Hamburg. Das Hamburger Start-up Johnny Urban expandiert mit Produkten aus recycelten Plastikeinwegflaschen. Es läuft richtig gut.
Man sieht es ihm nicht an. Aber Aaron war mal 20 PET-Flaschen. Aaron ist ein Rucksack und eins der am meisten verkauften Modelle des Start-ups Johnny Urban. Seit 2017 produziert das Hamburger Label etwa die Hälfte des Sortiments aus recycelten Plastikeinwegflaschen. „Als wir die Möglichkeit gesehen haben, mit nachhaltigem Material zu arbeiten, haben wir es gemacht“, sagt Timm von Dressler, der die Marke gemeinsam mit Jonas Tank gegründet hat. Eco-Series nennen sie die Produktlinie. Wichtig war ihnen dabei, dass es keine Qualitätseinbußen gibt oder die Preise deutlich steigen. „Dann war es einfach ein logischer Schritt.“ Inzwischen gibt es drei Modelle aus wiederverwertetem Kunststoff. Und es läuft richtig gut.
In dem kleinen Büro zwischen Schanze und St. Pauli stapeln sich im Regal Kisten mit Stoffproben. Überall stehen Kartons. „Wir arbeiten gerade daran, unser Sortiment zu erweitern“, sagt Timm von Dressler. Auf dem Tisch hat er drei Rucksäcke ausgebreitet. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich kaum. Alle sind schwarz. Von Dressler zieht einen Reißverschluss auf und schüttelt den Kopf. „Das ist alles zu kompliziert“, sagt er. Inzwischen wurde die Form noch mal leicht überarbeitet. Das neue Modell soll die Anforderungen eines Business-Rucksacks erfüllen, hergestellt wird auch er aus Plastikmüll.
„Alltagstaugliche Rucksäcke für Großstädter“
Johnny Urban gibt es seit zwei Jahren. „Wir machen alltagstaugliche Rucksäcke für Großstädter“, sagt Jonas Tank. Der 30-Jährige hatte schon während seines Wirtschaftsstudiums in Lüneburg seinen ersten Onlinehandel gegründet. 2015 stieg sein Freund und ehemaliger WG-Mitbewohner Timm von Dressler ein. Seither expandieren die Jungunternehmer. Johnny Urban ist die jüngste von vier Marken unter dem Dach von Ecom Brands. Und die erfolgreichste. Das erste Modell aus festem Baumwollstoff haben die Gründer noch mit viel Liebe fürs Detail selbst entwickelt, vermessen und die Beschreibung als PowerPoint-Präsentation erstellt.
„Das war das einzige Programm, das ich gut beherrscht habe“, sagt von Dressler und lacht. Den Rucksack nannten sie Adam. Dann reisten die beiden für mehrere Wochen nach China, um eine passende Produktionsfirma zu finden. Die Bestellung: je 300 Rucksäcke in drei Farben. „Wir wussten ja nicht, wie unser Produkt bei den Kunden ankommt“, sagt Tank. Wenige Wochen vor Weihnachten stellten sie den ersten Johnny-Urban-Rucksack in den Onlineshop. Mit beeindruckender Resonanz. Schon vor Weihnachten waren sie ausverkauft.
Verkaufszahlen versechsfacht
Das kann jetzt nicht mehr passieren. Neben den Rucksäcken aus Baumwolle und Recycling-Faser gibt es Turnbeutel, Notebook-Hüllen und Taschen von Johnny Urban. „Im vergangenen Jahr haben wir die Verkaufszahlen versechsfacht“, sagt Jonas Tank. Insgesamt haben die Start-up-Unternehmer 50.000 Produkte abgesetzt. Der Jahresumsatz liegt im niedrigen Millionenbereich. 2019 soll er sich erneut verdoppeln. „Wir wachsen organisch, und so soll es auch weitergehen“, sagt Timm von Dressler, der das Unternehmen in hanseatischer Kaufmannstradition sieht. Der Einstieg eines externen Investors sei nicht geplant. Seit diesem Jahr verkaufen die Rucksackmacher ihre Rucksäcke, Beutel und Taschen auch im stationären Handel. Acht Läden in Hamburg bieten die Produkte des Labels an. In den nächsten Wochen startet der Verkauf beim Modeportal Zalando.
Aus dem Zwei-Mann-Unternehmen ist inzwischen ein siebenköpfiges Team geworden. Timo Multhaup ist seit einigen Monaten für die Produktentwicklung zuständig. „Der Trend geht zur multifunktionalen Nutzung von Taschen“, sagt der Modedesigner. Hinter seinem Arbeitsplatz liegen mehrere Muster von Reisetaschen, bei denen er mit unterschiedlichen Tragevarianten experimentiert hat. In der Regel dauert es drei Monate, bis ein neues Modell marktreif ist. Dann ist es auch sofort erhältlich, unabhängig von der Saison.
300.000 PET-Flaschen in Rucksäcken
Dass auch immer mehr große Textilfirmen auf Produkte aus nachhaltigen Materialen setzen, sehen die Start-up-Unternehmer gelassen. Gerade erst hat etwa die Otto-Tochter Bonprix eine Bademoden-Kollektion aus Econyl auf den Markt gebracht. Die Faser ist zu 100 Prozent regenerativ und wird beispielsweise aus alten Fischernetzen gewonnen. Tchibo hat für Mitte August eine Sportmoden-Kollektion mit acht Produkten aus wiederverwertetem Plastikmaterialen angekündigt.
Doch während die großen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsoffensiven öffentlichkeitswirksam feiern, ist es bei den Johnny-Urban-Gründern die Normalität. „Wir sind deshalb keine Weltverbesserer“, sagt Timm von Dressler. Trotzdem, ein bisschen stolz ist er schon auf die Bilanz. „Wir haben ausgerechnet, das bislang 300.000 PET-Flaschen in unseren Rucksäcken stecken.“