Hamburg. Chef hält Staatsdarlehen für Risikokapital. Es geht um 600 Millionen Euro Steuergelder. Auch Sparern drohen Einbußen.

„Es war schmerzhaft, diese Entscheidung zu treffen.“ Es ist einen Monat her, dass Airbus-Chef Tom Enders mit diesem Satz auf der Bilanzpressekonferenz in Toulouse das Aus für den A380 intonierte. Aber Manager müssten nicht nach Gefühlen, sondern nach Fakten entscheiden. Und Aufträge für das größte Passagierflugzeug der Welt seien halt Mangelware. Der 60-Jährige ist ein Mann der Entscheidungen und klarer Worte – und nun gehen diese in Richtung der deutschen Regierung.

Im Jahr 2002 erhielt der europäische Flugzeugbauer vom Bund für die Entwicklung des A380 einen Kredit über 942 Millionen Euro. Mehr als 600 Millionen Euro davon wurden bisher nicht zurückgezahlt, ergab eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion an das Bundeswirtschaftsministerium.

Rückzahlung an Auslieferungen gekoppelt

Die Rückzahlung des Kredits ist an die Zahl der Auslieferungen gekoppelt, heißt es. Also floss pro an den Kunden übergebener Maschine Geld zurück. Doch es werden nur noch 17 Flugzeuge an Kunden übergeben, bevor das Programm im Jahr 2021 gestoppt wird. Bis dahin wird der Kredit nicht abbezahlt sein. Und wenn es nach Enders geht, wird der Kredit im Anschluss daran auch nicht weiter bedient.

„Es ist Fakt, dass das eine Risikopartnerschaft ist“, sagte Enders der Wirtschaftszeitung „Financial Times (FT)“ und führte aus: „Die Darlehen basieren auf dem Versprechen der kreditgewährenden Regierungen, dass ihr Geld bei fehlendem Erfolg des Flugzeugs in Gefahr ist.“ Daher sehe man sich nicht in der Pflicht, die Staatskredite zurückzuzahlen. Zumal die Bundesrepublik seit Gewährung des A380-Darlehens hohe Zinszahlungen erhalten habe. Und der Jet in den vergangenen 18 Jahren in Deutschland zu einer großen Zahl von Jobs und der Entwicklung von Technologie in hohem Ausmaß geführt habe.

Kritik von den Grünen

Kritik kam von der Bundestagsfraktion der Grünen. „Der Fall Airbus zeigt: Solche staatlichen Firmen-Beteiligungen müssen die absolute Ausnahme bleiben“, sagte Katharina Dröge, Sprecherin für Wettbewerbspolitik. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sei auf dem Irrweg, wenn er nun im Rahmen seiner Industriestrategie im großen Stil Beteiligungen an deutschen Firmen kaufen will. Dröge: „Die Gefahr ist groß, dass viel Steuergeld verzockt wird, ohne dass es irgendwem nützt.“

Neben der Bundesrepublik gewährten auch Spanien, Frankreich und Großbritannien Airbus solche Kredite. Laut „FT“ sollen es im Vereinigten Königreich 530 Millionen Pfund (heute 616 Millionen Euro) gewesen sein. Der auf der Insel ansässige Triebwerkshersteller Rolls-Royce soll 200 Millionen Pfund für die Entwicklung der Trent 900-Motoren für den Riesen-Airbus erhalten haben.

Branchenexperte: Kredite sind üblich

In der Branche hält sich die Aufregung über die Enders-Aussage in Grenzen. „In der Luftfahrtindustrie erhalten eigentlich alle Firmen Zuschüsse“, sagte der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt dem Abendblatt. So tobt seit den 90er-Jahren vor der Welthandelsorganisation (WTO) ein Streit zwischen Airbus und dem US-Konkurrenten Boeing. Beide Seiten bezichtigen sich gegenseitig der Annahme illegaler Subventionen. Fast bei jeder WTO-Entscheidung halten sich beide Seiten für den Sieger.

Die europäischen Staaten gaben in den Anfangsjahren Anschubfinanzierungen. In den vergangenen Jahren hätte es dann rückzahlbare Entwicklungskostendarlehen gegeben. „An dem Verhalten von Enders kann ich nichts Skandalöses finden“, sagte Großbongardt – wenn das Darlehen (wie es heißt) an die Auslieferungszahlen gekoppelt sei. Schließlich seien Verträge bindend. Allerdings müsse man sich fragen, ob es nicht auch eine Erfolgsbeteiligung geben müsste, ergänzte Großbongardt: „Der Fairness halber müssten Kreditgeber bei besonders gut laufenden Flugzeugprogrammen mehr Geld bekommen als die Darlehenshöhe plus Verzinsung.“

Prüfung der Verträge läuft

Im Wirtschaftsministerium wollte man sich zu den Enders-Äußerungen nicht konkret äußern. „Die Prüfung der Verträge läuft momentan. Wenn die Prüfung geklärt ist, werden wir alles, was uns zusteht, von Airbus einfordern“, sagte Sprecher Dominik Geißler auf Abendblatt-Anfrage. Weitere Details nannte er zu dem Vorgang nicht.

Das Aus für den A380 könnte übrigens nicht nur im Staatshaushalt ein Loch hinterlassen – auch Kleinanleger könnten betroffen sein. Im Oktober 2007 erhielt Singapore Airlines den ersten A380, der in den Liniendienst gestellt wurde. Finanziert wurde er vom Fondshaus Dr. Peters. Rund 200 Millionen Dollar sammelte das Dortmunder Unternehmen bei Sparern für den Kauf ein. Das Modell machte Schule, gut ein Dutzend dieser Fonds wurden aufgelegt, um jeweils eine Maschine zu kaufen. Insgesamt stehen also mehr als zwei Milliarden Dollar im Feuer. „Einen Totalverlust wird es nicht geben“, sagt Großbongardt. Aber: Die in Aussicht gestellten sieben bis acht Prozent Rendite werden voraussichtlich nicht erwirtschaftet werden.

Maschinen vor Verschrottung

Immerhin sind die Fonds so aufgebaut, dass nach Ende der ersten Leasingperiode von meist zehn Jahren das eingesetzte Kapital zurückgeflossen sein soll. „Die Anleger werden mit einem blauen Auge davon kommen“, sagte Großbongardt. Ob die Maschinen weiter vermietet werden können, ist aber offen.

Ihnen droht das gleiche Schicksal wie dem A380 von Singapore. Die Maschine steht in Südfrankreich auf einem Flugplatz und wird ausgeschlachtet, vulgo verschrottet. Teil für Teil soll verkauft werden und so Erlöse generieren. Das Fondshaus Dr. Peters hofft, den Anlegern 145 bis 155 Prozent zurückzahlen zu können. Ob so ein Rückfluss auch in Zukunft erreicht wird, hält Großbongardt für fraglich. Schließlich werden mehr gebrauchte Jets auf den Markt kommen, dadurch steigt die Zahl der Ersatzteile – die Folge: Die Preise dafür sinken. Der Markt für den A380 ist halt tot.