Hamburg. Kein Weg aus der Krise: Torsten Teichert will nicht mehr antreten. André Mücke ist kommissarisch im Amt. Wie konnte es soweit kommen?

Die Handelskammer Hamburg kommt auch in den nächsten Wochen nicht zur Ruhe. Denn einen neuen Präses wird es voraussichtlich nicht vor Ende Februar geben. Bei der Wahl am Donnerstagnachmittag hat keiner der beiden Kandidaten die erforderliche Stimmenzahl erreicht. Auf den Hafenunternehmer Johann Killinger entfielen 30 Stimmen, auf den Finanzberater Torsten Teichert 26. Es wären 33 Stimmen nötig gewesen.

„Der Wahlkampf war nicht schön“

„Das Resultat ist für mich nicht unerwartet“, sagte Killinger. Er ließ offen, ob er bei noch einmal zur Wahl antritt. Teichert hingegen legte sich bereits fest: Er steht nicht noch einmal als Kandidat für das Amt des Präses zur Verfügung. „Es ist eine bleihaltige Luft hier in der Kammer“, sagte er: „Der Wahlkampf war nicht schön.“ So turbulent wie die zurückliegenden Monate verlief auch die Plenarsitzung nach der gescheiterten Präses-Kür. Nach kurzer Beratung entschieden zwar die vier verbliebenen Vizepräsides, wenigstens das restliche Präsidium noch am Donnerstag neu zu wählen.

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Doch der Plenarier Rainer Perleberg stellte den Antrag, diesen Tagesordnungspunkt zu streichen, weil eine „außerordentliche Situation“ vorliege. Erst nach einigem Hin und Her konnte die Wahl starten.

Das vorübergehende Präsidium: Peter Jensen, Diana Rickward , Axel Kröger, Christine Stumpf, André Mücke und Kai Elmendorf (v.l.)
Das vorübergehende Präsidium: Peter Jensen, Diana Rickward , Axel Kröger, Christine Stumpf, André Mücke und Kai Elmendorf (v.l.) © Michael Rauhe

Vizepräsides sind nun Diana Rickwardt (43 Stimmen), André Mücke, Axel Kröger (beide 40 Stimmen), Kai Elmendorf (39 Stimmen), Peter Jensen (38 Stimmen) sowie Christine Stumpf, die als einziges Mitglied des Präsidiums nicht vor der Wahl von ihrem Amt zurückgetreten war. Wie bisher fungiert Mücke als kommissarischer Präses.

Wie verlief der Abend? Gegen 18 Uhr zeigte sich die Handelskammer gänzlich kopflos. Die Plenumsmitglieder wussten: Wenn weniger als vier Bewerber gewählt werden, wäre das Präsidium der – einst – wichtigsten Hamburger Wirtschaftsvertretung nicht mehr handlungsfähig. Aufgeregt diskutierend standen die gewählten Vertreter auf dem Flur vor dem Saal, ein Weinglas oder ein Bier in der Hand, und sprachen darüber, wie es so weit hatte kommen können.

Wieder einmal hatte sich die Kammer in den Stunden zuvor als völlig uneins präsentiert. Die als Showdown zwischen dem Hafenunternehmer Johann Killinger und dem Finanzberater Torsten Teichert angekündigte Präses-Wahl war geplatzt, weil keiner der beiden die notwendige absolute Mehrheit der Stimmen erhielt. Unbeweglich, fast starr, nahm Teichert die Bekanntgabe des Ergebnisses auf. 26 Stimmen nur, noch weniger als sein Rivale Killinger der 30 Stimmen erhalten hat, bei acht Enthaltungen.

Glückwünsche für Killinger

Mehr als zehn Prozent der Plenumsmitglieder hatten sich für keinen von beiden entschieden. „Für die Kammer ist das der Super-GAU“, sagte der Vorsitzende der Wahlkommission, der Unternehmer Dirk Asmus. Während Killinger jede Menge Glückwünsche erhielt, obgleich er gar nicht gewonnen hatte, sprach Teichert von einem „unschönen“ Wahlkampf. „Da ist in den vergangenen Tagen im Hintergrund unendlich viel Wahlkampf gemacht worden, auch mit groben Dingen“, sagte er. Killinger ließ offen, ob er ein zweites Mal zur Präses-Wahl antreten wird. „Das muss ich noch sorgfältig überlegen.“

Tobias Bergmann weilte in Berlin

Teichert erklärte hingegen, er werde nicht erneut kandidieren. „Das war’s für mich.“ Einer, der das Ergebnis praktisch vorhergesehen hatte, verfolgte die Wahl aus der Ferne. Tobias Bergmann befand sich beruflich in Berlin und hatte schon am Morgen prophezeit: „Das wird zwischen den beiden ganz eng.“ Anfang Dezember vergangenen Jahres hatte Bergmann aufgrund der internen Querelen in der Gruppe „Die Kammer sind WIR!“ entnervt sein Amt aufgegeben. In den vorangegangenen Monaten hatte sich ein fortwährender Machtkampf zwischen ihm und seinem Vizepräses Teichert abgespielt.

