © Hamburg Aviation | Diehl Aviation
In der Nachwuchs-Kategorie Universität war Clément Heinen von der TU Delft (Niederlande) für den zusammen mit Safran entwickelten
In der Nachwuchs-Kategorie Universität war Clément Heinen von der TU Delft (Niederlande) für den zusammen mit Safran entwickelten "Stratus"-Sitz nominiert, der sich zu verschiedenen Konfigurationen umfunktionieren lässt. © Hamburg Aviation | Safran/TU Delft
In der Nachwuchs-Kategorie Universität war Joseph Lane von der Universität Cincinnati für die
In der Nachwuchs-Kategorie Universität war Joseph Lane von der Universität Cincinnati für die "Sky Dining"-App nominiert. Mit der App sollen Passagiere vor dem Abflug Gerichte aus Flughafenrestaurants zum Verzehr während des Flugs bestellen können. © Hamburg Aviation | University of Cincinnati
In der Kategorie Visionäre Konzepte war Aim Altitude für die
In der Kategorie Visionäre Konzepte war Aim Altitude für die "Ultraflex-Zone" nominiert. Das Raumkonzept soll Passagieren aller Buchungsklassen die Möglichkeit zum Arbeiten, Entspannen oder Snacken geben. © Hamburg Aviation | Aim Altitude
In der Kategorie Visionäre Konzepte war Boeing für das
In der Kategorie Visionäre Konzepte war Boeing für das "Smart Cabin"-Konzept nominiert: Ähnlich eines Smart Homes soll die Elemente der Kabine digital verwalt- und steuerbar werden.  © Hamburg Aviation | BOEING
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„Wir wollen den Airlines einen Platz bieten, an dem sie sich inspirieren lassen können“, sagt Caudron. Seit Eröffnung der ersten Ausbaustufe des CDC vor fünf Jahren haben nach Angaben von Ezell bereits Hunderte von Kundentreffen dort stattgefunden. In der Regel seien Airline-Teams drei oder vier Tage vor Ort – und zwar in wechselnder Zusammensetzung mehrfach während des etliche Monate dauernden Designprozesses. Für die abschließenden Entscheidungen komme nicht selten der Chef des Kunden selbst mit, heißt es von Airbus. Aktuell sind Abordnungen von vier Fluggesellschaften im CDC aktiv, wobei höchste Diskretion garantiert sein muss: Potenzielle Wettbewerber sollen nicht mitbekommen, welche Neuerungen ihr Konkurrent für seine Kabinen plant.

Innovative Mittel

Betreut werden die Delegationen von einem 15 Personen umfassenden Kernteam, das aber auf die Unterstützung der etwa 2000 Beschäftigten des Bereichs Kabinenentwicklung in Hamburg zurückgreifen kann – schließlich ist der Standort auf Finkenwerder konzernweit das Kompetenzzentrum für die Passagier- und Frachträume. Die für die CDC-Erweiterung umgestaltete Fertigungshalle hat mit ihren neu verlegten Holzböden, dem großzügigen Raumgefühl und dem schwarz lackierten Stahlgerüst an der Decke nun den Charakter eines Industrie-Lofts. Tatsächlich ist sie eines der ältesten Gebäude auf dem Werksgelände und stammt aus den 1930-er-Jahren, als die Schiffswerft Blohm & Voss begann, dort Flugboote zu bauen.

Alte Halle mit modernster Technik: ein Blick in den neuen KabinenShowroom auf Finkenwerder.
Alte Halle mit modernster Technik: ein Blick in den neuen KabinenShowroom auf Finkenwerder. © Airbus | Lindner Fotografie

Zu den innovativen Mitteln, die Airbus heute an diesem Ort für die Kabinenplanung einsetzt, gehört die Bodenprojektion: In einem abgedunkelten Raum werden mit grünem Licht auf dem Teppich die Grundrisse verschiedener Einrichtungsvarianten dargestellt. So können die Kunden beispielsweise mit einem echten Servierwagen erproben, ob den Flugbegleitern später genügend Platz zum Rangieren bleibt. In einem anderen Raum stehen originale Bordküchenöfen und Kaffeemaschinen aufgereiht. „Airlines bringen auch schon mal ihre speziellen Kaffeepulverkapseln mit, um die unterschiedlichen Maschinen zu testen“, sagt Ezell.

Rund 20 Rumpfattrappen

Im CDC befinden sich aber auch rund 20 Rumpfattrappen von Airbus-Maschinen der Typen A350, A330 und A320 im 1:1-Maßstab für diverse Zwecke. Hier suchen sich die Manager der Airlines nicht nur ihre Wunsch-Lichtfarbe aus den gut 16 Millionen Möglichkeiten aus. Sie können unter anderem am eigenen Leib ausprobieren, ob sie ihren Passagieren einen Sitzabstand von nur 71 Zentimetern (28 Zoll), wie der mittels ultradünner Lehnen heute realisierbar ist, wirklich zumuten möchten. Vor dem Aufkommen der Billigflieger waren auf Kurz- und Mittelstrecken noch knapp acht Zentimeter mehr üblich.