Hamburg. Florian Braun modernisiert das Traditionsgeschäft für Luxusmode – und sieht den Neuen Wall optimistisch.

Es ist natürlich kein Zufall, dass Dior direkt am Eingang präsentiert wird. Direkt gegenüber steht sorgfältig drapiert eine Handtasche des französischen Designlabels Céline. Wer das Modehaus Unger durch die hohen Glastüren betritt, kennt die Klassiker genau wie die Must-Haves der aktuellen Saison. Ein junges Paar lässt sich eine Abendtasche zeigen, vor einem Spiegel probiert eine Frau einen Cashmere-Pullover.

Ein paar Schritte weiter gibt es Neues aus den Kollektionen von Valentino, Chloé oder Saint Laurent. Guter Geschmack mag für jeden etwas anders sein. Aber Luxus definiert sich in der Welt der Mode immer auch über die großen Marken. Unger hat sie alle. Naja, sehr viele und einige – wie Dior – auch exklusiv in Hamburg. Während rundherum lauter auf Hochglanz polierte, austauschbare Shops großer Edellabels eingezogen sind, ist das Traditionshaus einer der letzten unabhängigen Einzelhändler am Neuen Wall. Erst vor einigen Tagen hat der Herrenausstatter Ladage & Oelke angekündigt, den angestammten Standort an Hamburgs Nobelmeile zu verlassen.

Zum Jubiläum wurde der Laden umgebaut

„Wir bleiben“, sagt Florian Braun sehr bestimmt. Natürlich kennt der 39-Jährige, der Unger in dritter Generation führt, die schwierige Situation im Modehandel und die Krise der stationären Anbieter, deren Kunden immer häufiger auch teure Markenartikel per Mausklick im Internet ordern. „Wir haben viel dafür getan, den Standort langfristig zu sichern“, sagt er. Unter seiner Federführung haben die Verkaufsräume ein modernes und offenes Konzept bekommen – pünktlich zum 140-Jährigen Jubiläum des Unternehmens im vergangenen Jahr.

Die schweren Säulen am Eingang sind verschwunden, drinnen ist die Ungerische Modeauswahl auf 1200 Quadratmetern stilsicher arrangiert. Es gibt Sitzecken, eine kleine Bar und in der Wand eingelassene Tablets, auf denen die Kunden das Online-Angebot des Modehändlers checken können. Schon vorher hatte Inhaber Braun den Konzeptstore U2 für jüngere Kundinnen in der Kaiserpassage eröffnet.

Fünf Millionen Euro hat er in die Zukunftsfähigkeit des Familienbetriebs mit 125 Mitarbeitern gesteckt. „Eine lange Tradition ist eine tolle Geschichte und sicherlich etwas, worauf man stolz sein kann. Nur die Tradition an sich jedoch bringt einen im Hier und Jetzt nicht voran – darum beschäftigen wir uns mehr mit der Zukunft.“

Online-Shop ist der wichtigste Wachstumstreiber

Auch zu Unger kommen heute weniger Kunden als früher. Aber, betont Florian Braun, „wir haben nicht weniger Umsatz.“ Das hat mit den wachsenden Begehrlichkeiten und steigenden Preisen im immer schneller drehenden Luxusgütermarkt zu tun. Aber auch damit, dass er konsequent den Aufbau eines professionellen Online-Shops verfolgt hat. „Darüber machen wir inzwischen 25 Prozent des Umsatzes“, sagt der Unternehmer.

Die historische Aufnahme zeigt das Modegeschäft am Jungfernstieg.
Die historische Aufnahme zeigt das Modegeschäft am Jungfernstieg. © Unger

Schon jetzt sei das E-Commerce-Geschäft der wichtigste Wachstumstreiber. „Das Potenzial ist noch deutlich größer. In diesem Jahr wollen wir den nächsten großen Schritt machen.“ Weitere Investitionen sind geplant. Die Online-Erlöse sollen sich mittelfristig verdoppeln. Die Kunden seien oft die gleichen, die auch ins Geschäft kommen. Bestellt würden vor allem Basics wie Hosen, Pullover oder T-Shirts. „Aber wenn eine Kundin ein besonderes Stück kaufen will, schätzt sie nach wie vor die Atmosphäre und Beratung bei uns im Geschäft“, sagt Braun. Dazu gehört ein Glas Champagner bei der Anprobe und sich über das eigene Bild im Spiegel zu freuen. Emotionen eben.

