Hamburg. Dreamliner: VIP-Flieger-Experten statten erstmals eine Boeing 787 aus. Das Rumpfmaterial ist eine besondere Herausforderung.
Schon mehr als 140 Flugzeuge hat die Hamburger Technik-Tochter der Lufthansa in den zurückliegenden sieben Jahrzehnten in exklusive Reisemaschinen für Regierungen oder Ultra-Reiche verwandelt. Doch derzeit arbeiten mehrere hundert Beschäftigte des Unternehmens in einem Hangar in Fuhlsbüttel an einer echten Premiere: Eine Boeing 787 ist der erste Jet der neuesten Generation in Kunststoffbauweise, der bei Lufthansa Technik eine luxuriöse VIP-Ausstattung erhält.
Wer an einem solchen Projekt beteiligt ist, bewegt sich in einer ganz besondere Welt, die Außenstehenden geradezu bizarr erscheinen kann. Da gibt es Teppichböden zu Preisen von mehr als 7000 Euro pro Quadratmeter, eine maßgefertigte Anrichte im Wert eines Autos der oberen Mittelklasse für das „Wohnzimmer“ des Fliegers und ein Team von Engländern, die allein darauf spezialisiert sind, lackierte Oberflächen auf Hochglanz zu polieren. „So eine Ausstattung kostet einen höheren zweistelligen Millionenbetrag“, sagt Michael von Puttkamer, Leiter des Kundenservices im VIP-Bereich bei Lufthansa Technik.
Mehr als 100.000 Arbeitsstunden
Für den Kunden addiert sich das zum Listenpreis der Boeing 787 von umgerechnet rund 200 Millionen Euro. Bis zur Fertigstellung des Innenausbaus Ende 2020 wird in Hamburg ein Arbeitsstundenumfang „im deutlich sechsstelligen Bereich“ anfallen, so von Puttkamer. Wer der Kunde ist? Dazu sagt Lufthansa Technik, wie bei solchen Aufträgen üblich, nichts. Flugzeug-Spotter in Fuhlsbüttel hatten aber Ende November einen 787-Jet in den auffallenden blau-weiß-grünen Farben eines zentralasiatischen Staates bei der Landung fotografiert.
In VIP-Ausstattung sind die Boeing-„Dreamliner“, die im Liniendienst rund 240 Passagiere über gut 13.000 Kilometer transportieren können, bisher noch eine seltene Erscheinung auf den Flughäfen rund um den Globus. „Derzeit sind erst drei solcher Maschinen in Betrieb“, sagt Jan Butzmann, Projektleiter in der VIP-Jet-Sparte der Lufthansa-Tochter. Doch auch der Kreis der Anbieter von aufwendigen Innenausbauten für große Flieger ist überschaubar – nur drei oder vier Unternehmen weltweit haben die dafür erforderliche Expertise.
Neue Löcher dürfen nicht gebohrt werden
Bei der individuellen Ausstattung einer Boeing 787, deren Rumpf ebenso wie der eines Airbus A350 aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) und nicht mehr aus Metall besteht, gibt es viele Besonderheiten gegenüber der üblichen Arbeitsweise. „Weil das Material nicht leitet und daher nicht als Masseanschluss für elektrische Installationen wirkt, müssen wir wesentlich mehr Leitungen verlegen“, sagt Butzmann. Und während bei Aluminiumfliegern die zur Verstärkung des Rumpfs dienenden Spanten beliebig angebohrt werden können, müssen die Techniker in der 787 zur Fixierung von Einbauelementen auf die von Boeing für die Aufhängung der Gepäckfächer – die in VIP-Jets nicht gebraucht werden – vorgesehenen Halterungen zurückgreifen. „Wir bohren nicht in die CFK-Struktur“, sagt Butzmann.
Hinzu komme, dass der „Dreamliner“ kompromisslos auf Effizienz im Linieneinsatz getrimmt sei. So gibt es in dem Flugzeug aus Gewichtsgründen weniger Hydraulik- und Druckluftleitungen, stattdessen nutzten die Konstrukteure elektrischen Strom für sehr vielmehr Funktionen als in herkömmlichen Jets. In den 20 bis 30 Minuten vor der Landung aber erzeugen die dann gedrosselten Triebwerke über die Generatoren relativ wenig Strom, gleichzeitig wird viel Elektrizität für den Vereisungsschutz der Tragflächen beim Sinkflug durch Wolken sowie für das Ausfahren von Bremsklappen benötigt. „Der Bordcomputer in der 787 geht mit dieser Situation um, indem er Küchengeräte, die auch Strom verbrauchen könnten, einfach vom Netz nimmt“, sagt Butzmann – im Landeanflug gibt es eben keinen frisch gebrühten Kaffee mehr.
Ein Rumpfabschnitt wird in Holz nachgebaut
Allerdings haben die Spezialisten von Lufthansa Technik reichlich Zeit, den Kunden mit derartigen Besonderheiten vertraut zu machen. Denn schon sechs bis zwölf Monate vor dem Eintreffen des Jets in Fuhlsbüttel gibt es immer wieder Treffen mit dem Käufer und Mitarbeitern des von ihm beauftragten Designbüros. „Die Planung beginnt mit Grundrissen, dann folgen detailliertere Seitenansichten der Einrichtung und schließlich fotorealistische Darstellungen“, sagt von Puttkamer. Zudem bauen die Hamburger einen fünf bis sechs Meter langen Rumpfabschnitt im Maßstab 1:1 nach, in dem Teile der Einrichtung schon vorab im Original präsentiert werden können: „Unsere Kunden möchten auch etwas zum Anfassen.“
Fotos aus dem Flugzeuginneren sind tabu – die gezeigten Animationen sind mögliche Designvarianten.
Erste Möbel für die 787 sind allerdings bereits fertiggestellt. Sie sehen aus wie aus Holz – sind es aber nicht. Das Grundmaterial sind Wabenstrukturen aus Pappe zwischen Kunststoff-Deckhäuten. Darauf wird eine hauchdünne Furnierfolie geklebt. Zwölf Schichten Lack sorgen für edlen Glanz und dafür, dass die Stücke schwer entflammbar sind – Bedingung für die Luftfahrtzulassung, die alle fest eingebauten Teile benötigen. Für Stellen, an denen sich Furnier schwer aufbringen lässt, gibt es noch eine andere Lösung. „Wir arbeiten in unserer Branche auch mit Künstlern zusammen, die Holzoberflächen täuschend echt malen können“, so von Puttkamer. Zudem sind bei Lufthansa Technik etliche Tischler und Sattler fest angestellt: „Das sind echte Künstler – es ist immer wieder faszinierend, zu sehen, was die können.“
Araber wollen Gold, Asiaten mit Designern kooperieren
Von rund 1000 Beschäftigten der VIP-Sparte in Hamburg sind bis zu 600 Personen wenigstens zeitweise an dem 787-Projekt beteiligt, gut die Hälfte davon in der Fertigung, der Ausstattung und in der Montage. Neben dem „Dreamliner“ finden in den Hallen ein weiterer großer Luxusjet und zwei oder drei kleinere Maschinen Platz. Dabei schwankt die Auslastung über die Jahre. „Zuletzt tut sich wieder sehr viel am Markt“, sagt von Puttkamer. Immer häufiger kommen die Abnehmer aus Fernost. „Sie schätzen es, wenn das Design in Zusammenarbeit mit berühmten Modemarken entwickelt wird“, verrät der Lufthansa-Technik-Manager. Würdenträger aus dem „arabischen Raum“ stellten jedoch weiter die größte Kundengruppe – und für sie werde „immer noch viel Gold verbaut“.