Hamburg. Eine Hamburger Institution schließt alle vier Filialen. Ein Grund: Mit Brötchen und Brot lässt sich kein Geld mehr verdienen.

Jörg Fastert hat schon eine ziemlich genaue Vorstellung, wie es zugehen wird, am Silvestertag in seiner Backstube: „Wir backen wie jeden Tag Brötchen, mehr Stangen- und Partybrote als sonst. Und 6000 Berliner“, sagt der Chef der traditionsreichen Konditorei und Bäckerei Fastert in Alsterdorf. So gegen 8 Uhr am Morgen wird die Arbeit an den Backöfen und an der Fritteuse erledigt sein. Aufräumen, sauber machen. „Dann werden wir wohl ein Glas Prosecco trinken“, sagt der 52 Jahre alte Konditormeister. Nicht, weil es der letzte Arbeitstag des Jahres ist, sondern, weil es der letzte Arbeitstag in der Konditorei Fastert überhaupt ist. 111 Jahre nach seiner Gründung stellt das Unternehmen den Geschäftsbetrieb am Jahresende ein. Schluss. Aus. Vorbei.

Jörg Fastert müsste das nicht zwingend tun, er will es so. Weil er keine Perspektive sieht für sein Handwerksunternehmen mit jetzt noch etwa 20 Beschäftigten und zwei Geschäften, gegen die Konkurrenz von großen Bäckereiketten und Backshops, von Aufbackstationen in Supermärkten und Snacktheken in U- und S-Bahnhöfen. „Es ist ein Verdrängungswettbewerb mit den Großbäckereien.

Kein Platz mehr für keine Betriebe in der Branche

In der Backbranche ist kein Platz mehr für kleine, handwerkliche Betriebe wie uns“, sagt er. Es klingt nicht bitter. Fastert, dessen Urgroßvater den Betrieb gründete und der ihn selbst von seinem Vater übernahm, hat das Für und Wider lange abgewogen, hat die Zukunftschancen des Unternehmens analysiert und ist zu dem Ergebnis gekommen: „Man hat kaum noch realistische Chancen, gegen die Großen erfolgreich anzukämpfen. Manchen gelingt es, eine Nische im Markt zu finden und in ihr zu überleben.“ Für seine Firma sah er diese Chance nicht.

Konditor Jörg Fastert in seiner Backstube. Silvester schließt er den Familienbetrieb – nach 111 Jahren.
Konditor Jörg Fastert in seiner Backstube. Silvester schließt er den Familienbetrieb – nach 111 Jahren. © ANDREAS LAIBLE | ANDREAS LAIBLE

Die Firma Fastert firmiert als Konditorei, die Stärke des Unternehmens sind Kuchen und Torten, die Standardvarianten und individuell nach Kundenwunsch gestaltete Mottotorten. Doch einen erheblichen Teil des Umsatzes erzielt sie mit Brot und Brötchen. Gebacken wird am Stammsitz an der Alsterdorfer Straße, verkauft zudem auch in der noch bestehenden Filiale am Saseler Markt. Nur: „Der Verkauf von Brot und Brötchen ist wegen der starken Konkurrenz nicht mehr rentabel“, sagt Fastert. Sich ganz auf Torten und Kuchen zu konzentrieren war aber keine Option. Der Umsatz wäre zu gering gewesen, um die Firma in der bestehenden Größe zu erhalten. „Die Kunden wollen im Geschäft beides kaufen können.“ Und viele seiner großen sogenannten Lieferkunden – Hotels, Unternehmen, Restaurants – hätte Fastert wohl ebenfalls verloren. Auch sie wollen sämtliche Backwaren möglichst von nur einem Lieferanten.

Das Haus an der Alsterdorfer Straße ist bereits verkauft

Hinzu kommt: Die Backstube, in der die Fasterts seit Anfang der 1960er-Jahre tätig sind, ist in die Jahre gekommen. Sie hätte mit großem finanziellen Aufwand renoviert werden müssen. Eine Investition, die Jörg Fastert angesichts der ungewissen Zukunftsaussichten nicht verantworten konnte und wollte. „Mit dem Gedanken, das Unternehmen zu schließen, befasse ich mich schon seit fast drei Jahren. Den Entschluss, das zu tun, habe ich bereits vor vielen Monaten gefasst“, sagt er.

Vor einem halben Jahr wurde zuerst die Fastert-Verkaufsstelle im Netto-Supermarkt an der Tangstedter Landstraße geschlossen, vor drei Monaten die bei Netto an der Alsterkrugchaussee. Auf der Internetseite des Unternehmens gibt es seit Kurzem den Hinweis: „Wir schließen unser Geschäft zum 31. 12. 2018“. Jörg Fastert arbeitet routiniert einen Plan ab, den er sich zurechtgelegt hat.

Der Konditormeister will künftig Torten herstellen

„Die Mitarbeiter wissen seit Monaten Bescheid. Alle haben inzwischen einen neuen Arbeitsplatz“, sagt er. Das ist ihm wichtig. Manche der Angestellten sind bereits ausgeschieden. Das Haus an der Alsterdorfer Straße, in dem der Betrieb seit Jahrzehnten ansässig ist, und das Jörg Fastert erst vor einigen Jahren erwerben konnte, ist bereits weiterverkauft. „Es wird Mitte Januar an den neuen Eigentümer übergeben. Auf dem Grundstück werden Wohnungen gebaut“, sagt der Konditormeister. Die Filiale in Sasel übernimmt ein Kollege.

Mit der Abwicklung seines Unternehmens wird er im neuen Jahr noch sehr viel Arbeit haben. Fastert klingt sehr beherrscht, manchmal fast fröhlich, wenn er davon erzählt. Ist da gar kein Wehmut? „Doch schon. Als ich die langjährigen, großen Kunden informiert habe, ist mir manchesmal eine Träne ins Auge geschossen.“

Der Konditormeister selbst will sich künftig auf das konzentrieren, was er gelernt hat, und was ihm immer am meisten Spaß gemacht hat: Torten herstellen. „Hochzeitstorten, Sonderanfertigungen für Unternehmen – das ist mein Ding. Dafür sehe ich große Nachfrage.“ Mit einem Partner wird der Handwerksmeister schon bald eine neue Fertigung „auf der grünen Wiese“ aufziehen. Brot und Brötchen aus seiner Hand gibt es nur noch wenige Tage. Und 6000 Berliner. Ein letztes Mal.