Hamburg. Der Inhaber der Modehäuser Unger und Uzwei, wollte als Kind Zirkusdirektor werden. Was mit seinem jetzigen Beruf etwas zu tun hat.

Selbst-ver-ständ-lich war Florian Braun am 6. Dezember in der Elbphilharmonie. Wo hätte er sonst sein sollen, wenn der größte noch lebende Designer zur Modenschau nach Hamburg lädt? Ja, richtig. Die Rede ist natürlich von Karl Lagerfeld. Jeder, der das große Glück hatte, eine der 1400 vom Meister selbst illustrierten Einladungskarten in Händen zu halten, hatte seinen persönlichen Chanel-Moment.

Florian Braun beschreibt seinen so: „Es fing damit an, dass ein paar Journalistinnen der brasilianischen ,Vogue‘ bei uns im Deli frühstückten. Nach und nach kamen immer mehr Leute zu Unger, die sich noch schnell für die Show einkleiden wollten. Die weltberühmte Modekritikerin Suzy Menkes postete aus dem Hotel Vier Jahreszeiten, die Schauspielerin Kristen Stewart amüsierte sich auf dem Weihnachtsmarkt. Mir wurde mit einem Mal klar, was für ein Wahnsinnsevent in Hamburg stattfand. Und wir waren mittendrin.“

3 Fragen

Zur Erklärung: Das Deli ist die Erfrischungsecke in Hamburgs angesagtestem Concept Store Uzwei in der Kaisergalerie (gegenüber liegt – passenderweise – die Karl-Lagerfeld-Boutique). Auch Diane Kruger und Fatih Akin tranken hier gern ihren Latte während der zweimonatigen Drehzeit zum Film „Aus dem Nichts“.

Dass Hamburg wegen der Elbphilharmonie von Lagerfeld auserwählt, auf die modische Weltkarte gerückt und von den internationalen Modebegeisterten heimgesucht wurde wie sonst nur Paris oder Mailand, war genau nach Brauns Geschmack. Denn der Unternehmer, der sich als einer der letzten Einzelhändler oder Retailer, wie es im Fachjargon heißt, am teuren Neuen Wall behaupten kann, wollte schon immer eine Rolle im großen Modezirkus spielen.

Als Junge als Berufsziel Zirkusdirektor

Da passt es, dass er als Junge als Berufsziel Zirkusdirektor hatte. „Als ich in der Branche anfing, hörte ich von allen Seiten, dass das Geschäft schwierig sei, eigentlich aussichtslos. Und das zu einer Zeit, als es dem Einzelhandel gar nicht mal so schlecht ging, verglichen mit heute“, sagt Braun. Die Opferrolle vieler Kollegen habe nicht zu seinem Naturell gepasst. „Meine Strategie ist auf Attacke gepolt.“

Das muss sie auch. Geht man heute durch den Neuen Wall, dann blickt man zwar in lauter namhafte, auf Hochglanz polierte Markengeschäfte – aber eben auch in leere Hallen. Meist ist mehr Personal als kaufkräftige Kundschaft anwesend. Auch ein Problem für Unger? „Man muss schon sagen, dass wir heute im Vergleich zu vor zehn Jahren zwar weniger Kunden, aber glücklicherweise nicht weniger Umsatz haben“, sagt Braun.

Stammkundinnen pflegen

Die Kunst bestehe darin, die Stammkundinnen, die aus der Hamburger Wirtschafts- und Verlagsszene kommen, zu pflegen und gleichzeitig für die anspruchsvolle Jetsetterin attraktiv zu sein. Dafür sind täglich drei Unger-Smarts unterwegs, um Kollektionsteile in die großen Luxushotels und Privathäuser zu liefern. Der Personal-Shopping- und VIP-Service berät bei Stilfragen. Und auch Hotel- und Restaurantreservierungen werden auf Wunsch vorgenommen.

Das dunkelblaue oder mausgraue Kostüm sucht man vergeblich. Heute präsentiert das Modehaus auf 1500 Quadratmetern Luxusmarken wie Chloé, Céline, Saint Laurent, Dior und Oscar de la Renta – in einer Zeit, in der sich Modehäuser wie das gegenüberliegende Geschäft Hoffmann verkleinern oder andere Inhaber geführte Läden ganz schließen müssen, um Flagship Stores Platz zu machen.

Neuer Anstrich

Vor drei Monaten verpasste Braun dem Traditionshaus, das er in dritter Generation führt, einen neuen Anstrich. Die schweren Säulen, die das Haus Jahrzehnte lang getragen haben, sind verschwunden. Heute soll Unger wie ein offenes Luxushotel wirken; mit Sitzecken, einer kleinen Bar und Holzregalen, in denen keine Bücher, sondern feinste Lederhandtaschen stehen. Kosmopolitisch, genauso wie der Chef, der zwar „Hamburger Jung durch und durch“, aber zur gleichen Zeit auf der ganzen Welt unterwegs ist, um einzukaufen und Kontakte zu knüpfen.

