Hamburg. Im Klärwerk im Hamburger Hafen entsteht die weltweit erste Phosphor-Recyclinganlage. So funktioniert sie.

Nathalie Leroy ist optimistisch, bleibt aber lieber noch ein bisschen zurückhaltend. „Wir werden sehen“, sagt die Chefin von Hamburg Wasser und kaufmännische Geschäftsführerin des städtischen Wasser- und Abwasserunternehmens, auf die Frage, wann sich die 18, 5-Milllionen-Euro-Investition amortisiert haben wird. Dann schiebt die gebürtige Französin schnell nach: „Wir sind zuversichtlich, dass sich die Anlage definitiv schnell rechnen wird.“

„Die Anlage“, das ist die weltweit erste Recyclinganlage, die aus der Asche verbrannten Klärschlamms wertvolle Phosphorsäure gewinnt. Hamburg wird voraussichtlich bereits ab Anfang kommenden Jahres mit den Hinterlassenschaften seiner Einwohner Geld verdienen. Am Freitagvormittag legten Nathalie Leroy, Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) und die Chefs und Eigentümer der Recyclingfirma Remondis auf dem Gelände des Hamburger Klärwerks gemeinsam den Grundstein für das Projekt.

Bürgermeister: „Geniale Idee“

Der Bürgermeister nannte die geplante Rohstoffgewinnung aus dem Hamburger Abwasser eine „geniale Idee. Man tut etwas Gutes für die Umwelt und kann damit noch Geld verdienen“, sagte der frühere Finanzsenator. Der Umweltsenator lobte eine „Pionierleistung“ und rechnete vor: „Wenn man aus dem gesamten Abwasser in Deutschland Phosphor zurückgewinnen würde, könnte man sich 60 Prozent aller Importe des Stoffs sparen.“

Dieser Phosphor ist ein wichtiger Grundstoff insbesondere für Kunstdünger. Etwa 230.000 Tonnen Phosphatdünger werden pro Jahr auf deutschen Feldern ausgebracht. Er muss importiert werden, denn nur in einem knappen Dutzend Ländern weltweit werden Phosphate abgebaut. China, die USA, Marokko und Russland sind Deutschlands wichtigste Lieferanten.

Letztlich landet Phosphor über Lebensmittel und Fäkalien in großem Umfang im Abwasser – und wird bislang mit hohem finanziellen Aufwand entsorgt. Allein im Hamburger Klärwerk im Hafen entstehen jedes Jahr etwa 150.000 Tonnen Klärschlamm. Nach der Verbrennung bleiben davon etwa 20.000 Tonnen Asche übrig. Die wird bislang in einer Deponie in Bremen abgekippt. Pro Tonne kostet das etwa 40 Euro Deponiegebühr.

Jedes Jahr 7000 Tonnen Phosphorsäure

Das von der Recycling-Firma Remondis entwickelte TetraPhos-Verfahren aber macht aus der Asche künftig unter anderem 11.000 Tonnen Gips, 12.000 Kubikmeter Eisen- und Aluminium-Salzlösung, von denen das Klärwerk künftig deutlich weniger als jetzt noch einkaufen muss, – und 7000 Tonnen vermarktbare Phosphorsäure.

In der Hamburger Anlage, die voraussichtlich Anfang 2020 in Betrieb geht, entsteht eine besonders reine und daher hochwertige Säure. Eine Tonne davon, sagen Vertreter der Firma, werde auf dem Weltmarkt derzeit für etwa 750 Euro gehandelt. Der Preis sei in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. „Es freut mich besonders, dass die Anlage in der Stadt errichtet wird, in der ich meinen Lebensmittelpunkt habe“, sagte Remondis-Vorstand Max Arnold Köttgen. Der Chef des Unternehmens mit Sitz in Lünen ist seit September 2018 auch Aufsichtsratsvorsitzender des HSV.

Rostschutz für neue Autos

Wie genau und von wem die Phosphorsäure aus Hamburg künftig verwendet werden wird, steht noch nicht fest. Für die Düngerherstellung ist sie an sich fast zu schade. Phosphorsäure wird aber auch in der Industrie eingesetzt. So nimmt etwa die Karosserie jedes neuen Autos ein Bad in ihr. Es ist ein wichtiger Schritt beim Korrosionsschutz für einen Neuwagen.

Hamburg Wasser und Remondis werden die Anlage gemeinsam betreiben. An der Gemeinschaftsfirma hält das städtische Unternehmen 60 Prozent der Anteile, Remondis 40 Prozent. Dass das Verfahren funktioniert, hatten beide Firmen bereits seit 2015 in einer kleineren Pilotanlage auf dem Klärwerksgelände erprobt.

Von 2029 an ist Phosphorrecycling Pflicht

Für das Entsorgungs- und Recycling-Unternehmen könnte die Großanlage zur Blaupause für Phosphorrecycling an anderen Standorten werden. Die werden ziemlich sicher entstehen, denn vom Jahr 2029 an – das ist schon jetzt gesetzlich festgeschrieben – müssen alle großen Klärwerke in Deutschland zuerst die Nährstoffe aus dem Abwasser holen, bevor es in Flüsse geleitet wird. Unbehandelten Klärschlamm als Dünger auf Felder und Äcker zu verteilen, ist schon jetzt weitestgehend verboten.

Die Gedankenspiele um die Phosphorgewinnung in Deutschland gehen sogar schon weiter. Die in Bremen abgelagerte Klärschlamm-Asche könne aus der Deponie auch wieder herausgeholt werden, heißt es bei Hamburg Wasser. Dann ließen sich sogar die schon vor Jahren entstandenen Feststoffe aus der Kanalisation der Hansestadt noch zu Geld machen.