Hamburg. Der Stromversorger liefert nicht mehr, Vattenfall springt ein. Tausende Hamburger betroffen. Was die Verbraucherzentrale rät.

Nach der Insolvenz der Bayerischen Energieversorgungsgesellschaft (BEV Energie) ist die Verunsicherung unter den Kunden in Hamburg groß. Nach ersten Schätzungen von Experten handelt es sich um mehrere Tausend. Zwar werden sie weiterhin mit Strom und Gas versorgt, aber das wird deutlich teurer für sie. Denn der Strom kommt ab sofort vom Grundversorger Vattenfall, da die BEV Energie die Belieferung nach dem Insolvenzantrag eingestellt hat. Was wird aus meinen versprochenen Boni? Muss ich den Vertrag mit BEV Energie noch kündigen und die Einzugsermächtigung widerrufen? Wie komme ich schnell wieder zu einem günstigen Versorger? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist der Grund für die Pleite
von BEV Energie?

Mit hohen Bonuszahlungen und günstigen Tarifen hat sich BEV Energie über lange Zeit einen Spitzenplatz in den Vergleichsportalen Check24 und Veri­vox gesichert. Hinzu kamen positive Kundenbewertungen bei diesen Portalen. Bundesweit wird von mehr als 500.000 BEV-Kunden ausgegangen. Seit Ende 2018 hatte der Versorger einem Teil seiner Kunden drastische Preiserhöhungen angekündigt – obwohl die Preisgarantie zu diesem Zeitpunkt noch lief. „Es ist anzunehmen, dass der Anbieter von den stetig steigenden Preisen an der Strombörse überrascht wurde“, sagt Jan Rabe, Gründer und Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens Wechselpilot, das den Stromanbieterwechsel für Kunden organisiert und überwacht. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Großhandelspreise an der Leipziger Strombörse verdoppelt, zuvor waren sie allerdings viele Jahre nur gefallen. „Wir haben den Anbieter schon seit anderthalb Jahren nicht mehr vermittelt“, sagt Rabe. „Denn das Verhältnis von Arbeitspreis (Preis/Kilowattstunde) und Bonus war für das Unternehmen so ungünstig, dass sich daraus kein profitables Geschäftsmodell ableiten lässt.“ Nach Tarifdaten von BEV Energie, die dem Abendblatt vorliegen, wurde die Preispolitik des Energiediscounters im Jahresverlauf 2018 immer aggressiver. Allein der Sofortbonus stieg von Januar bis Oktober von 140 auf 160 Euro. Gleichzeitig sank der monatliche Grundpreis um 14 Prozent und der Arbeitspreis um zwei Prozent. „Wenn Anbieter mit intransparenten Preismodellen arbeiten, die deutlich unter ihren tatsächlichen Kosten liegen, ist ihr finanzielles Risiko riesig“, sagt Rabe. „Verbraucher bemerken die Misere häufig erst, wenn es zu spät ist.“

Wie geht es jetzt für die betroffenen
Verbraucher weiter?

In Hamburg fallen die BEV-Kunden mit der Insolvenz in die Grundversorgung von Vattenfall, bestätigt eine Sprecherin des Energiekonzerns. „Die Stromversorgung wird nicht unterbrochen.“ Vattenfall wird die Kunden anschreiben, sie über neue Abschlagszahlungen und auch alternative Tarife zur Grundversorgung informieren. Gaskunden von BEV kommen in die Grundversorgung von E.on Energie.

Sollten Kunden den BEV-Vertrag und
die Einzugsermächtigung kündigen?

BEV versichert, dass es im Februar keinen Lastschrifteinzug mehr geben wird. Auch eine Vertragskündigung sei nicht notwendig. „Wer sicher gehen will, kann seine Einzugsermächtigung widerrufen“, sagt Michael Knobloch, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg.

Was passiert mit den zugesagten
Bonuszahlungen?

Die sind wahrscheinlich futsch. „Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens können diese Forderungen erst beim Insolvenzverwalter angemeldet werden“, sagt Knobloch. Allenfalls kann dann noch mit einem Teilbetrag des Bonus gerechnet werden.