Erfolg ist, was man daraus macht. Das gilt übrigens auch für einen Abend mit Freunden. Der Mann, der fürs Business-Studium mehrere Jahre in London verbrachte, anschließend Stationen in New York und Mailand absolvierte, bevor er mit 30 ins elterliche Unternehmen eintrat, vermisste zunächst zwar auch das Nachtleben der britischen Metropole und musste mit sich ringen, „ob ich mich die nächsten 40 Jahre an diese Stadt binden will“. Doch mittlerweile sei er „richtig verliebt in Hamburg. Ich bin der glücklichste Mensch, wenn ich mit zigtausend anderen Verrückten im Stadion beim HSV sitze“, sagt Braun.

Er selbst hat nur sechs Anzüge

Bei Spielen werde er übrigens häufiger mal mit seinem Cousin verwechselt. Lars Braun führt den Herrenausstatter Braun in der Mönckebergstraße. „Meistens finde ich das lustig und belasse es auch einfach dabei“, erzählt der smarte Blonde lachend. Zurück zum Thema: „Über Hamburg wird oft gesagt, die Stadt sei abends langweilig, kein Ort zum Feiern. Aber das stimmt nicht. Wie oft geht man zusammen essen und zieht dann noch weiter in eine Bar.“

Zumindest so oft, wie es eine Arbeitswoche mit bis zu 80 Stunden zulässt. Und zu Hause in seiner Neubauwohnung in Rotherbaum macht es sich Florian Braun auch gern gemütlich. Bisher allein. „Ich habe ein wenig Angst davor, dass, sollte ich mich irgendwann mal verloben oder verheiraten, mein persönlicher Einrichtungsstil abhanden kommen könnte“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Der sei „clean und aufgeräumt, gespickt mit ein paar Antiquitäten und impressionistischen Gemälden“.

Ein Modeopfer ist Florian Braun nicht

Auch, wenn die hauseigene Unger-Kollektion mit Sneakers, lässigen Jogginganzügen und Kaschmir-Accessoires ganz klar seine Handschrift trägt – ein Modeopfer ist Florian Braun nicht. Er sei kein Kind gewesen, das in Dior-Sweatshirts herumlief. Eine Anekdote erzähle man sich aber doch allzu gern im Geschäft am Neuen Wall: Als Jugendlicher, der für die damals so beliebten Modenschauen bei Unger Sitzreihen aufbaute, habe er gesagt: „Wenn ich hier mal Chef bin, sollen alle Verkäuferinnen rot lackierte Nägel tragen.“

Für das Interview am lederbezogenen Konferenztisch hat der 37-Jährige einen eisblauen Anzug gewählt; dazu trägt er dunkelbraune Wildlederschuhe ohne Socken („an den Füßen friere ich am wenigsten“). Seine Fingernägel sind auffällig gepflegt. „Als jemand kürzlich in meinen Kleiderschrank sah, war er enttäuscht“, erzählt er. Dort hängen nicht 100, sondern maximal sechs Anzüge. „Dafür kaufe ich pro Saison immer neu. Ich bin niemand, der viel aufhebt und sammelt.“ Nur einen Kamelhaarmantel von Jil Sander trug er über Jahre und nahm ihn von London wieder zurück mit nach Hamburg. „Das war mein erster Luxuskauf.“

Plattform für Events

Den Beinamen Junior hört er nicht gern. Bei Unger werden Vater und Sohn einfach mit ihren Initialen MB für Michael Braun und FB für Florian Braun genannt. Als Florian Braun mit 30 Jahren Geschäftsführer und Inhaber der Firma mit mittlerweile 130 Mitarbeitern wurde, sagte sein Vater: „Zwei Dinge sind mir wichtig: Das, was du sagst, gilt. Und das, was ich sage, gilt genauso.“ Er diskutiere viel mit seinem Vater. „Aber ich kann sagen, dass meine Eltern mich bei allen Entscheidungen unterstützt haben, auch wenn sie manchmal so experimentell sind wie Uzwei.“

Der Concept Store bietet Mode verschiedener Marken für ein jüngeres Publikum und ist zugleich Plattform für Events. Zuletzt präsentierte Vogue-Chefredakteurin Christiane Arp dort Designer ihres Modesalons; die Londoner Society-Lady Alexa Chung zeigte ihre Kollektion. 2018 will Braun die Designerin Stella McCartney nach Hamburg holen – dann, wenn Unger sein 140. Jubiläum feiert.

Bewegendes Jahr für die Stadt

Doch zunächst einmal heißt es zurückzublicken auf ein bewegendes Jahr für die Stadt: die Eröffnung der Elbphilharmonie, der G-20-Gipfel im Sommer und schließlich die Chanel-Show als krönender Abschluss. Hamburg, das Tor zur Welt, durch das der junge Karl Lagerfeld einst schnurstracks Richtung Paris ging, wurde in diesem Jahr ein ganzes Stück weit aufgestoßen, findet Florian Braun. Und ausgerechnet Lagerfeld selbst hat dabei geholfen.

Nächste Woche: Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der HHLA