Hamburg. Chef Enders erwägt Werksschließungen bei hartem Brexit. Jeder zweite Hamburger Außenhändler wäre von EU-Ausstieg der Briten betroffen.

Für seine klaren Ansagen ist „Major Tom“ bekannt. Nun hat der Airbus-Chef in der heißen Brexit-Phase den Ton verschärft. Kommt es nicht zu einem Vertrag zwischen der EU und den Briten über einen geregelten EU-Austritt, „werden wir bei Airbus potenziell sehr schmerzhafte Entscheidungen für Großbritannien treffen“, sagte Tom Enders in einer Videobotschaft, die er an die britischen Parlaments-Abgeordneten richtete. Der Konzernchef drohte mit einem Rückzug des Flugzeugbauers von der Insel.

„Bitte hören Sie nicht auf den Wahnsinn der Brexit-Anhänger, die behaupten, dass wir, weil wir große Werke in Großbritannien haben, uns nicht bewegen und immer hier bleiben werden. Damit liegen sie falsch“, so Enders. Natürlich könnten die Fabriken nicht sofort in andere Teile der Welt verlagert werden. Aber die Luftfahrt sei langfristig orientiert und man könne zukünftige Investitionen bei einem Brexit ohne Deal umleiten. Zuletzt hatte Airbus nur damit gedroht, weniger in die britischen Werke zu investieren. Nun stellte Enders klar: „Seien Sie sicher: Es gibt eine Reihe von anderen Ländern, die es lieben würden, für Airbus Flügel zu bauen.“

Fast jeder Airbus-Flügel kommt aus Großbritannien

Der MDAX-Konzern beschäftigt in Großbritannien 14.000 Mitarbeiter an 25 Standorten. Für die zivile Flugzeugsparte sind etwa 70 Prozent von ihnen tätig. In Filton mit rund 3000 Beschäftigten wird zum Beispiel das Design für Tragflächen, Tanksystem und Fahrwerk festgelegt. Der größte britische Standort ist Broughton mit gut 6000 Beschäftigten. Jede Tragfläche von Airbus-Passagierfliegern – bis auf den A220 – stammt aus dem Werk in Wales. Von dort werden die Flügel nach Bremen gebracht, wo sie die Landeklappen erhalten.

Ein Großteil der Tragflächen für die A320-Familie kommt letztlich nach Hamburg. Die insgesamt 12.700 Mitarbeiter auf Finkenwerder sind für die Endmontage von mehr als der Hälfte der Maschinen des Verkaufsschlagers zuständig. Das Unternehmen befürchtet, bei einem No-Deal-Brexit keine Teile mehr über die Grenze zu bekommen – das könnte die Produktion in Hamburg lahmlegen.

Unternehmen fürchten den Brexit

Aber nicht nur der größte Industriebetrieb der Hansestadt könnte unter einem EU-Austritt der Briten leiden. Jedes zweite Unternehmen aus dem Groß- und Außenhandel sowie dem Dienstleistungsbereich gab an, vom Brexit betroffen zu sein. 44 Prozent sahen sich als teilweise betroffen an, ergab eine Umfrage des Unternehmensverbands AGA. Sieben Prozent fühlen sich in erheblichen Ausmaß betroffen.

„Wir erleben gerade, wie Großbritannien sich politisch, sozial und wirtschaftlich nach allen Regeln der Kunst beschädigt“, sagte AGA-Präsident Hans Fabian Kruse. Die britische Politik beschäftige sich seit fast drei Jahren nur damit, ob und wie die EU verlassen werden solle. „Dringende Reformen bleiben auf der Strecke, und dies wird sich auch nach dem Brexit nicht ändern“, sagte Kruse.

Harter Brexit, Verbleib oder Austritt mit Abkommen?

Rund 1000 Hamburger Unternehmen unterhielten Handelsbeziehungen mit Großbritannien, 200 davon haben Niederlassungen auf der Insel. Sie halten sich laut Kruse derzeit dort mit Investitionen oder einem Ausbau der Standorte zurück. Andere überlegten, ob Sie Produkte aus anderen Ländern beziehen könnten. Harte Zollgrenzen würden niemanden schrecken, sagt Kruse. Das Problem sei die Ungewissheit. „ Mich ärgert, dass wir nicht wissen, was kommen wird“, sagte Kruse.

Harter Brexit, Austritt mit Abkommen oder gar ein Verbleib der Briten in der EU – auch dieses Szenario schloss er nicht aus. Für die Hamburger Firmen hat auch der Handelsstreit zwischen den USA und China negative Effekte. Das sehen laut Umfrage 57 Prozent so. Jede elfte Firma spürt erhebliche Auswirkungen. Auch deswegen ist der Ausblick auf die nächsten sechs Monate pessimistischer geworden. Mit steigenden Umsätzen rechnen zwar noch 40 Prozent, mit sinkenden nur 15 Prozent. Bei der Gewinnerwartung sind die Pessimisten aber in der Überzahl. 21 Prozent erwarten steigende Erträge, 23 Prozent niedrigere. Im Schlussquartal 2018 bezeichnete jede dritte Firma ihre Gewinnsituation als gut und etwa jede siebte als schlecht.