Hamburg. Betriebsratschef Michael Zuther will nach Fusion mit Karstadt Personalabbau im großen Stil verhindern.
In der Glasfront an der Fassade locken riesige Plakate mit Preisreduzierungen. Bei Galeria Kaufhof in Poppenbüttel ist der Endspurt im Winterschlussverkauf voll im Gang. Michael Zuther marschiert mit schnellem Schritt Richtung Rolltreppe. Schreibwaren, Parfümerie, Lederwaren, Damenmode. Geschickt schlängelt er sich an Kunden vorbei, sammelt ein Papier vom Boden, rückt einen Stapel mit Pullovern zurecht. Im Vorbeigehen grüßt der 43-Jährige Kollegen, manche mit Handschlag. Er kennt alle, und alle kennen ihn. Zuther ist Betriebsratsvorsitzender in der Filiale im Alstertal Einkaufszentrum. Nachdem die neue Unternehmensleitung ein massives Sparprogramm und den Abbau von mehreren Tausend Stellen für den angeschlagenen Warenhauskonzern angekündigt hat, ist er einer von denen, auf die die Mitarbeiter vertrauen.
Noch wirkt alles wie immer, aber unter der Oberfläche brodelt es. „Wut und Unverständnis bei den Mitarbeitern sind groß“, sagt der Arbeitnehmervertreter. „Manche haben blanke Existenzangst.“ 2600 Vollzeitstellen, davon 1600 in den Filialen, sollen bei dem Warenhaus-Gigant nach der Fusion mit dem Ex-Rivalen Karstadt abgebaut werden. Da es in der Branche viele Teilzeitjobs gibt, gehen Experten davon aus, dass bis zu 5000 Arbeitsplätze wegfallen – damit wäre fast jeder vierte Beschäftigte betroffen.
Betriebsräte beraten über Strategie
Noch gibt es keine konkreten Zahlen für einzelne Standorte, auch nicht für die beiden Hamburger Häuser an der Mönckebergstraße und in Poppenbüttel mit insgesamt 350 Mitarbeitern. Aber, sagt Michael Zuther, „wir sind kämpferisch. Wir wollen die Konzepte für unsere Zukunft mitgestalten.“ Die Betriebsräte fordern unter anderem, auf lokale Bedürfnisse in den Filialen einzugehen. Als ein Vertreter für Norddeutschland ist der Hamburger von Dienstag an bei einer Sitzung des Gesamtbetriebsrats dabei, bei dem über die weitere Strategie beraten wird.
Am vergangenen Freitag hatte Peter Zysik, neuer Gesamtbetriebsratschef der Warenhauskette, nach einem Spitzengespräch unter anderem mit René Benko, Chef des Mehrheitseigners Signa, massiven Widerstand gegen die Sparpläne angekündigt. „Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, die uns das Betriebsverfassungsgesetz bietet, um die Einschnitte zu verhindern, oder zumindest abzufedern“, sagte er der „Wirtschaftswoche“.
Keine Standortschließungen
Die Führungsspitze von Karstadt/Kaufhof will Kosten beim stark defizitären Kaufhof in dreistelliger Millionenhöhe einsparen und erwartet nach Ver.di-Angaben von den Beschäftigten einen Beitrag in Höhe von 70 Millionen Euro. Standortschließungen soll es nicht geben. Aber Karstadt-Chef Stephan Fanderl hatte angekündigt, dass auch für die Belegschaft in den 95 Kaufhof-Häusern die Tarifbindung wegfallen solle. Zudem sollen die Mitarbeiter wie bereits bei Karstadt in Verkäufer und schlechter bezahlte Warenverräumer unterteilt werden. Ohne Zustimmung des Betriebsrats könne das Management diese Unterteilung jedoch nicht so einfach vornehmen, sagte Zysik. Auch die vorgelegten Daten zur Wirtschaftslage sollen nach seinen Worten genau überprüft werden.
Der Hamburger Arbeitnehmervertreter Zuther nickt. Im Betriebsratsbüro hat er ein Plakat mit einem Ausspruch von Unternehmerlegende Robert Bosch aufgehängt: Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe. Sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle. „Es kann nicht sein, dass die Mitarbeiter für Managementfehler bluten müssen“, sagt der gelernte Einzelhandelskaufmann Zuther, für den es bereits die zweite Fusion ist. Er war schon dabei als Galeria Kaufhof und Horten 1994 zusammengeführt wurden. „Ich bin Vollblut-Verkäufer und liebe meine Arbeit“, sagt der Vater von zwei kleinen Mädchen, der in der Damen- und Herrenmode-Abteilung arbeitet.
Besonderes Gemeinschaftsgefühl
Im Poppenbütteler Haus, das laut Zuther zu den umsatzstärksten der Kette zählt, arbeiten nach mehreren Sparrunden noch 120 Beschäftigte, davon 50 in Vollzeit. Das Durchschnittsalter liegt bei 44 Jahren. „Wir haben hier ein besonderes Gemeinschaftsgefühl. Das gibt Kraft“, sagt der Betriebsratsvorsitzende. Inzwischen sind 80 Prozent der Belegschaft in der Gewerkschaft organisiert. Als er anfing waren es 50 Prozent. Während an anderen Standorten die ersten Kollegen angesichts der unsicheren Zukunft schon gekündigt hätten, sei die Identifikation mit der Marke Kaufhof stark. „Wir verstehen nicht, dass jetzt vor allem Personal und damit am Service gespart werden soll“, so der Arbeitnehmervertreter. „Das ist doch genau das, was uns von den Online-Händlern unterscheidet.“ Laut Hamburger Tarifvertrag verdient ein Vollzeit-Verkäufer brutto 2579 Euro im Monat. Viele sind schon lange dabei. Besonders unter den Teilzeitbeschäftigten sind zahlreiche Mütter. Für die werde es schwer, etwas Ähnliches zu finden, sagt Zuther.
Massiver Widerstand
Die Gewerkschaft Ver.di hat eine Beschäftigungssicherung bei Kaufhof gefordert. „Wir bieten schon jetzt rechtliche Beratung für die Beschäftigten an“, sagt Heike Lattekamp, Landesfachbereichsleiterin für den Bereich Handel. Sie fordert von der Hamburger Politik Unterstützung für die insgesamt 1200 Mitarbeiter des neuen Gemeinschaftsunternehmens in der Hansestadt. Noch im Februar will Ver.di die Bundestarifkommissionen von Karstadt und Kaufhof zu gemeinsamen Beratungen zusammenrufen. „Wir bereiten die Kollegen auf massiven Widerstand vor und sind bereit, im Extremfall auch auf die Straße zu gehen“, so Lattekamp.
Dass die nächsten Monate nicht einfach werden und das Ende der Auseinandersetzungen nicht absehbar ist, weiß auch Betriebsratsvorsitzender Zuther. Aber er sagt auch: „Wir kämpfen aus Überzeugung.“