Hamburg. Bezirksamt Hamburg-Mitte untersagt Firma, den Begriff “Limonade“ zu verwenden. Die Begründung klingt kurios.

Man könnte es einen Zuckerschock nennen: Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat dem Hamburger Getränkehersteller Lemonaid untersagt, seine bekannte Bio-Limo weiterhin als Limonade zu bezeichnen. Die Begründung der Behörde ist äußerst erstaunlich. Lemonaid enthält zu wenig Zucker, um als Limonade durchzugehen. Das Unternehmen, das nach besonders hohen ökologischen und sozialen Standards produziert, ging jetzt mit dem Fall an die Öffentlichkeit.

Demnach lag vor einigen Wochen in der Firmenzentrale auf St. Pauli Post vom bezirklichen Fachamt für Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt im Briefkasten. In dem Schreiben verwiesen die Behördenmitarbeiter auf die sogenannten Leitsätze für Erfrischungsgetränke. Und darin ist festgelegt, dass „Limonaden einen Gesamtzuckergehalt von mindestens sieben Gewichtsprozent“ aufweisen müssen. Die bekannte Sorte Limette des Unternehmens enthält aber nur sechs Prozent Zucker, die Sorte Maracuja gar nur fünf Prozent. Die Verwaltungsangestellten stellten Lemonaid vor die Wahl, entweder die Beschreibung des Produkts zu ändern oder mehr Zucker ins Getränk mischen!

Limonade "wie hausgemacht" – seit zehn Jahren

„Es ist schon ironisch, dass alle davon sprechen, Lebensmittel und Getränke mit weniger Zucker herzustellen. Wir tun das schon, und nun sollen wir unserem Produkt mehr Zucker zusetzen, damit wir es weiterhin als Limonade verkaufen dürfen“, sagte Felix Langguth, der Lemonaid 2009 gemeinsam mit Paul Bethke und dem inzwischen ausgestiegenem Jakob Berndt gegründet hatte.

Lemonaid-Gründer Paul Bethke mit der klassischen Bio-Limo, die nun nicht mehr Limonade heißen darf.
Lemonaid-Gründer Paul Bethke mit der klassischen Bio-Limo, die nun nicht mehr Limonade heißen darf. © Marcelo Hernandez | Unbekannt

Das Start-up arbeitet äußerst erfolgreich. Mit einem Team von 100 Mitarbeitern erwirtschaften die Hersteller der Kult-Brause einen Jahresumsatz von etwa 15 Millionen Euro (2018). Fast vier Millionen Euro hat das Unternehmen nach eigenen Angaben seit der Gründung bereits für soziale Zwecke gespendet. 2016 bekam Lemon­aid den Deutschen Gründerpreis. Schon 2012 waren sie in Hamburg Existenzgründer des Jahres.

Eine Umbenennung der Bio-Limo in „Erfrischungsgetränk“ ist für die Macher auf jeden Fall keine Option. „Wir bieten seit fast zehn Jahren Limonade wie hausgemacht an“, sagt Bethke. „Unsere Kunden freuen sich darüber, endlich Limonade kaufen zu können, die aus frischen Bio-Direktsäften hergestellt ist – und eben nicht aus Zuckersirup mit Wasser“. Der Limonaden-Gedanke sei Kern des Produkts und der Marke – nur eben gesünder, betont Bethke. „Dass uns der Verbraucherschutz nun auf bedrohliche Weise vorhält, unsere Limonade habe zu wenig Zucker, ist grotesk.“

Ministerin Klöckner will weniger Zucker in Lebensmitteln

Erst Ende 2018 hatte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) eine Strategie vorgestellt, um unter anderem den Zuckergehalt in Lebensmitteln zu reduzieren. Sie soll gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Einzelhandel auf freiwilliger Basis bis 2025 umgesetzt werden. Getränke sollen danach künftig 15 Prozent weniger Zucker enthalten.

„Ich will einen besseren Zustand als der Ist-Zustand“, hatte Klöckner betont. Auch im Handel gibt es angesichts des wachsenden Ernährungsbewusstseins bei Verbrauchern Initiativen. So hat Edeka bei mehreren Dutzend Eigenmarken-Produkten den Zuckeranteil reduziert. Rewe will bis 2020 alle eigenen Produkte mit reduziertem Zuckergehalt ins Regal bringen.

Vorschlag der Verwaltung für Lemonaid untauglich

Auch der Alternativvorschlag der Verwaltungsmitarbeiter ist für die Brausebrauer untauglich: Alle Angaben auf der Flasche sind direkt auf das Glas gedruckt. Die bauchigen Mehrwegflaschen können deshalb nicht einfach umetikettiert werden, sondern müssten komplett vom Markt genommen werden. Das, heißt es bei Lemonaid, wäre nicht nur ein immenser finanzieller Schaden, sondern auch aus ökologischer Sicht unvertretbar. Nach Angaben eines Sprechers wollen sich die Gründer nun für eine Änderung der Verordnung einsetzen. Sollte dies nichts helfen, erwögen sie rechtliche Schritte.

Eine Sprecherin des Bezirksamts Mitte erklärte gegenüber dem Abendblatt, das Schreiben an den Getränkehersteller sei offenbar auf Sachbearbeiterebene versandt worden. Grundsätzlich sei man als Behörde gehalten, Verordnungen auch durchzusetzen. „Allerdings ist dies ein Fall, in dem es sicher sinnvoll wäre, die Verordnung zu überarbeiten.“ In jedem Fall sei man gesprächsbereit, um eine möglichst einvernehmliche Lösung mit Lemonaid zu finden. Erst im Herbst hatte die Firma sich erfolgreich gegen den Discounter Lidl gewehrt, der eine Kopie der Limonade auf den Markt gebracht hatte.