Hamburg. Schon bald fahren 100 Fahrzeuge, die mehrere Personen mit ähnlichem Ziel transportieren können, durch die Stadt. Flotte soll wachsen.
Die sechs Passagiersitze sind mit hellem Kunstleder bezogen und bieten reichlich Beinfreiheit, auf einem Bildschirm werden den Fahrgästen die nächsten Haltepunkte und die voraussichtliche Fahrdauer dorthin angezeigt. Es ist durchaus komfortabel, das neue Fahrzeug, in dem Hamburger sich von April an durch die Stadt transportieren lassen können, ohne in Bus, Bahn oder Taxi zu steigen.
Dann startet das VW-Tochterunternehmen Moia seinen gleichnamigen Fahrdienst in der Hansestadt, der zwar teurer sein wird als der öffentliche Nahverkehr aber günstiger als ein Taxi. „Es ist ein besonderer Tag“, sagte der neue Verkehrs- und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos), der den Service und das Fahrzeug am Mittwoch gemeinsam mit Moia-Chef Ole Harms vorstellte. Und eine gemeinsame Testfahrt in dem von einem Elektromotor angetriebenen Auto unternahm. Wie beim ÖPNV sitzen die Passagiere im Moia-Transporter neben Fahrgästen, die in die gleiche Richtung wollen. Experten sprechen von Ridesharing.
Verkehr in Hamburg soll entlastet werden
„Moia ist ein zusätzliches Angebot, eine Ergänzung, um die Mobilität in Hamburg umweltfreundlicher, leiser und sicherer zu machen. Der Stadtverkehr insgesamt wird entlastet“, sagte Westhagemann. Moia-Chef Harms betonte: „Es gibt derzeit kein größeres privatwirtchaftliches Ridesharing-Projekt. Große Teile der Software und des Fahrzeugs sind in Hamburg entwickelt worden.“ Der Moia-Standort in der Hansestadt habe bereits mehr als 100 Mitarbeiter.
Die ersten Fahrzeuge des Unternehmens sind schon jetzt testweise auf den Straßen der Stadt unterwegs. In den regulären Betrieb will Moia im April mit 100 der Kleinbusse starten. Im ersten Quartal 2020 sollen dann bereits 500 Moia-Transporter in der Hansestadt unterwegs sein – fast rund um die Uhr.
Durchschnittspreis pro Fahrt bei sechs bis sieben Euro
Der Service funktioniert so: Ein Fahrgast bucht mit der Moia-App auf seinem Smartphone eine Fahrt zu einem bestimmten Ziel. Kurz darauf erhält er eine Nachricht, wo und wann genau ihn der von einem festangestellten Fahrer gesteuerte Kleinbus aufnehmen kann, wie lang und teuer die Fahrt sein wird, ob weitere Passagiere mitfahren. „Wir rechnen damit, dass die Hamburger zumeist fünf bis sieben Kilometer lange Fahrten buchen werden. Der durchschnittliche Fahrpreis wird bei sechs bis sieben Euro liegen“, sagte Robert Henrich, der bei Moia für das operative Geschäft zuständige Vorstand. Bei einem seit Sommer 2018 in Hannover laufenden Test habe sich gezeigt, dass in den Spitzenzeiten an Abenden und an Wochenende tatsächlich bei 50 bis 60 Prozent der Fahrten mehrere Passagiere transportiert werden, die einander nicht kennen.
Starten werde der Service im Frühjahr zunächst im Gebiet „etwa innerhalb des Ring 3“, so Henrich. Sobald die Fahrzeugflotte im Jahr 2020 auf die geplanten 500 Autos angewachsen sei, sollen Fahrten im Stadtgebiet zwischen der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein im Westen, Norden und Osten sowie der Norderelbe im Süden möglich sein. Nur montags, dienstags und mittwochs zwischen 1 und 5 Uhr morgens sowie sonntags zwischen 6 und 10 Uhr pausiert Moia. „Ziel ist, das gesamte Stadtgebiet zu bedienen“, sagte Vorstandschef Harms. Die Bezirke Harburg und Bergedorf sollen hinzukommen, sobald die von der VW-Tochter angestrebte Zahl von 1000 Fahrzeugen in der Stadt unterwegs ist.
Hamburgs Verkehrsbehörde lässt vorerst 500 Autos zu
Einstweilen hat Westhagemanns Verkehrsbehörde dem Unternehmen nur 500 Wagen genehmigt. In den nächsten zwei Jahren soll zudem wissenschaftlich untersucht werden, wie sich der Service auf Busse, Bahnen und Taxiangebote in der Stadt auswirkt.
Hochbahn-Vorstandschef Henrik Falk erwartet zwar, dass durchaus Bus- und Bahnfahrgäste zu Moia abwandern. Doch sein Ziel sei, „den neuen Service sinnvoll mit den bestehenden Mobilitätsangeboten Hamburgs zu verzahnen“, sagte Falk. Die Moia-App solle deshalb auch Teil der Hochbahn-Mobilitätsplattform switchh werden.
Derzeit schult die VW-Tochter noch ihre Fahrer, die eine Personenbeförderungslizenz besitzen müssen und testet das neue auf der Basis eines VW-Crafter entwickelte Fahrzeug auf Herz und Nieren. Zudem werden – in Niendorf und nahe des Horner Kreisels – zunächst zwei Betriebshöfe mit Ladesäulen für die Elektroautos eingerichtet. Weitere sollen folgen.
Moia ist nicht der erste Anbieter solcher Fahrservices für geteilte Fahrten in der Stadt. Das zur Bahn gehörende Start-up Clevershuttle startete schon 2017. In Lurup und Osdorf transportiert der Anbieter Ioki – ein Gemeinschaftsprojekt von Bahn und VHH – Passagiere per Auto zur nächsten ÖPNV-Haltestelle. Mytaxi und HansaTaxi vermitteln Ridesharing-Fahrten. „Moia macht uns keine Angst“, sagte HansaTaxi-Sprecher Claus Hönig dem Abendblatt. Das Taxengewerbe habe einen entscheidenden Vorteil: „Bei uns kann man noch per Telefon bestellen, nicht allein per Smartphone-App.“