Gustav Wilhelm Unger gründete den Modesalon 1878

Florian Braun wollte schon immer eine Rolle in der großen Modewelt spielen. „Mein Ehrgeiz ist, der Luxus-Retailer schlechthin in Deutschland zu sein“, sagt er. Das hat mit seiner Geschichte zu tun und mit der des Modehauses. Für viele ist Unger ein Begriff, steht in Hamburg für edle Mode wie Wempe für exklusiven Schmuck oder Felix Jud für besondere Bücher.

1878 hatte Gustav Wilhelm Unger das Unternehmen gegründet und seinen ersten Modesalon am Jungfernstieg Ecke Alsterarkaden eröffnet. Schon damals war Unger bekannt für wertvolle Lederwaren und Accessoires. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Geschäft zerstört und 1953 an der Große Johannisstraße gegenüber der Börse wieder eröffnet.

Die Eheleute Erich und Helene Braun, die bereits den Herren-Ausstatter Braun an der Mönckebergstraße betrieben, hatten das Modehaus gekauft und machten es zur ersten Adresse für stilsicher – und teuer – gekleidete Hanseatinnen. Chefin Helene Braun fuhr zu den großen Modeschauen nach Paris und Florenz, brachte die neusten Trends mit an die Elbe. Der Laden florierte.

Seit 1983 ist Unger am Neuen Wall

1983 zog Unger noch einmal um. Inzwischen hatte Sohn Michael Braun mit seiner Ehefrau Susanne die Geschäfte übernommen. Nachdem das Modehaus Horn am Neuen Wall aufgegeben hatte, kauften sie das Gebäude mit der Hausnummer 35 und machten es zum Hauptsitz des Unternehmens. Sohn Florian war damals noch ein Kleinkind, wuchs mit dem Laden auf.

Michael und Susanne Braun zogen 1983 mit Unger an den Neuen Wall.
Michael und Susanne Braun zogen 1983 mit Unger an den Neuen Wall. © Unger

Dass er das Familienunternehmen irgendwann übernehmen würde, war immer klar. Er studierte Betriebswirtschaft in London, machte Stationen in New York und Mailand und stieg vor neun Jahren in den elterlichen Betrieb ein. Über dem Laden hat er sich ein elegantes Büro mit Ledersesseln und moderner Kunst an den Wänden eingerichtet – und mit großer Fensterfront zum Neuen Wall.

Branchenmix auf der Luxusmeile ist schwierig

Von hier hat Florian Braun die Straße immer im Blick. „Der Branchenmix ist schwierig geworden“, sagt der Unger-Chef und sieht das auch mit Sorge. Manche Läden stehen schon länger leer. In einem macht Braun jetzt Werbung für seinen Konzeptstore U2. „Das wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.“ Dabei hat er natürlich auch die Mietpreise im Blick.

Nachdem die Familie das Unger-Haus vor einigen Jahren verkauft hat, ist das Modehaus Mieter und zahlt inzwischen bis zu 200 Euro pro Quadratmeter. „Man muss diese Preise ins Geschäftsmodell einbauen“, sagt der Firmeninhaber trocken. Von einer Krise, oder gar dem Niedergang der Meile will er nicht sprechen. Für ihn bleibt der Neue Wall die beste Geschäftslage in der Stadt, mit internationalen und vor allem solventen Kunden mit Vorliebe fürs Noble. „Und sowieso die schönste Luxusstraße in Deutschland“, sagt Florian Braun. Da ist der Kosmopolit Lokalpatriot.