Können eine Nachzahlung an BEV
und ein vom Unternehmen noch ausstehender Bonus verrechnet werden?

Energielieferungen, die bis zur Einstellung der Belieferung erfolgten, sind zu bezahlen. Dafür wurde vom Insolvenzverwalter ein Sonderkonto eingerichtet. „Aber man kann die Forderung mit dem Bonus verrechnen und nur die Differenz überweisen“, sagt Knobloch.

BEV-Logo
BEV-Logo © BEV

Das gilt vor allem für den Sofortbonus, der gleich nach Vertragsabschluss fällig wird. Allerdings müsse man in diesem Fall damit rechnen, dass das vom Insolvenzverwalter angefochten wird, sagt Knobloch. „Aber man kann es versuchen.“

Was kostet der Tarif in der
Grundversorgung bei Vatenfall?

Noch kostet die Kilowattstunde (kWh) 29,16 Cent, der Preis steigt aber ab 1. März auf 30,43 Cent/kWh. Auch der monatliche Grundpreis, der unabhängig vom Verbrauch fällig wird, steigt von 8,45 Euro auf 11,05 Euro.

Wie teuer wird für BEV-Kunden
die Grundversorgung bei Vattenfall?

Das hängt vom Verbrauch und dem bisherigen BEV-Tarif ab. Wer noch im Sommer bei BEV Energie abgeschlossen hat, musste 25,44 Cent/kWh bezahlen. Bei Vattenfall werden dann ab 1. März rund 20 Prozent mehr fällig. Bei einem Verbrauch von 3000 kWh steigt der Gesamtpreis unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Grundpreise nur um 15,5 Prozent. Boni sind dabei allerdings nicht berücksichtigt. Bei einem Verbrauch einer Großfamilie mit 5600 kWh würde sich die Stromrechnung um rund 17 Prozent verteuern. „Wir raten deshalb allen betroffenen Kunden, sich schnell einen günstigeren Anbieter zu suchen“, sagt Knobloch.

Wie lange ist man an den Grundtarif
von Vattenfall gebunden?

Die Kündigungsfrist beträgt lediglich zwei Wochen.

Wie findet man einen günstigeren
Anbieter oder Tarif?

Wer vom Anbieterwechsel erst einmal die Nase voll hat, findet auch bei Vattenfall günstigere Tarife, zum Beispiel den Tarif Easy12-Strom mit einem Arbeitspreis von 27,45 Cent/kWh und einem Grundpreis von 11,45 pro Monat. „Diese Tarife werden zum 1. März nicht erhöht“, sagt eine Vattenfall-Sprecherin. Auch auf dem Vergleichsportal Verivox wird dieser Tarif als günstigster Anbieter im Vergleich zur Grundversorgung ausgewiesen. Weitere günstige Anbieter sind Badenova und ESWE. Diese beiden Anbieter werden auch vom Energieexperten Rabe als verlässliche Anbieter genannt, weil es sich um Tochterfirmen von Stadtwerken handelt. „Da gibt es sehr starke Aufsichtsmechanismen“, sagt Rabe. Es sei unwahrscheinlich, dass ein Stadtwerk pleitegeht. Bei einem Wechsel übernimmt in der Regel der neue Anbieter die Kündigung beim alten Versorger.

Drohen weitere Pleiten von
Energieversorgern?

„BEV Energie ist schon ein sehr spezieller Fall, weil die Boni sehr hoch waren“, sagt Rabe. Doch schon in der Vergangenheit gab es einige Pleiten von Discountanbietern. Vor zwei Jahren musste der Hamburger Anbieter Care Energy Insolvenz anmelden. Er hatte versucht, unter Umgehung der Umlage für erneuerbare Energien besonders günstig anzubieten. Auch die Stromanbieter Teldafax und Flexstrom scheiterten. Bei Teldafax mussten die Kunden in Vorkasse gehen. Solche Geschäftsmodelle gehören aber inzwischen der Vergangenheit an.