Teichert hatte Kammerrebellen verlassen

Immer wieder wurden Bergmann-Entscheidungen angefochten. Noch im Oktober hatte es so ausgesehen, als könne Bergmann die führungsinterne Auseinandersetzung gewinnen. Er hatte im siebenköpfigen Kammerpräsidium die Vizes Johann Killinger, Kai Elmendorf und Christine Stumpf auf seiner Seite, Teichert nur André Mücke und Diana Rickwardt. Teichert verkündete seinen Austritt aus der Gruppe der sogenannten Kammerrebellen – und gewann dadurch überraschend neue Unterstützer. Mehrfach wurde Bergmann fortan im Plenum überstimmt. Als Plenumsmitglieder und Teichert-Sympathisanten öffentlich den Rücktritt des Präses forderten, warf Bergmann das Handtuch. Dass nun kein Nachfolger gefunden wurde, verlängert die Zeit der Grabenkämpfe. „Die Spaltung im Plenum geht damit weiter“, sagte Killinger. Teichert erklärte, dass es in einer so heterogenen Gruppe schwer sei, eine Gesamtinteressenvertretung der Wirtschaft herbeizuführen. Allerdings hoffe er, dass die gescheiterte Wahl positive Auswirkungen nach sich ziehe und der Dialog in der Kammer wieder in Gang komme.

Immerhin Vizepräsidium gewählt

Als hätten sie es gehört, verhinderten die Plenumsmitglieder letztlich doch eine totale Handlungsunfähigkeit. Sie wählten ein Vizepräsidium, das mit sechs Mitgliedern ausreichend groß ist, um politische und finanzielle Entscheidungen zu treffen. André Mücke wird, wie schon bisher, als Interims-Präses die Amtsgeschäfte vorläufig führen. Es wartet eine Menge Arbeit auf das neue Präsidium: Zunächst muss es eine neue Präseswahl vorbereiten. Zur Debatte steht auch ein Termin Anfang März – das wäre in den Hamburger Skiferien. Und es muss sich um das Binnenverhältnis zu den Mitarbeitern kümmern.

Kritik an neuer Organisation

Denn die von Bergmann angeschobene Organisationsreform der Kammer findet bei Teilen des Plenums wenig Anklang. Wie berichtet, wird die Verwaltung von zehn auf fünf Geschäftsbereiche reduziert. Bis 2021 sollen 62 Stellen wegfallen – etwa jeder vierte Job. Die Verunsicherung in der Belegschaft ist groß. Zumal viele Mitarbeiter gar nicht wissen, was mit der Organisationsreform erreicht werden soll. Eine kürzlich erhobene Umfrage ergab, dass 79 Prozent der Beschäftigten davon ausgehen, dass die Reorganisation keine positiven Auswirkungen haben wird. 68 Prozent glauben, dass es auch für sie persönlich keine Verbesserung geben werde.

Oder Reformprozess stoppen?

Teichert hatte zuletzt gefordert, den Reformprozess zunächst einmal zu stoppen und grundlegend zu überarbeiten. Ob das mit dem neuen Präsidium geht, bleibt abzuwarten. Denn auch nach dessen Wahl geht die Spaltung weiter. Drei der Vizepräsides sind Killingers Parteigänger, drei stehen auf Teicherts Seite. Der neue Präses, so er denn gewählt wird, könnte zum Zünglein an der Waage werden. Deshalb ist erneut mit einem harten Wahlkampf zu rechnen. „Der Dissens wird so weitergehen“, war nach Ende der Sitzung auf den Kammerfluren zu hören – vornehmlich von Plenumsmitgliedern, die nicht dem Kreis der Kammerrebellen zuzuordnen sind. „Wir müssen es in der Verantwortung für die Hamburger Wirtschaft hinbekommen, uns zusammenzuraufen“, sagte einer, dem das ganze Hin und Her sichtlich zugesetzt hat.

Wie das mit dem Zusammenraufen funktionieren kann, machte das neue Präsidium am Abend vor: Es brauchte gerade einmal 15 Minuten, um sich auf André Mücke als Vertreter des Präses zu verständigen.