Hamburg. Nach der gescheiterten Wahl suchen die Vizepräsides der Wirtschaftsvertretung nach Lösungen. Eine wäre, nichts zu tun.
Nach der turbulenten und letztlich gescheiterten Präses-Wahl in der Handelskammer ist die Zukunft der Hamburger Wirtschaftsvertretung ungewiss. Nachdem keiner der beiden Kandidaten für das Amt des Präses am Donnerstag ausreichend viele Stimmen erhalten hatte, sind die in mehrere Lager zerfallenen sogenannten Kammer-Rebellen auf der Suche nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation. Aus der Wirtschaft hagelt es Kritik. Das Abendblatt erklärt, wie es weitergehen könnte und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Woran ist die Wahl gescheitert?
Der Hafenunternehmer Johann Killinger erhielt 30 Stimmen. Sein Konkurrent, der Finanzberater Torsten Teichert, 26. Damit erreichte keiner der beiden die laut Satzung notwendige absolute Mehrheit. Diese lag bei 33 Stimmen. 64 Plenumsmitglieder beteiligten sich an der Wahl, fünf davon per Briefwahl.
Wann wird erneut gewählt?
Aufgrund verschiedener Fristen, die einzuhalten sind, ist eine erneute Präses-Wahl erst in der turnusmäßigen Plenarsitzung der Kammer am 7. März möglich. Dieser Termin liegt allerdings mitten in den Hamburger Frühjahrsferien. Deshalb ist auch eine weitere Verschiebung nicht ausgeschlossen.
Wer tritt dann an?
Bisher hat kein Bewerber seinen Hut in den Ring geworfen. Der überlegene Kandidat Killinger lässt weiter offen, ob er noch einmal antritt. „Wir werden uns intensiv beraten, wie wir weitermachen“, sagte er dem Abendblatt am Freitag. Das hatte er bereits gleich nach der gescheiterten Wahl erklärt. Nun fällt häufig der Name von Vizepräses Kai Elmendorf. Killingers Konkurrent Teichert hatte deutlich gemacht, dass er nicht wieder antreten wird. Noch unklar ist, ob sich einer von Teicherts Unterstützern bewirbt.
Muss überhaupt ein neuer Präses
gewählt werden?
Die Satzung der Handelskammer lässt in dieser Frage durchaus Handlungsspielraum. Auf der einen Seite heißt es in Paragraf 8: „Für vorzeitig ausscheidende Präsidialmitglieder sind Ersatzwahlen durchzuführen.“ Doch schon im nächsten Satz wird dieses relativiert. „Scheidet der Präses vor Ende der laufenden Amtszeit aus dem Amt aus, bestimmt das Präsidium aus seinem Kreis einen Vertreter bis zum Ende der Amtszeit beziehungsweise bis zur Wahl eines neuen Präses.“ Demnach muss also das Präsidium entscheiden, ob es eine Ersatzwahl durchführt. Im Grundsatz ist das derzeitige Präsidium mit seinen sechs Mitgliedern voll handlungsfähig. Deshalb gibt es vor allem unter den Teichert-Anhängern die Überlegung, die Ersatzwahl zu streichen. Dann müssten die Vizepräsides ohne ordentlich gewählte Führung die Wahlperiode bis zu den Kammerwahlen Anfang 2020 zu Ende bringen.
Wer sind die sechs Vizepräsides?
Nur zwei Mitglieder des Führungsgremiums sind neu in ihrem Job. Alle anderen saßen auch zuvor im Präsidium. Die beiden am Donnerstag neu hinzugewählten Vizepräsides sind der geschäftsführende Gesellschafter der Spedition Konrad Zippel, Axel Kröger, sowie der Großhändler für Heizungs-technik und Sanitäreinrichtungen, Peter Jensen. Beide gehören zu den größeren mittelständischen Unternehmern in der Kammer. Kröger beschäftigt 200 Mitarbeiter und macht mit seiner Spedition einen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro. Jensen hat sogar mehr als 800 Mitarbeiter und erwirtschaftet mehr als 200 Millionen Euro. Kröger wurde nach den Kammerwahlen 2017 in das Plenum kooptiert. Er ist also der Einzige im Präsidium, der nicht aus dem Kreis der Kammer-Rebellen stammt. Interims-Präses ist wie bisher der Gründer der Agentur für Schul- und Jugendmarketing DSA youngstar GmbH, André Mücke. Auch die geschäftsführende Gesellschafterin der Marketingagentur Feinbrand, Diana Rickwardt, gehört wieder zum Präsidium. Sie hatte bei der Wahl der Vizepräsides das beste Stimmergebnis erzielt. Der Inhaber des Spirituosen-Herstellers E.F. Elmendorf, Kai Elmendorf, vervollständigt das Präsidium.
Was müssen die Vizepräsides jetzt als Nächstes tun?
Sollte sich das Präsidium entschließen, eine erneute Präses-Wahl anzusetzen, muss diese aufgrund bestehender Fristen zügig vorbereitet werden. Außerdem herrscht in dem Gremium eine gewisse Arbeitsteilung. Also müssen die Vizepräsides die Themenschwerpunkte neu verteilen.
Wie reagieren Politik und Wirtschaft?
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos), der die Rechtsaufsicht über die Kammer hat, appellierte an den Gemeinsinn von Plenum und Präsidium. „Der Wirtschaftsstandort Hamburg verdient eine starke Handelskammer“, sagte er am Freitag. Sie müsse in der Lage sein, die Interessen der Hamburger Wirtschaft glaubwürdig und wirkungsvoll zu vertreten. „Ich hoffe, dass auf dem Wege des Konsenses und der Integration Lösungen gefunden werden, die im Sinne der Wirtschaft und des Standortes diesem Anspruch gerecht werden.“ Der Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Michael Kruse, wurde deutlicher: „Die Kammer taumelt weiter dem Abgrund entgegen, was dem Wirtschaftsstandort Hamburg schwer schadet“, sagte er. Der Präsident des Unternehmensverbands (UV) Nord, Uli Wachholtz, rief die Hamburger Wirtschaft dazu auf, bei den Kammerwahlen 2020 eine „repräsentativere Zusammensetzung“ von Plenum und Präsidium herbeizuführen, die das Hauptaugenmerk wieder auf die Probleme dieser Stadt richten und nicht auf sich selbst. Der Landesvorsitzende des Wirtschaftsrats der CDU, Henneke Lütgerath, bezeichnete den Wahlverlauf als einen „weiteren traurigen Beleg dafür, wie zerstritten und gelähmt die einst so stolze Handelskammer Hamburg ist“. Und der Vorsitzende der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg, Gunter Mengers, meinte: „Der Begriff Fremdschämen für das unverantwortliche Verhalten großer Teile des Plenums ist hier – leider – treffend.“
Was sagen die unabhängigen
Mitglieder des Kammerplenums?
„Das Abstimmungsergebnis hat zu einem weiteren Tiefpunkt in der über 350-jährigen Geschichte der Handelskammer geführt. Wir werden weiter konstruktiv im Plenum mitarbeiten. Aber wir haben keine Gestaltungsmehrheit. Deshalb muss sich die Wir-Gruppe endlich auf einen Kandidaten einigen und diesen dann auch wählen“, sagte Astrid Nissen-Schmidt, die für die von den Kammer-Rebellen unabhängigen Mitglieder im Plenum spricht.